J. Walter: Convenanting Citizens

Cover
Titel
Covenanting Citizens. The Protestation Oath and Popular Political Culture in the English Revolution


Autor(en)
Walter, John
Erschienen
Anzahl Seiten
X, 266 S.
Preis
£ 76.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lars Behrisch, Universität Utrecht

Die Protestation des englischen Parlaments vom Mai 1641 war ein Schlüsselmoment der unmittelbaren Vorgeschichte von Bürgerkrieg und Revolution, ist als solches jedoch noch nicht hinreichend gewürdigt worden. Dies ist umso erstaunlicher, als diese Kernphase englischer Geschichte überaus intensiv erforscht wurde. John Walter, der sein Leben lang über popular politics im frühneuzeitlichen England gearbeitet hat, hat diese Lücke nun geschlossen – und anhand sämtlicher landesweit verfügbarer Quellen alle erdenklichen Aspekte der Abfassung, Diskussion und Propagierung der Protestation nachverfolgt. (Es sei allerdings am Rande angemerkt, dass das systematische Aneinanderreihen zum Teil gleichlautender Quellenbelege auf die Dauer etwas ermüdend wirkt.)

Der Kern der Protestation war ein aus wenigen Sätzen bestehender Text, mit dem zunächst beide Häuser des Parlaments und, im Verlauf etwa eines Jahres, nahezu die gesamte englische Bevölkerung auf den Schutz (in dieser Reihenfolge) der protestantischen Religion, des Königs, des Parlaments und der bürgerlichen Freiheiten (Rights, & Liberties of the Subiects, nach S. 38) eingeschworen wurden. Die Protestation war formal kein Eid: Unterzeichnende „versprachen, gelobten und beteuerten“ (promise, vowe, & protest, ibid.) ihr Einstehen für deren Inhalt. Wie schon der Titel des Buches andeutet, wurde sie jedoch allgemein durchaus als Eid aufgefasst und auch bezeichnet. Dies lag umso näher, als das Gelübde in the Presence of Almighty God (ibid.) und auch grundsätzlich im Rahmen der Kirchengemeinde, im Kirchenraum und vor Geistlichen geleistet wurde.

Das Konzept einer Protestation fügte sich sowohl in eine parlamentspolitische als auch eine religiöse, eben protestantische Tradition ein. Die solcherart doppelte Stoßrichtung, also die Verteidigung politischer Teilhaberechte und zugleich der Religion – unterstrichen durch wiederholt gezogene Parallelen zu biblischen Covenants ebenso wie zum schottischen Covenant von 1638 – war die Basis einer, modern gesprochen, brillanten PR-Leistung der Führungsclique des im November 1640 konstituierten Long Parliament. Denn die Protestation – übrigens das erste Dokument, das auf alleinige Veranlassung des Parlaments gedruckt wurde – sicherte ihm die Unterstützung großer Teile der Bevölkerung in der politischen, seit Mitte 1642 auch militärischen Auseinandersetzung mit Charles I. Diese Unterstützung beruhte teilweise auf genuinen Sympathien der Bevölkerung für das Parlament (vor allem für das Unterhaus) und Antipathien gegenüber dem König infolge der politischen Spannungen der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte. Ihre entscheidende Triebkraft erhielten diese Sympathien und die Unterstützung für das Parlament aber aus dem Verlangen, das eigene Seelenheil zu retten – und damit die durch die Protestation zu schützende true, Reformed protestant Religion (ibid.). Eben sie schien durch die Kirchenreformen Charles I.‘ und seines Erzbischofs William Laud, die weithin als schleichende Rekatholisierung wahrgenommen wurden, akut gefährdet. Daher las sich die Protestation im Zweifelsfall als Unterstützungserklärung für das Parlament – und gegen den König. Dazu trugen gezielte Ergänzungen bei, die der Hauptgegenstand der etwa vierstündigen Unterhausdebatte über ihren Wortlaut gewesen waren, in der zuletzt die puritanisch gesinnte Führungsclique die Oberhand behielt (S. 23ff.): durch die Ergänzung against all Popery, and Popish Innovations; durch die Reduzierung der von anglikanischer Seite geforderten Präzisierung as it is now established in the Church of England auf expressed in the Doctrine of the Church of England; und durch die Zusatzerklärung (Explanation), dass damit eben nicht die verabscheuten „papistischen“ Organisations- und Ritualformen gemeint seien.

Weiteren Nachdruck erhielten die Protestation und ihr doppeltes Schutzversprechen gegen königliche Willkür (implizit) und Rekatholisierung (explizit) durch die Anfang Mai 1641 einmal mehr akute – und berechtigte – Furcht vor Plänen des Königs, erneut das Parlament aufzulösen und mit harter Hand zu regieren, sowie vor einem damit vermeintlich verbundenen popish plot, – beides zudem womöglich in Allianz mit Frankreich, dem sich Charles durch seine Ehe verbunden hatte. Während das Parlament die Protestation debattierte und ratifizierte, schickte es daher zugleich Verbindungsleute an das im Norden Englands stationierte Heer, übernahm die Kontrolle über den Tower und sicherte Portsmouth gegen eine französische Invasion – und beschwor die göttliche Rettung vor den früheren papistisch-romanisch-absolutistischen Bedrohungen durch die spanische Armada und den Gunpowder Plot von 1605. Dieser quasi-apokalyptische Hintergrund fand in einer Vorrede (Preamble) Niederschlag, der die Rezeption der Protestation zusätzlich katalysierte und ihre Lesart religiös wie politisch radikalisierte.

Tatsächlich gelang es noch im Mai einer Seilschaft aus Parlamentsführung, Londoner puritanischen Predigern und städtischen Aktivisten, den größten Teil der hauptstädtischen Bevölkerung und schließlich auch den Magistrat auf die Protestation einzuschwören. Hingegen scheiterte ein Gesetzentwurf zur verpflichtenden Einschwörung aller Amtsträger sowie des gesamten Landes am Widerstand der Lords. Im Januar 1642 aber bot der grob misslungene persönliche Anschlag des Königs auf das Parlament (bzw. die five members, den harten Kern der Parlamentsführung) dem Unterhaus die Legitimation, um jetzt im Alleingang eine national Protestation (S. 195 u.ö.) mittels einer Declaration durchzusetzen. Deren mangelnde Gesetzeskraft wurde mehr als wettgemacht durch den Wortlaut (The House doth conceive that the Protestation made by them is fit to be taken by every Person that is well affected, in Religion, and to the Good of the Commonwealth; and therefore doth declare, that what Person soever shall not take the Protestation, is unfit to bear Office in the Church or Commonwealth, S. 65), die Weiterleitung an und Umsetzung durch sämtliche Amtsträger sowie nicht zuletzt die (durchgehend eingehaltene) Verpflichtung, nicht nur die Unterzeichner, sondern auch alle Verweigerer – als potentielle Landesverräter – genau zu registrieren. Wie Walter anhand systematischer archivalischer Recherchen nachweist, wurde zum Teil bereits 1641, zum Teil zu Anfang des Jahres 1642 tatsächlich die überwiegende Mehrheit der englischen Gemeinden (für Wales ist die Quellenlage undeutlich) auf die Protestation eingeschworen, mit erkennbarer Ausnahme lediglich der pro-katholischen (und später meist royalistischen) Regionen oder Personen. Dabei nahm überall dort, wo es sich in den Quellen nachvollziehen lässt, auch wirklich die gesamte männliche Bevölkerung an der Einschwörung teil. Das vom Parlament anvisierte Minimalalter von 18 Jahren wurde mancherorts auf 16 herabgesetzt – womöglich im Zusammenhang mit dem Alter der Erstkommunion. Damit nicht genug: Häufig wurden auch die weiblichen Gemeindemitglieder einbezogen. Dazu leistete der Wortlaut der Aufforderung des Parlaments vom Januar Vorschub, to call together the Inhabitants of their severall Parishes, both householders & others being of 18 years (S. 204; das zunächst vor der Altersangabe stehende men war durchgestrichen, was Walter zufolge andeuten könnte, dass zumindest manche Parlamentarier eine weibliche Teilnahme anvisierten). Manche Gemeinden verlangten to knowe whether the women need to take the oath of protestation (ibid.) – und nicht wenige schlossen, dass Frauen in die religiös-politische Mobilisierung einzubeziehen seien, ja konnten betonen, dass not one of the parish [...] refused to ioyne in this acte: as well women & youth of both sexes gave their full consent (though they put not hereunto their hands because they could not write) (S. 205). Ein Geistlicher unterstrich zudem ganz explizit ihr neere & Equall interest (as they doe conceive) unto the cause being as free & voluntary in the same as ourselves (S. 206).

Dies bringt uns schließlich zur Kernthese des Autors: Demnach habe die Einschwörung des größten Teils zumindest der männlichen Einwohner auf die Protestation nicht nur ihrer Mobilisierung (überwiegend) für die religiöse und politische Sache des Parlaments im Jahr 1642 massiv Vorschub geleistet – wofür er in einem abschließenden Kapitel vielfache zusätzliche Belege liefert –, sondern auch eine popular political culture maßgeblich befördert, ja eine landesweite agency der Bevölkerung hervorgebracht (S. 207 u.ö.). Hier ist Kritik angebracht. Sicherlich trugen die hauptstädtischen Massendemonstrationen und -petitionen seit Beginn der 1640er-Jahre wesentlich zum Erfolg der parlamentarischen Rebellion bei, von der militärischen Mobilmachung zu schweigen. Zweifellos auch waren Revolution und Bürgerkrieg sowie nicht zuletzt (oder besser: zuallererst) die Einschwörung aller auf die Protestation eine potentially levelling experience (S. 3) und ein politicizing act (S. 112). Ob die Engländer aber durch all dies genuine agency erhielten (oder sich zuschrieben), ist in zweierlei Hinsicht anzuzweifeln: Erstens implizierte die Grundentscheidung für die Sache des Parlaments (oder umgekehrt für die des Königs) konkrete Loyalitäten und Verhaltensweisen, von denen in der Folge abzuweichen lebensgefährlich war. Zweitens ist fraglich, inwieweit selbst diese Grundentscheidung von individueller agency getragen war. Denn die Beschwörung der Protestation war de facto verpflichtend und wurde in den Gemeinden eben auch durchgehend kollektiv vorgenommen – abweichende Entscheidungen waren nicht vorgesehen. Die Dimension individueller Gewissensentscheidung bleibt daher fraglich (und die wiederholt bemühte Begrifflichkeit der politics of conscience blass, S. 243 u.ö.). Die titelgebende Formulierung covenanting citizens ist denn auch auf bezeichnende Weise zweideutig – wobei die Lektüre nahelegt, dass sie vor allem in ihrer transitiven Bedeutung gelesen werden muss: Das Parlament schwor die Bürger ein, es verpflichtete sie in einem Bund viel mehr, als dass sich die Bürger selbst zu einem solchen zusammenschlossen (wie auch der Titel von Kapitel 4, Swearing the Nation, zum Ausdruck bringt). Es kam schließlich auch nicht von ungefähr, dass das Parlament einige Jahre später von einer politisch aktiven Bürgerschaft nichts mehr wissen wollte: Alle Forderungen, deren Partizipation auf Dauer zu stellen und etwa das restriktive Wahlrecht zu erweitern, wurden vom siegreichen Parlament nun so kategorisch wie erfolgreich zurückgewiesen.

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