Die hohe Bedeutung mittelständischer Unternehmen für die deutsche Volkswirtschaft und das beachtlich hohe Alter nicht weniger eigentümergeführter Firmen veranlassen die neuere wirtschaftshistorische Forschung immer häufiger dazu, den Aufstieg von einst kleinen Betrieben zu bekannten und weniger bekannten (Welt-)Marktführern genauer auszuloten. Jochen Streb nimmt sich der Geschichte eines Werkzeugmaschinenbauers an, der nicht nur in Branchenkreisen zu den „Vorzeigeunternehmen“ (S. 15) unter den deutschen Familienunternehmen zählt: Die in Ditzingen ansässige TRUMPF GmbH & Co. KG blickt auf eine mittlerweile fast 100-jährige Geschichte zurück und gehört zu den Topadressen auf einem international umkämpften Markt.
Wie in vielen mittelständischen Unternehmen sind die Voraussetzungen für eine quellengesättigte Abhandlung nicht die besten. Ein professionell geführtes Firmenarchiv gibt es nicht, unternehmenshistorisch relevante Quellen etwa zu den internen Entscheidungsprozessen oder zu Organisationsfragen liegen nur spärlich vor. Wesentlich dichter fällt dagegen die Überlieferung zur Geschichte der bei TRUMPF entwickelten Innovationen aus, die einen wesentlichen Schwerpunkt der Abhandlung ausmacht.
Gemeinsam mit zwei Mechanikermeistern gründete der Kaufmann Christian Trumpf 1923 die Julius Geiger GmbH, die zunächst mit nur fünf Mitarbeitern biegsame Wellen produzierte. Unter der Leitung des talentierten Unternehmers Trumpf kamen bald unter anderem Patente für diverse Schleif- und Poliermaschinen hinzu. Zwei wesentliche Innovationen der frühen 1930er-Jahre, eine Elektrohandblechschere und eine Universalmaschine mit biegsamen Wellen, die den Betrieb verschiedener Elektrowerkzeuge erlaubte, legten den Grundstein für einen bemerkenswerten Aufstieg. Mit seinen innovativen Elektrowerkzeugen wurde das Unternehmen, das seit 1937 unter dem Namen TRUMPF & Co. vormals Julius Geiger firmierte, zu einem „unverzichtbaren Lieferanten von rüstungsrelevanten Anlagegütern“ (S. 102), der insbesondere die Luftfahrtindustrie versorgte.
Jochen Streb charakterisiert die Produktentwicklung seit 1923 überzeugend als einen „pfadabhängigen Innovationsprozess“ (S. 134), der sich in der Bundesrepublik fortsetzte. Der Aufstieg Trumpfs zu einem Weltmarktführer auf dem Markt für hochwertige Blechschneidemaschinen ist untrennbar mit dem Namen Berthold Leibinger verbunden, der 1950 seine Mechanikerlehre begann, Maschinenbau studierte und im Kontext seiner Diplomarbeit 1957 eine Kopiernibbelmaschine konstruierte, die Bleche mit einem höheren Tempo und größerer Genauigkeit als bisher bearbeitete und wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg TRUMPFs in der Wirtschaftswunderzeit beitrug. Leibinger sammelte nun in Ohio für zwei Jahre wertvolle Berufserfahrungen in einem Zweigwerk der Cincinnati Milling Machine Company und übernahm 1961 bei TRUMPF die Leitung der Konstruktionsabteilung. Da die Ehe von Christian und Anna Trumpf kinderlos blieb, sahen beide in Leibinger früh einen potentiellen Miteigentümer und Geschäftsführer. Das Ehepaar übertrug ihm 1963 zwölf Prozent ihrer Anteile an der Komplementärin TRUMPF Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH und nahmen ihn 1966 auch in den Kreis der Kommanditisten von TRUMPF auf. Nach dem Abschied Christian Trumpfs rückte Leibinger 1969 mit Hugo Schwarz (eine langjährige Führungskraft und gleichfalls Teilhaber bei TRUMPF und der Komplementärin) in die Geschäftsführung auf.
Seit den ausgehenden 1960er-Jahren gingen die herausragenden technischen Innovationen auf die Ideen Leibingers zurück: 1967 wurde die erste numerisch gesteuerte Stanz- und Nibbelmaschine (Traumatic 20) vorgestellt, seit den späten 1970er-Jahren erschloss TRUMPF mit der Lasertechnik ein neues Terrain und brachte 1985/1986 eine hauseigene Laserschneidemaschine zur Marktreife. Gleichzeitig schritt die Internationalisierung TRUMPFs voran, die der Autor profund erörtert. Der Gründung ausländischer Vertriebstöchter zunächst 1963 in der Schweiz und 1969 in den USA, die den Kundenservice vor Ort verbesserten, folgte seit Mitte der 1970er-Jahre der sukzessive Aufbau ausländischer Produktionsstätten unter anderem in den USA, der Schweiz und in Frankreich.
Die schwere Krise des Maschinenbaus in den frühen 1990er-Jahren bescherte auch TRUMPF gehörige Verluste, wurde aber dank energischer organisatorischer Innovationen, wie etwa der Einführung der Fließfertigung, zügig überwunden. Bertold Leibinger kam nun auch Schritt für Schritt seinem Ziel näher, die Firmenanteile vollständig in die Hände der Familie zu überführen, die seit Juni 2003 der alleinige Eigentümer ist. Zu seiner Nachfolgerin wurde 2005 seine Tochter Nicola Leibinger-Kammüller bestellt, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Matthias Kammüller und ihrem Bruder Peter Leibinger die operative Verantwortung übernahm. Das Führungstrio baute in den nächsten Jahren unter anderem die Kompetenzen TRUMPFs als Dienstleistungsunternehmen aus und erhöhte in den letzten rund zehn Jahren die Präsenz des Unternehmens in China.
Jochen Streb schließt überdies manche Themen auf, die in Studien zu mittelständischen Unternehmen bislang eher ausgeblendet wurden. Häufig wird vergessen, dass zur Geschichte erfolgreicher Technologieführer stets auch gescheiterte Innovationen gehören, die sich aus unterschiedlichen Gründen nur kurz auf den Märkten behaupteten. So fand eine 1980 erstmals präsentierte Plasmaschneidemaschine lediglich für einige Jahre eine zufriedenstellende Nachfrage, da die Laserschneidemaschinen letztlich mit der größeren Präzision arbeiteten. Ebenso scheiterten die Versuche um die Jahrhundertwende, Marktsegmente in der Medizintechnik zu erschließen. Teils fehlte ein schlüssiger Geschäftsplan, teils fehlten die einschlägigen Kenntnisse über die Produkte und ihre Kunden.
Wenig ist bisher auch über die Kommunikationspolitik von Familienunternehmen bekannt, die sich bei TRUMPF lange an den „ästhetischen Vorlieben und geschäftlichen Schwerpunkten“ (S. 353) Berthold Leibingers orientierte. Bis in die frühen 1990er-Jahre hinein gab es keine Presseabteilung, der Umgang mit Medienvertretern blieb „hemdsärmelig“ (S. 350). Für einen kräftigen Professionalisierungsschub sorgte erst Nicola Leibinger-Kammüller, die 2003 in der Geschäftsführung die Verantwortung für die Öffentlichkeitsarbeit übernahm und nun die Corporate Identity systematisch auf ein homogenes Erscheinungsbild ausrichtete. Es wurden präzisere Produktnamen kreiert („Projekt TruName“) oder auch „Styleguides“ (S. 353) für die Messeauftritte verfasst, die Kunden und den eigenen Beschäftigten vor allem „Klarheit“, die „Reduktion auf das Wesentliche“ und eine anspruchsvolle „Industrie-Ästhetik“ (S. 353) vermittelten.
Zu Recht weist Jochen Streb einleitend darauf hin, dass die Geschichte von eigentümergeführten Firmen maßgeblich von der „engen Verflechtung zwischen […] Familie, Eigentum und Unternehmen“ (S. 39) bestimmt wird. In der Tat gehört der regelmäßige Interessenausgleich zwischen den „drei Subsystemen“ (S. 39) zu den Grundvoraussetzungen für die Langlebigkeit von Familienunternehmen. Zwar werden die Leistungen einzelner Familienmitglieder für die Firmengruppe zur Genüge herausgearbeitet – das Zusammenspiel zwischen Familie und Unternehmen sowie ihre besondere Dynamik bleiben aber unscharf. Hier bleiben spannende Fragen, gerade mit Blick auf das „Subsystem Familie“, offen: Wie ist es Berthold Leibinger gelungen, seine Nachkommen für eine Laufbahn als Unternehmer zu begeistern und davon zu überzeugen, die Arbeit für das Unternehmen gar als eine „Liebesbeziehung“ zu begreifen, der sich „Familienangehörige unterzuordnen“ (S. 39) haben? Das erforderte vermutlich wesentlich mehr als lediglich „abendliche Tischgespräche“ (S. 39). Gibt es Besonderheiten in der Art und Weise, wie die Erinnerung an die Familien- und Unternehmensgeschichte zwischen den Generationen tradiert wurde, zumal niemand aus der Familie Leibinger zu den Gründungsvätern gehörte? Wie wurde in der Familie mit Meinungsverschiedenheiten umgangen etc.?
Jede Geschichte eines Familienunternehmens muss sich abschließend nahezu zwangsläufig der Frage nach den Gründen für den jahrzehntelangen wirtschaftlichen Erfolg stellen. Jochen Streb führt in erster Linie den „Willen zur Veränderung“ (S. 455) ins Feld, flankiert von überzeugenden Managementleistungen der Führungskräfte, der Internationalisierung der Geschäfte und einer Portion Glück. Das alles sind freilich keine Alleinstellungsmerkmale von TRUMPF. Die „Bereitschaft zur umfassenden Veränderung“ (S. 459), die Bereitschaft, sich in der Produktionstechnik wenn nötig neu zu erfinden, Mut zum unternehmerischen Risiko, eine frühe Internationalisierung sowie „Glück und Spucke“ gehören branchenübergreifend zu wichtigen Merkmalen zahlreicher langlebiger Familienunternehmen.
Vielleicht lässt sich die Frage im Fall von TRUMPF auch noch gar nicht überzeugend beantworten, da in der Familie Leibinger erst die zweite Generation die Geschäfte führt. Ob die enge Verflechtung zwischen einem Familienverband und „ihrem“ Unternehmen zu einer bleibenden Liaison wird, entscheidet sich nach landläufiger Auffassung erst ab der dritten Generation, wenn der familieninterne Gesellschafterkreis größer geworden ist und die Entscheidungsfindung samt der Suche nach Kompromissen notgedrungen aufwändiger verläuft. Geht es nach den Leibingers, soll TRUMPF langfristig ein Familienunternehmen bleiben. Darauf verständigte sich die Familie im Herbst 2016 in einem Familienkodex, der unter anderem festlegt, dass Geschäftsanteile nur innerhalb der Familie vererbt bzw. veräußert werden dürfen und wenigstens ein Mitglied in der Geschäftsführung vertreten sein soll.