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Titel
Carl Muth und das Hochland (1903-1941). (1903–1941)


Herausgeber
Pittrof, Thomas
Erschienen
Freiburg 2018: Rombach
Anzahl Seiten
609 S.
Preis
€ 68,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Henkelmann, Katholisch-Theologische Fakultät, Ruhr-Universität Bochum

2014 fand anlässlich des 70. Todestages eine Tagung zum Publizisten Carl Muth und zur katholischen Kulturzeitschrift Hochland statt. Die Monatsschrift kann man, wie dies Herausgeber Thomas Pittrof im Vorwort tut, als „einziges langlebiges publizistisches Leitmedium, das der deutschsprachige Kultur- und Bildungskatholizismus des vergangenen Jahrhunderts hervorgebracht hat“ (S. 11), bezeichnen. Trotz dieser Bedeutung ist doch deutlich erkennbar, dass das Interesse an Muth und dem Hochland wie an vielem und vielen, die den Katholizismus und das katholische Milieu des 20. Jahrhunderts prägten, spürbar nachlässt, ohne allerdings gänzlich abzureißen. Ein Grund dafür ist die Geschichte jener Widerstandsgruppe, die als die „Weiße Rose“ bekannt geworden ist und deren Motivation bis heute kontrovers diskutiert wird. Ein wichtiger Strang in dieser Diskussion ist bekanntlich der Einfluss von Carl Muth und Theodor Haecker auf Sophie und Hans Scholl. 2018 erschien so die erste vielbeachtete Biographie über Hans Scholl, die den Einfluss stark relativiert und nur noch „inhaltliche Affinitäten“ erkennen mag, um zugleich „gravierende Meinungsverschiedenheiten“ hervorzuheben.1 Auch wenn eine genaue Beschäftigung mit dieser These hier zu weit führen würde, bleibt zumindest festzuhalten, dass das Kapitel über die Beziehung von Scholl zu Muth und Haecker an vielen Stellen oberflächlich bleibt, auch weil eine Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur weitgehend ausbleibt.

Einen guten Zugang stellt indes die hier zu besprechende Publikation dar. Sie als bloßen Tagungsband zu bezeichnen wäre missverständlich, handelt es sich doch bei einer Reihe von Beiträgen um ausführliche Abhandlungen, die weit über das Normalmaß eines verschriftlichen Vortrags hinausgehen. Der längste Aufsatz, Manfred Tietz‘ Analyse aller relevanten Artikel mit Spanienbezug, umfasst rund 75 Seiten. Zudem hat der Herausgeber einige Originaldokumente, eine Aufstellung zur Bildpublizistik des Hochland, ein Mitarbeiterverzeichnis sowie ein Protokoll der Abschlussdiskussion der Tagung eingefügt.

Gegliedert sind die Aufsätze in drei chronologisch aufeinander folgenden Kapitel. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit dem Kaiserreich, der zweite mit der Weimarer Republik und der dritte mit der Geschichte Muths und des Hochland im „Dritten Reich“. Diese Einteilung vermag nur bedingt zu überzeugen, da sich einige thematische und biographische Aufsätze gerade dadurch auszeichnen, dass sie zeitlich über politische Zäsuren hinausgehen. Herauszuheben sind hier der biographische Beitrag von Otto Weiß zu den Redakteuren des Hochland und der bereits erwähnte Artikel zum Spanienbild. Gleichzeitig fällt auf, dass der Abschnitt zur Zeit nach 1933 lediglich einen Artikel (von Hans Günter Hockerts) enthält. Dies überrascht nicht zuletzt angesichts der bereits erwähnten Diskussionen um die „Weiße Rose“ und relativiert die Aussage Hans Maiers, die Tagung habe „ein Gesamtbild“ ergeben (S. 464). Kritisch anzumerken ist zudem, dass eine Einleitung fehlt, in der die Grundzüge eines solchen Gesamtbildes auch mit Blick auf die aktuellen Forschungsdebatten hätten skizziert werden können.

Dabei lässt sich in vielen Beiträgen explizit oder implizit durchaus eine gemeinsame Perspektive erkennen. Am prägnantesten legt Thomas Pittrof die Fährten aus, indem er drei Thesen zur modernitätshistorischen Einordnung der Zeitschrift in der Zwischenkriegszeit entwickelt. Er startet mit der bekannten These, dass es „so etwas wie einen ‚Geist‘ des Hochland“ gab. Dieser zeige sich in einem „Programm der Wiederbegegnung von Kirche und Kultur, der Versöhnung von Katholizismus und Kirche und moderner Kultur“ (S. 255). Folgt Pittrof hier dem Selbstverständnis von Muth und der Zeitschrift, wechselt er anschließend den Blickwinkel und fragt, welche Moderne es denn gewesen sei, die im Hochland in Erscheinung trat. Im Hintergrund steht die Beobachtung, dass die Zeitschrift bestimmte Formen von Modernität, z.B. den Expressionismus im Bereich der Kunst, kaum rezipierte oder bewusst ausblendete. Dies führt unmittelbar zu Pittrofs dritten These, wonach die sozialstrukturelle Modernisierung der Weimarer Republik, wie etwa der Relevanzgewinn von empirisch-naturwissenschaftlich argumentierenden Sozialtheorien, dazu zählt er etwa die „Rassendiskurse“, das Hochland vor Herausforderungen gestellt habe. Denen sei die Zeitschrift nur noch bedingt gewachsen gewesen, da ihr Programm unter den Bedingungen des Kaiserreichs entstanden sei.

Viele Beiträge lassen sich dazu gut in Verbindung bringen. Der Aufsatz von Maria Cristina Giacomin etwa passt gut zu Pittrofs erster These, da er zeigt, auf welchen innerkatholischen Widerstand Muths Programm insbesondere bei katholischen Integralisten stieß, ohne dabei, und hier ließe sich ein Bezug zur zweiten These herstellen, die Grenzen von Muths Modernekonzeption aus dem Blick zu verlieren. Diese bewussten Ausblendungen werden auch in dem Beitrag von Manfred Tietz ausführlich thematisiert. Im Mittelpunkt der meisten Hochland-Artikel steht das Spanien des Goldenen Zeitalters, während liberale Schriftsteller und Philosophen weitgehend ignoriert oder kritisiert werden. Vielen Artikeln ist so auch eine Nähe zum Franco-Regime anzumerken. Bemerkenswerterweise druckte das Hochland 1931 aber einen Artikel ab, der die Republik auch gegen katholische Kritik in Schutz nimmt. Bei dem Verfasser handelt es sich um Friedrich Fuchs, dem damaligen Chefredakteur, der, anders als Muth, ein überzeugter Verteidiger der Weimarer Republik war, wie Otto Weiss in seinem Aufsatz zu den Redakteuren der Zeitschrift zeigt. Damit erhält Pitroffs These, dass das Hochland von einer Versöhnung von Moderne und Katholizität geprägt war, einen anderen Akzent. Offenbar gab es dazu, etwa in der Frage nach der besten Staatsform oder nach dem Verhältnis von Staat und Kirche, unterschiedliche Vorstellungen, wie diese Versöhnung erfolgen sollte. Diese Vermutung findet auch durch den Beitrag von Marc Breuer Unterstützung, der aufzeigt, wie sich einzelne Autoren des Hochland während der Weimarer Republik vorsichtig soziologischen Diskursen zum Themenkomplex der Säkularisierung öffneten und die Zeitschrift damit ihre ursprüngliche Skepsis aufzugeben begann.

Der Band beeindruckt aufgrund seiner Themenfülle. Die länderspezifischen Beiträge – neben Spanien beschäftigt sich jeweils ein Aufsatz mit Polen und der russischen Revolution – verdeutlichen, wie wichtig es ist, das Hochland auch als transnationales Phänomen zu begreifen. Ebenfalls überzeugt, dass der Band sich der Zeitschrift nicht nur über Texte, sondern auch über ihr Bildprogramm nähert. Besonders mit seinen Analysen der Modernekonzeptionen eröffnet er über das Hochland hinausweisend spannende Perspektiven auf die Ambivalenzen des Katholizismus zwischen Kaiserreich und Konzil. Er ist daher nicht nur als guter Zugang zum Forschungsstand, sondern auch wegen seiner Impulse für weitere Forschungsarbeiten zu empfehlen.

Anmerkung:
1 Robert M. Zoske, Flamme sein! Hans Scholl und die Weiße Rose. Eine Biografie, München 2018, S. 131.

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