I. Czeguhn u. a. (Hrsg.): Wasser – Wege – Wissen

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Title
Wasser - Wege - Wissen auf der iberischen Halbinsel. Eine interdisziplinäre Annäherung im Verlauf der Geschichte


Editor(s)
Czeghun, Ignacio; Möller, Cosima; Quesada Morillas, Yolanda María; Pérez Juan, José Antonio
Series
Berliner Schriften zur Rechtsgeschichte 8
Published
Baden-Baden 2018: Nomos Verlag
Extent
335 S.
Price
€ 89,00
Reviewed for H-Soz-Kult by
Christian Alexander Neumann, Deutsches Historisches Institut Rom

Der hier zu besprechende Band stellt die Publikation zur dritten Tagung zum Thema Wasser – Wege – Wissen auf der iberischen Halbinsel. Eine interdisziplinäre Annäherung im Verlauf der Geschichte dar, die im Rahmen des „Exzellenzclusters 264–Topoi“ (Berlin) organisiert wurde. Der Band versammelt elf überwiegend spanischsprachige Beiträge spanischer AutorInnen aus den Bereichen der Geschichtswissenschaft, Rechts- und Umweltgeschichte sowie Archäologie. Der in den Blick genommene Zeitraum reicht von der Antike bis ins Spätmittelalter. Der geographische Fokus liegt auf den recht trockenen Regionen im Süden und Osten der Iberischen Halbinsel mit einem besonderen Blick auf Andalusien. Dieses in der Mediävistik der Iberischen Halbinsel recht präsente und gut bearbeitete, zweifellos noch Potential bergende Thema wird in der deutschsprachigen Mediävistik dagegen kaum behandelt.

In den genannten Landschaften stellte Wasser von jeher ein kostbares, weil rares Gut dar. Dieser Umstand machte es zu einer begehrten Ressource, die möglichst intensive Nutzung erfahren sollte, und nicht selten auch zu einem Objekt der Auseinandersetzung wurde. Über Wasser geben zahlreiche materielle Spuren und (Kunst-)Objekte sowie schriftliche Zeugnisse verschiedener Art und Intention Auskunft. Neben narrativen Quellen sind dies vor allem normative Rechtstexte und die Dokumente derjenigen Institutionen, die sich mit dem Wasser befassten. Jeder Quellentypus generiert spezifische Fragestellungen und Themen und ermöglicht spezifische Einsichten.

Be- und Entwässerungssysteme zur Intensivierung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion sowie zur Versorgung der Städte mit sauberem Trinkwasser wurden errichtet, was im Band häufig thematisiert wird. In diesem Kontext spielten die Verfügungsgewalt über das Wasser und dessen Verteilung eine wichtige Rolle. Be- und Entwässerungssysteme werden insbesondere am Beispiel Granadas und kleinerer Ortschaften (Alberto García Porras u.a., S. 213–236) und des zur Krone Aragón gehörenden Königreiches Valencia aufgezeigt (Francisco José Abellán Contreras, S. 281–309). Bereits seit der römischen Antike wurde Wasser zu einem Gegenstand rechtlicher Regulierung und Auseinandersetzung, was am ausführlichsten anhand der römisch-rechtlichen Bestimmungen zum Regenwasser, das nützlich oder schädigend wirken konnte, von Cosima Möller erläutert wird (S. 9–34).

Die Verwaltung und Kontrolle des Wassers, wenn diese nicht in den Händen der Nutzer lagen, und die diesbezügliche Rechtsprechung führten sowohl in der Antike als auch im Mittelalter zur Genese und Verstetigung speziell dafür zuständiger Institutionen und Ämter (Pepa Castillo, S. 55–87; Sara Moreno Tejada, S. 237–249). Gleichermaßen spezialisierten sich Handwerker auf den Bau und Erhalt der Infrastrukturen. Römisch-antike Vorbilder wirkten sowohl in der Zeit der muslimischen Herrschaft als auch noch nach der Reconquista fort. Die christlichen Herrscher strebten danach, an den in al-Andalus erreichten Stand der Technik und Verwaltung anzuknüpfen. Zusammen mit den Territorien wurden auch die Rechte über das Wasser neu verteilt und als ius regale an die Herrscher gebunden. Angesichts der häufig konstatierten Zäsuren sind Kontinuitäten vermutlich stärker als bislang in den Blick zu nehmen.

Nicht nur fließende, sondern auch stehende Gewässer (natürliche oder künstlich gestaute) ließen sich zur Bewässerung nutzbar machen, bildeten gleichzeitig aber auch eine potentielle Gefahr für die Gesundheit der in ihrer Nähe wohnenden Menschen (María Magdalena Martínez Almira, S. 123–194; Antonio Malpica Cuello, S. 195–211). Eine ganz andere Verwendung fand Wasser im Rahmen gerichtlicher Prozesse als Mittel der Prüfung der möglichen Unschuld (purgatio vulgaris) oder als Mittel der Hinrichtung (poena cullei) (Emma Montanos Ferrín, S. 251–279). Ferner diente Wasser der Repräsentation und Verschönerung von Städten und Gärten, dem Prestige und nicht zuletzt der symbolisch-religiösen Reinigung. Diese Aspekte werden allesamt erwähnt, aber nicht eingehend untersucht.

Obgleich Wasser eindeutig das Hauptthema des Bandes darstellt, werden auch die anderen beiden Themen des Titels, „Wege“ und „Wissen“, in zwei ertragreichen Aufsätzen behandelt. Der Beitrag von Manfred G. Schmidt widmet sich den viae publicae in der römischen Baetica (S. 35–53), derjenige von Stefan Esders dem Hochverratsgesetz des westgotischen Königs Chindasvinth im 7. Jahrhundert (S. 89–121). Da es sich lediglich um zwei Artikel handelt, bleiben diese Themen in der Bandkomposition jedoch randständig. Für dessen Strukturierung wurden alle Beiträge in eine chronologische Reihenfolge gebracht. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Themen, auch innerhalb des Hauptthemas „Wasser“, und der genutzten Zugriffsweisen verleiht dieses Ordnungssystem dem Werk allerdings kaum interne Kohärenz, insbesondere in Bezug auf die zwei wenig behandelten Themenfelder. Vermutlich hätte eine thematische Ordnung, die in sich noch chronologisch hätte aufgefächert sein können, einen stringenteren Gesamteindruck vermitteln können. Auch die Position mancher Beiträge hätte dadurch anders gestaltet werden können: so hätte insbesondere der sehr gelungene Überblick über Quellen und Themen zur Untersuchung des Wassers im spätmittelalterlichen Kastilien von María Isabel del Val Valdivieso aufgrund seiner generellen und methodischen Relevanz eine gleichsam einleitende Position zu Beginn verdient (S. 311–329).

Vor allem jedoch hätte eine Einleitung, welche die Thematik, den Forschungsstand und das Bandkonzept klar hätte umreißen können, die Lektüre sicherlich erleichtert. Das knappe Vorwort und der Tagungsbericht am Ende gleichen dies nur ansatzweise aus. Ferner wären Abstracts, z. B. auf Englisch oder Deutsch (die meisten Beiträge sind, wie erwähnt, auf Spanisch), und ein Register nicht nur für einen erleichterten und gezielteren Zugang, sondern auch für eine breitere Rezeption der wichtigen Ergebnisse über die spanische Forschung hinaus nützlich gewesen.

Dies alles ändert aber selbstverständlich nichts am hohen Wert der dargelegten Befunde und Erkenntnisse sowie am Verdienst, einen weiteren Impuls gegeben zu haben, die Aufmerksamkeit der nicht-iberischen Forschung auf dieses fruchtbare und vielversprechende Thema zu lenken und zu einem Transfer von Methoden und Fragestellungen auf andere Gebiete anzuregen. Denn eine komparatistische Perspektive, welche über die Iberische Halbinsel hinausreicht, wäre sicherlich erkenntnisfördernd und ließe so deren Spezifitäten hervortreten. Das Werk macht evident, welche Vielzahl von Aspekten die historische Beschäftigung mit dem Gegenstand „Wasser“ bietet.

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