Diese 800 Seiten umfassende Heidelberger Dissertationsschrift stellt eine besonders umfangreiche und detaillierte Abhandlung zur Person Papst Honorius’ III. dar, der in der älteren geschichtswissenschaftlichen Forschung über eine lange Zeit vernachlässigt und von dem Pontifikat seines Vorgängers, Papst Innozenz III., überschattet wurde. Während der Forschungsstand in der englisch-, französisch- und italienischsprachigen Forschung bereits aufgearbeitet wurde, ist die Dissertation Skibas innerhalb der deutschsprachigen Forschung das erste umfassende Werk zu dem Pontifikat Honorius’ III., das seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurde.1 In Anbetracht dieser Forschungslücke ist es nach eigenen Angaben der Autorin daher das Ziel der Dissertation, „Licht in dieses Dunkel zu bringen, ausgewählte Aspekte des honorianischen Pontifikats genauer zu beleuchten und eine Neubewertung anzuregen“ (S. 10).
In ihrer Einleitung (S. 1–24) befasst sich Skiba ausführlich mit der Quellenlage und dem Stand der Forschung zum Pontifikat Honorius’ III. Dabei legt sie die Gründe für die Vernachlässigung des Papstes innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Forschung dar, geht auf die daraus resultierenden Defizite ein und erläutert, inwiefern diese innerhalb der Forschung bereits aufgearbeitet wurden. Anschließend befasst sie sich in chronologischen Etappen mit dem Leben Honorius’ III. bis zu seiner Papstwahl. Dabei wird zunächst auf die umstrittene familiäre Herkunft (S. 25–41) und die kuriale Karriere des Papstes eingegangen (S. 43–94), der vor seiner Wahl unter dem Namen Cencius bekannt war. Die Auswahl der Unterthemen zu diesem dritten Kapitel orientiert sich an den vielfältigen Tätigkeitsbereichen, die den ehemaligen Kämmerer der Römischen Kirche in seiner Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst und seine Denk- und Handlungsweise geprägt hätten. Dabei geht die Autorin unter anderem auf Cencius als Autor des Liber Censuum ein, der sich nicht nur mit kurial-organisatorischen Aufgaben befasst habe, sondern auch an diversen Bau- und Stiftungstätigkeiten innerhalb der Stadt Roms beteiligt gewesen sei. Das Kapitel schließt mit einer Erörterung der Ursachen für sein Verschwinden den kurialen Angelegenheiten während des Pontifikats Innozenz’ III. Nach diesem ausführlichen Kapitel zur kurialen Karriere folgt im vierten Kapitel schließlich eine konzise Darstellung der Papstwahl Honorius’ III. (S. 95–101).
Im Anschluss daran setzt sich Skiba schließlich mit dem Pontifikat Honorius’ III. auseinander, indem sie sich auf drei Schwerpunkte seines päpstlichen Wirkens konzentriert. Dementsprechend stehen im fünften Kapitel die Relevanz der Predigt für Honorius III. und seine Förderung der sogenannten „neuen Orden“ (S. 103–245) im Mittelpunkt. Fokussiert wird dabei auf die Bedeutung der Predigt und der Seelsorge, da sich Honorius Zeit seines Amtes mit der Umsetzung kirchlicher Reformen und der Förderung der „neuen Orden“ befasst habe. In diesem Kapitel geht Skiba auch auf die Entwicklung der Predigerorden ein und hebt Honorius’ Tätigkeit bei der Förderung der Franziskaner und der Dominikaner hervor.
Das sechste Kapitel nimmt die Kreuzzugspolitik in den Blick (S. 247–442). Dabei befasst sich Skiba ausführlich mit der Vorgeschichte des Fünften Kreuzzuges, geht detailliert auf die unter Papst Innozenz III. initiierten Vorgaben des Kreuzzuges ein und legt dar, wie Honorius diese innerhalb seines Pontifikats umsetzte. Nach einer quellennahen Untersuchung des Verlaufs des Fünften Kreuzzuges bis zum Vertrag von San Germano widmet sich die Autorin der Finanzierung des Kreuzzugsunternehmens unter Honorius III. Dieser habe im Bereich der kirchlichen Finanzen Pionierarbeit geleistet und sich um ein praktisches und zugleich transparentes Verfahren der Sammlung der Kreuzzugssteuer bemüht, um das Risiko des Missbrauchs dieser Gelder zu reduzieren. Vor allem aber wird die Fähigkeit Honorius’ hervorgehoben, seine Kreuzzugspolitik den vorherrschenden Umständen entsprechend anzupassen, sowie die Eigenständigkeit der päpstlichen Entscheidungen. Obgleich Honorius bei der Verwaltung und Koordinierung des Kreuzzugsunternehmens Vertrauensleute eingesetzt und seine Entscheidungen von Rom aus getroffen habe, sei er stets eine entscheidende Bezugsperson und primärer Ansprechpartner für das christliche Heer gewesen (S. 439).
Im siebten Kapitel wendet sich die Autorin schließlich Honorius III. und seinen Interaktionen mit den Herrschern seiner Zeit zu (S. 443–718). Dieses Kapitel stellt das umfangreichste dar und beschäftigt sich mit dem Verhältnis zu den Königen Frankreichs und Englands. Aber auch die langwierigen Auseinandersetzungen mit dem Staufer Friedrich II., aufgrund derer der Papst in der älteren geschichtswissenschaftlichen Forschung häufig als nachgiebig und inkonsequent dargestellt wurde, werden behandelt. Dabei wird deutlich, dass Honorius in der Interaktion mit den Herrschern Europas durchaus in der Lage gewesen sei, eine konsequente und eigenständige Politik zu entwickeln und seine Entscheidungen in den Kreuzzugsangelegenheiten mit Friedrich II. nach pragmatischen Faktoren auszurichten.
Nach der Betrachtung dieser drei Themenschwerpunkte folgt eine konzise Schlussbetrachtung (S. 719–726), in der Skiba vor dem Hintergrund der Erkenntnisse ihrer Arbeit resümiert, inwiefern Honorius III. als Papst im Schatten seines Vorgängers bezeichnet werden kann. Dabei kommt sie zu dem Schluss, dass Honorius innerhalb seines Pontifikats durchaus eigene Akzente gesetzte habe und aufgrund seines Selbst- und Amtsverständnisses nicht als „Echo“ seines Vorgängers bezeichnet werden könne (S. 725). Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 727–776) sowie ein Register (S. 777–808) beenden das Werk der Heidelberger Geschichtswissenschaftlerin.
Die Dissertation Skibas erschöpft sich nicht in einer rein biographischen Darstellung des Lebens von Honorius III., sondern bietet auch neue Perspektiven für die Betrachtung seiner Person und seines Pontifikats. Dabei wird regelmäßig darauf hingewiesen, dass seine Entscheidungen Ausdruck der pragmatischen Denk- und Handlungsweise des Papstes gewesen seien, der sich gleichzeitig als „oberster Seelsorger der Christenheit“ dafür verantwortlich gesehen habe, „Irrende auf den rechten Weg zurückzuführen“ (S. 623). Die These der pragmatischen Kreuzzugsführung kann letztendlich dazu beitragen, die in der geschichtswissenschaftlichen Forschung lange Zeit manifestierte abwertende Darstellung Honorius‘ zu revidieren und eine Neubewertung seines Pontifikats anzuregen. In Anbetracht dessen erscheint es umso erstaunlicher, dass Skiba die These der Pragmatik weder in ihrer Einleitung, noch in ihrer Schlussbetrachtung als solche formuliert. Zudem führt der enorme Umfang der Studie dazu, dass sich einige Unterthemen innerhalb der Kapitel wiederholen und bestimmte Thesen damit redundant erscheinen.
Die Stärke der Dissertation Skibas liegt zweifellos in der intensiven und quellennahen Arbeit und das Werk überzeugt daher aufgrund seiner thematischen Vielfalt. Ebenso positiv fallen die Aufarbeitung des Forschungsstandes und die Bewertung der aktuellen Forschungsthesen zu dem Pontifikat Honorius’ III. auf. Die umfassende Studie bietet aufgrund ihrer Fülle an Details und der intensiven Auseinandersetzung mit dem erhaltenen Quellenmaterial Anregungen für eine tiefere Beschäftigung mit dieser Epoche der Papstgeschichte.
Anmerkung:
1 Nennenswert sind lediglich zwei deutschsprachige Werke, die jedoch bereits veraltet sind und aufgrund ihres deskriptiven Charakters kaum relevante Erkenntnisse über die päpstliche Politik Honorius’ III. hervorbringen. Vgl.: Johannes Clausen, Papst Honorius III. (1216–1227). Eine Monographie, Bonn 1895; Adalbert Keutner, Papsttum und Krieg unter dem Pontifikat des Papstes Honorius III. (1216–1227) (Münster. Beiträge z. Gesch.-forschung 61 = 3. Folge, 10. Heft), Münster 1935.