G. Farney u.a. (Hrsg.): The Peoples of Ancient Italy

Titel
The Peoples of Ancient Italy.


Herausgeber
Farney, Gary; Bradley, Guy
Erschienen
Boston 2015: de Gruyter
Anzahl Seiten
700 S.
Preis
€ 219,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Heitz, Fachbereich Klassische Archäologie, Institut für Archäologien, Universität Innsbruck

Mit dem vorliegenden Band legen die beiden Herausgeber eine sehr umfangreiche Skizze des Kenntnis- und Erforschungsstands zur Bevölkerung Italiens im ersten vorchristlichen Jahrtausend vor. Ihnen zur Hilfe kommt eine eindrucksvolle Reihe von 34 Autor/innen, unter denen sich teils führende Spezialisten für das jeweilige Thema finden. Da aufgrund der Vielzahl an Beiträgen nicht jeder einzelne eigens besprochen werden kann, sollen hier in erster Linie generelle Überlegungen zum Inhalt des gesamten Buchs gegeben werden, mit Verweis auf die entsprechenden Kapitel.

Das Buch gliedert sich in zwei Teile, von denen nur der zweite traditionell gebildet ist, im Sinne der Sammlung von Essays zu den jeweils literarisch und/oder epigraphisch benannten Ethnien („peoples“) Italiens in vor- und frührömischer Zeit. Diese erscheinen auch im Titel des Werkes, was die Wortwahl nicht ganz unproblematisch macht; denn zumindest in seiner deutschen Form („Völker“) würde sie sicher als nicht zeitgemäß erscheinen. Dass sich die Herausgeber trotzdem für diesen Terminus entschieden haben, ist wohl primär der damit einhergehenden Kürze zuzuschreiben und nicht einer unreflektierten Nutzung des Begriffs, zumal der erste Teil des Bandes Beiträge zu übergreifend relevanten Themen wie Mythen, Numismatik, Sprache, Religion, Demographie, Wirtschaft und der römischen Eroberung Italiens versammelt – und eben auch zur Ethnizität, die sogar in zwei Aufsätzen thematisiert wird. Die Entscheidung der Herausgeber, diese Themen einer „konventionellen“ Behandlung des Sujets voranzustellen1, ist zu begrüßen. In den beiden der Ethnizität gewidmeten Kapiteln (Benelli, Scopacasa), zeigt sich allerdings gleich ein Merkmal des gesamten Bandes: nämlich die Tatsache, dass einzelne Beiträge Überlappungen und Redundanzen aufweisen und dasselbe Thema individuell ganz unterschiedlich angegangen wird. So will Benelli auf der einen Seite bestimmte Ethnien im archäologischen, sprachlichen und epigraphischen Material Mittelitaliens fassen und operiert konsequent mit den entsprechenden Volksnamen, wobei er selbst einräumt, dass diese „Ethnien“ kaum auszumachen sind und ethnische Identität/ Affiliation möglicherweise in der Antike kaum Bedeutung gehabt haben mag. Er muss dementsprechend die Frage nach ethnischer und politischer Identität unbeantwortet lassen. Der theoretisch und methodisch gut unterfütterte Beitrag von Scopacasa zeigt ebenfalls, dass ethnische Identität nicht leicht zu fassen, veränderbar und vor allem nur eine – und vielleicht nicht die wichtigste – vieler unterschiedlicher Identitätsformen ist und sich eine übergreifende italische Identität möglicherweise erst im 1. Jahrhundert v.Chr. im Zuge der Bundesgenossenkriege entwickelt hat.

Eine hohe Qualität weist auch der Beitrag von Briquel zu Mythen auf, der die große Bedeutung der Mythenkreise um die Nostoi und um Herakles für die italische Halbinsel darstellt. Er kann zeigen, dass bei den Italikern die direkte Vermengung von göttlicher und menschlicher Sphäre anders als bei den Griechen so gut wie unbekannt war, aber die von den Griechen hergestellten mythischen Verbindungen gern von den Italikern aufgenommen wurden, um sich aus dem „Barbarenstatus“ zu befreien. Weitere Beiträge sind in erster Linie althistorischer Art und bieten wenig mehr als die geraffte Darstellung der von den antiken Autoren geschilderten Nachrichten: Roller etwa vollzieht Strabos Beschreibung Italiens und seiner Einwohner nach (Buch 5 und 6), Bradley/Hall kommentieren kritisch die literarisch überlieferte Kriegs- bzw. „Ereignis“-Geschichte (ohne Berücksichtigung von Diplomatie) der römischen Eroberung der italischen Halbinsel, und der Beitrag Frondas bietet fast ausschließlich ein Narrativ der literarischen Überlieferung. Alle diese Kapitel nehmen deshalb notwendigerweise eine romzentrische Perspektive ein, wobei im Sinne des Buches versucht wird, insbesondere auf die Haltungen der Italiker gegenüber den Römern, etwa aufgrund ihres Verhaltens im hannibalischen Krieg anhand ihrer Bündnispolitik, zu rekonstruieren. Dasselbe zeigt sich im Beitrag Santarangelos zu den Bundesgenossenkriegen und in dem Kents zur Rolle der italischen Truppen für den Erfolg der römischen Armee. Interessant im letzteren Beitrag ist besonders die kurze Erörterung der noch weitgehend unklaren Bedeutung der formula togatorum (war sie eine Liste von italischen foederati, die in bestimmten Abständen erhoben/ erstellt wurde etc.?).

Die Beiträge von Horsnæs, Maras, Zair und Di Fazio bieten jeweils eingangs eine allgemeine, auch für Laien verständliche Einführung zu Numismatik, Epigraphik, Sprache und Religion, bevor sie auf die Befunde Altitaliens eingehen. Horsnæs kann zeigen, wie sich an Münzprägung und insbesondere an der Wahl der Stempelmotive und -legenden die (politische) Orientierung der emittierenden Autoritäten unter dem Eindruck neuer politischer Zustände nachvollziehen und unter Umständen mit stärkerem Willen zur (ethnischen/ politischen?) Identitätsformulierung (und -abgrenzung) verbinden lässt. Maras‘ und Zairs sprachlich orientierte Aufsätze bieten jeweils eine Einführung in und einen Überblick über das Thema, wobei Letzterer auch das Phänomen der Mehrsprachigkeit kurz diskutiert. Gerade hier zeigt sich aber wieder die enge Verbindung von ethnischen Bezeichnungen und den jeweiligen Sprachen in der Forschung, also die Nutzung ethnischer Namen für bestimmte Sprachen, obwohl nur in den seltensten Fällen aus den Schriftzeugnissen selbst ersichtlich ist, welchem Ethnos sich die Schreiber zugehörig fühlten. Di Fazios Überblick über Religion im gesamten Gebiet Altitaliens verdeutlicht, dass Kult und religiöse Praxis überwiegend sehr lokal verwurzelt waren (gebunden an Quellen, Wälder, pastorale Praxis etc.; vgl. S. 329), auch wenn es einzelne Heiligtümer mit überregionalem Charakter gab (Pyrgi, Cupra). In ihrem Versuch der Zusammenschau von Wirtschaft und Demographie Italiens in vorrömischer Zeit misst Roselaar dem Handel eine wohl übergroße wirtschaftliche Bedeutung zu – allerdings notgedrungen aufgrund der für andere Wirtschaftsarten wie Ackerbau und Viehzucht deutlich schwierigeren Quellenlage und der Tatsache, dass Handel sich an Artefaktverteilungen und Importen zumindest indirekt ablesen lässt. Abwegig ist aber ihre Aussage, dass etwa Pastoralismus die Anhäufung von Reichtum nicht ermöglichen würde (S. 175), obwohl sie selbst glaubt, dass etwa Transhumanz und die Verwertung ihrer Produkte (Wolle) größere Bedeutung besaß (S. 181). Hier wie auch in anderen Beiträgen wäre die Rolle des ager publicus und seiner Nutzungsrechte besonders im Rahmen der (mobilen) Viehzucht interessant, denn solches Gemein(de)land existierte sicherlich überall in vorrömischer Zeit2 und wird nur erstmals als ager publicus in lateinischen Quellen bezeichnet (vgl. auch den Beitrag von Benelli, S. 500). Die beiden letzten Beiträge des ersten Teils des Bandes beschäftigen sich mit der Romanisation bzw. Romanisierung der italischen Halbinsel3 und zeigen inhaltlich teils beträchtliche Überlappungen bzw. Redundanzen, gehen aber methodisch etwas unterschiedlich an die Problematik heran. Roth arbeitet mit dem Netzwerk-Begriff, während Stek Votive und Tempelarchitektur als Zeichen mittelitalisch-römischen Einflusses auf die gesamte Halbinsel nutzt, diese traditionelle Herangehensweise aber in der Folge relativiert und begrifflich differenziert die regionale Unterschiedlichkeit betont. Er erläutert die Rolle lokaler Handlungsstrategien in der Annahme „römischer“ Merkmale und die Möglichkeit, dass etwa die unterschiedlichen und unregelmäßig gelagerten römischen Interessen (und die Gründung von Kolonien) nicht immer von militärischen Überlegungen geleitet worden sein könnten, sondern auch von wirtschaftlichen, wie etwa die Kontrolle über Transhumanzrouten und Salzgewinnung.

Im zweiten Teil des Bandes werden die einzelnen Gebiete bzw. „Ethnien“ von Süden nach Norden abgehandelt. Die überwiegende Zahl der Beiträge geht dabei so vor, dass eingangs die literarischen Quellen vorgestellt werden, im Anschluss daran die archäologischen. Nochmals vorauszuschicken ist der Besprechung dieses Teils des Bandes, dass er durch seine Struktur in die Problematik gerät, die allen ähnlichen Untersuchungen ebenfalls zu eigen ist: die Frage, inwieweit sich die jeweils behandelten „peoples“ als Untersuchungsgröße wirklich eignen. Zudem sind schon in den antiken Schriftquellen, auf denen diese Einteilung gründet, einige Einheiten selbst wiederum in kleinere, namentlich bekannte Untereinheiten gegliedert.4 Bei der vorliegenden Untersuchung fällt auf, dass gerade im mittelitalischen Bereich, um das römisch-latinische (Kern)Gebiet herum, besonders viele kleine ethnische Einheiten besprochen werden, was wohl eher mit deren Prominenz in den antiken Schriftquellen und dem Stand der modernen Forschung, die in diesem Gebiet intensiver war als anderswo, zu tun haben dürfte als mit ihrer wirklichen kulturellen Bedeutung und Eigenständigkeit. Dagegen fehlt ein Beitrag zu den griechischen Apoikien, was angesichts der grundlegenden Thematik des Bandes zwar verständlich, im Lichte der bedeutenden Rolle, die diese nicht zuletzt als Handels- und Bündnispartner der indigenen Gruppen in Süditalien vor der Romanisierung spielten, aber doch schade ist. Andererseits muss die Berücksichtigung der Gallia Cisalpina, in solchen Übersichtswerken nicht selbstverständlich, als verdienstvoll hervorgehoben werden.

Schon im ersten Beitrag in diesem Teil (Cappelletti zu den Bruttiern) wird klar, dass die ethnische Einordnung der indigenen Bevölkerung Italiens durchaus schwierig ist. Im konkreten Fall deutet sich an, dass die „Ethnogenese“ der Bruttier in erster Linie ein politischer Zusammenschluss war – so schildert es ein Teil der literarischen Quellen, auch wenn andere eine genealogische Linie rekonstruieren. Auch im Falle der Samniten (Beitrag von Tagliamonte) könnte die Option eines eher politischen Gebildes diskutiert werden. Im Lichte neuerer Forschungen nicht ganz unproblematisch ist die Identifikation von „samnitischen“ Gürteln als ethnische Marker (zumindest implizit; sie werden in zwei Abbildungen gezeigt, im Text aber nicht diskutiert).5 Das Kapitel Yntemas zu Südostitalien verzichtet als einziger Beitrag schon im Titel auf einen ethnischen Fokus und verfolgt einen sehr archäologischen Ansatz, was nur zum Teil an der Spärlichkeit der literarischen Überlieferung liegt.6 Er kann aufzeigen, dass Norden und Süden Apuliens ganz unterschiedlich vernetzt waren und deshalb unterschiedliche Entwicklungen nahmen (S. 344f.), also auch regional eine große Bandbreite von Entwicklungsmöglichkeiten existierte, wobei gerade im Süden die nicht besprochenen Apoikien einen besonderen Einfluss auf diesen Prozess nahmen. Generell ist zu konstatieren, dass die Aufsätze zu den größeren und besser erforschten Gebieten/ Ethnien Italiens eine hohe Qualität besitzen und gute Überblicke bieten, wie etwa Mermati zu den Kampanern, Turfa zu den Etruskern, Paltineri zu den Ligurern, Lomas zu den Venetern und Fulminante zu den Latinern. In diesen Beiträgen findet sich jeweils eine differenzierte Betrachtung der inner- und interethnischen Kontakte und der regionalen wie überregionalen Entwicklungen – natürlich können diese Beiträge auch auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen. Manconi erwähnt in seiner Erörterung der Umbrer eingangs auch nochmals explizit das Problem, mit dem sich im Grunde alle Beiträge des Bandes auseinandersetzen müssten: Dass generell weder die postulierten bzw. überlieferten Ethnien noch ihre Gebiete statisch, sondern starken Veränderungen unterworfen waren, und dass sich teilweise starke kulturelle Ähnlichkeiten im Grabbrauch und in der materiellen Kultur zwischen benachbarten Gebieten zeigen, insbesondere was die reicheren (Eliten-)Gräber angeht.

Diese (sach)kulturellen Überlappungen finden sich auch bei den im vorliegenden Band breiten Raum einnehmenden Behandlungen kleiner mittelitalischer Ethnien, deren separate Besprechung diskutabel erscheint (s.o.). Die entsprechenden Beiträge (Smith zu Aurunci und Sidicini, Gnade zu Volskern und Hernikiern, Benelli zu den Aequern, Letta zu den Marsern, Farney/Masci zu den Sabinern, Tabolli/Neri zu Faliskern und Capenaten sowie Menozzi/Acconcia zu den Vestinern) zeigen, dass sich diese kleinen Einheiten archäologisch kaum verifizieren lassen und die Archäologie in solchen Fällen eher den literarischen Nachrichten „hinterhergräbt“, was zumindest aus archäologischer Sicht sehr problematisch ist und den immer noch bestehenden Primat der schriftlichen Quellen dokumentiert, von dem sich eine Untersuchung wie die vorliegende lösen sollte. So ist etwa der Beitrag von Wonder zu den Lukanern trotz der zahlreichen archäologischen Zeugnisse des besprochenen Gebiets von den historischen Quellen und ihrer Sicht geprägt. Hier bedauert der Rezensent, dass es den Herausgebern nicht gelungen ist, mit Horsnæs eine umfangeiche Kennerin der Materie für einen zweiten Beitrag (wie Benelli) zu gewinnen.7 Gerade was die archäologischen Zeugnisse und ihre Interpretation angeht, scheint der Beitrag nicht ganz auf dem neuesten Stand, z.B. betreffs der Deutung des Gebäudes von Braida di Vaglio als Heiligtum.8 Stark archäologisch geprägt ist der gute und detailreiche Beitrag von Menozzi/Ciarico zu den Picenern. Gerade in Zusammenhang mit dem separaten Kapitel zu den Vestinern von Menozzi/Acconcia wird allerdings nicht ganz klar, wie genau der Unterschied von Süd-Picenern/Praetuttii und Vestinern zu fassen ist. Der den Band abschließende Beitrag von Häussler zu den Galliern zeigt aber wieder die Stärken einer solchen von den Herausgebern angestrebten Materialvorlage. In einer differenzierten Ansprache von Identität und Migration und der Funktionsweisen solcher Konzepte ebenso wie der Probleme bei der Deutung von Objektverteilungen wird die sehr wechselhafte Geschichte der Kelten in Norditalien und ihre schon frühe Präsenz als Träger der Golasecca-Kultur dargestellt. Dies verdeutlicht (im Gegensatz zu vielen schriftlichen Nachrichten) ihre tiefe Verwurzelung in dieser Region und ihre Rolle als Bindeglied in den transalpinen Raum sowie im Austausch und Zusammenleben mit benachbarten Gebieten. Ein so umfassendes Werk wie das vorliegende kann natürlicherweise nicht immer bei jedem Beitrag und von jedem Autor eine ganz einheitliche Struktur aufweisen: So beginnen oder enden manche Untersuchungen zeitlich deutlich früher oder später als andere Beiträge, geschuldet der Überlieferungssituation und der kontroversen (und von Autor zu Autor unterschiedlich beantworteten) Frage nach der „Ethnogenese“ der jeweilig besprochenen Gruppe und der Auflösung dieser Identität zugunsten des Aufgehens im römischen Reich.

Abschließend seien noch einige generelle Überlegungen erlaubt, die den generell sehr positiven Eindruck des Bandes und das Verdienst von Herausgebern und Autor/innen nicht schmälern sollen: So wünschenswert ein solcher Überblick ist, so sehr bleibt er angesichts der Gliederung des Buches in der Annahme einer primär ethnischen Aufteilung Altitaliens verhaftet. Dabei lässt sich in vielen der Beiträge ablesen, wie stark die Beziehungen und auch die kulturellen Gemeinsamkeiten über die gesamte Breite der italischen Halbinsel von der tyrrhenischen zur adriatischen Küste waren, etwa in Sachgut und (Grab-)Architektur. So hätten die in einigen Beiträgen aufscheinenden coast-to-coast-Beziehungen (vgl. etwa S. 426, 572, 587, 595) eine eingehendere Betrachtung verdient. Wichtige Themen wie die Rolle der Transhumanz spricht der Band immer wieder an (vgl. etwa S. 181, 285, 308, 428, 514, 524, 588), sie sind aber zum gegebenen Zeitpunkt immer noch auf eine schwache, spekulative Basis gegründet, und auch das eng damit in Zusammenhang stehende Problem der Saisonalität von Siedlungen kann auf der heutigen Datengrundlage kaum diskutiert werden. Ausgehend von Werken wie dem vorliegenden wird es in Zukunft aber interessant sein, solche Forschungsansätze zu verfolgen.

Der Band ist sehr ansprechend gestaltet und gut lektoriert.9 Mit etwas mehr Arbeit hätten noch einige Redundanzen gestrichen oder Querverweise eingefügt werden können, sowie die nach Ansicht des Rezensenten angemessene Streichung des in manchen Beiträgen wohl eher unabsichtlich genutzten Terminus „Staat“ (S. 443f., 582). Weder den Herausgebern noch den einzelnen Autor/innen anzulasten ist ein Problem, das zwar nur mit sehr hohem Aufwand seitens des Lektorats zu lösen gewesen wäre, hier aber doch angesprochen werden soll: Die zentrale Organisation des Kartenmaterials, das in der vorliegenden Form leider etwas disparat ist. Zudem sind die im Text erwähnten Stätten oder Geländemerkmale oft nicht verzeichnet (weder auf den in der Einleitung dem gesamten Band vorangestellten Karten noch auf denen der Einzelkapitel). Kleine Schreibfehler, etwa die „Dauanii“ statt Dauni auf Karte 1, S. 6 fallen dabei nicht ins Gewicht, aber es wäre wünschenswert und gewinnbringend für weitere Studien gewesen, ein Kartensystem anzustreben, bei dem auch den Beiträgen zu den einzelnen Regionen jeweils eine detaillierte Karte auf einheitlicher Grundlage und mit den entsprechenden mit dem Text abgeglichenen Eintragungen und Beschriftungen zugeordnet ist.10 Ansonsten ist die teils sogar farbige Bebilderung des Bandes aber als gelungen zu bezeichnen.11

Auch mit diesen kleinen Einschränkungen kann aber der Wert des Buches sowohl als Einführung für Interessierte und Studierende als auch für Forschende kaum hoch genug eingeschätzt werden. Dass der Band sich nicht nur an Spezialisten richtet, ist den Beiträgen klar anzusehen: Den Beiträgen des ersten Teils ist oft eine für Laien verständliche Einführung in das jeweilige Thema (Numismatik, Epigraphik etc.) der eigentlichen Erörterung vorangestellt. Den Herausgebern ist es damit gelungen – unter der Beteiligung einer bemerkenswerten Anzahl von Fachwissenschaftler/innen –, ein umfassendes Kompendium mit Handbuchcharakter zur Erforschung des vor- und frührömischen Italiens zusammenzustellen und in ansprechender Form sowie in für ein breites Publikum geeigneter englischer Sprache vorzulegen. Der Band wird damit zu Recht seinen verdienten Platz als Standardlektüre und Referenzwerk für alle diejenigen einnehmen, die sich mit der ansonsten in vielen Fällen immer noch eher schwer und primär auf Italienisch zugänglichen Materie des frühen Italiens auseinandersetzen.

Anmerkungen:
1 Zu einer konventionellen Herangehensweise, die dem zweiten Buchteil entspricht, vgl. etwa C. Ampolo et al., Italia omnium terrarum parens. La civiltà degli Enotri, Choni, Ausoni, Sanniti, Lucani, Brettii, Sicani, Siculi, Elimi, Mailand 1989; und G. Pugliese Carratelli (Hrsg.), Italia omnium terrarum alumna. La civiltà dei Veneti, Reti, Liguri, Celti, Piceni, Umbri, Latini, Campani e Iapigi, Mailand 1988.
2 Dies gilt auch für die moderne Zeit, vgl. z.B. die Untersuchungen von A. C. Mientjes, Modern pastoral landscapes on the island of Sardinia (Italy). Recent pastoral practices in local versus macro-economic and macro-political contexts, Archaeological Dialogues 10, 2004, S. 161–190.
3 Zu den Begrifflichkeiten siehe G. Schörner (Hrsg.), Romanisierung – Romanisation. Theoretische Modelle und praktische Fallbeispiele, Oxford 2005.
4 Und dies lässt die Frage entstehen, nach welchen Kriterien die im Band besprochenen Einheiten ausgewählt wurden; vgl. die Rezension des vorliegenden Bandes von S. Bourdin, in: Bryn Mawr Classical Review 2019.
5 Vgl. z.B. B.C. Nowak, Bestattungsrituale in Unteritalien vom 5. bis 4. Jh. v.Chr. Überlegungen zur sogenannten Samnitisierung Kampaniens, Wiesbaden 2014, S. 35–37.
6 Insgesamt ist der Beitrag stark an seinem kürzlich erschienenen Buch orientiert; D. Yntema, The Archaeology of South-East Italy in the first millenium BC. Greek and native societies of Apulia and Lucania between the 10th and the 1st century BC, Amsterdam 2013.
7 H. W. Horsnæs, The cultural development in North-Western Lucania c. 600–273 BC, Rom 2002.
8 Vgl. U. Steininger, Die archaische und frühklassische Großplastik Unteritaliens und ihr Verhältnis zum Mutterland, Münster 1996, S. 262–264; außerdem findet sich kein Hinweis auf D. Adamesteanu – H. Dilthey, Macchia di Rossano. Il santuario della Mefitis, rapporto preliminare, Galatina 1992, in der Besprechung von Rossano di Vaglio; der Autor vertritt weiterhin die Migrationsthese, contra neuere Forschungen von A. Henning, Lucania in the 4th and 3rd Century BC. Articulation of a New Self-Awareness Instead of a Migration Theory, Kongressbericht der AIAC Rom 2008, Bollettino di Archeologia on line I 2010, http://151.12.58.75/archeologia/bao_document/articoli/2_HENNING.pdf (17.04.2020).
9 Es finden sich nur wenige Rechtschreibfehler oder Wortauslassungen, fehlende bibliographische Angaben oder falsche Bildzuweisungen (S. 524ff.).
10 Etwa auf Basis des kostenlosen SRTM-Kartenmaterials, das auch das oft für die einzelnen Regionen wichtige Relief abbildet. Die Schwäche im Umgang mit und der Nutzung von Karten wird besonders sichtbar bei der Karte auf S. 520: Sie ist identisch mit der im Beitrag zu den Picenern verzeichneten (vgl. S. 580), jedoch ohne Angabe, in welchem Abschnitt das vestinische Gebiet zu verorten ist. Selbst die eingangs im Text erwähnten Grenzen der Zone in Form von Flüssen sind nicht auf der Karte verzeichnet, bzw. wird dort als nördliche Grenze des Gebiets der Saline-Fluss genannt, der das südlichste Element der abgebildeten Karte darstellt.
11 Sicherlich kann im Einzelfall hinterfragt werden, was die jeweiligen Autor/innen als sinnvoll zur Illustration erachtet haben, etwa wenn recht prominent die Stele „Le gambe del diavolo“ aus Amplero als Vergleich zum Krieger von Capestrano erwähnt, aber nicht gezeigt wird (S. 511).

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