: Die öffentliche Musikschule in Deutschland im Begründungszusammenhang kultureller Bildung. Eine ideengeschichtliche Untersuchung vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Kassel 2019 : Bosse Verlag, ISBN 978-3-7649-2836-0 453 S. € 39,95

: Musikschulen und Jugendmusikbewegung. Die Institutionalisierung des öffentlichen Musikschulwesens von den 1920ern bis in die 1960er-Jahre. Münster 2019 : Waxmann Verlag, ISBN 978-3-8309-3961-0 389 S. € 39,90

Rezensiert für die Historische Bildungsforschung Online bei H-Soz-Kult von:
Andreas Lehmann-Wermser, Institut für Musikpädagogische Forschung, Hochschule für Musik Theater und Medien Hannover

Die Musikpädagogik ist als wissenschaftliche Disziplin vergleichsweise jung; im Wesentlichen setzte die Reflexion der Verfahren und Standards erst im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ein. Auch deshalb sind wichtige methodische und paradigmatische Diskurse benachbarter Disziplinen, etwa der historischen Bildungsforschung, oft nicht hinreichend aufgenommen worden. Von daher ist interessant, wo neuere Arbeiten in der Historischen Musikpädagogik in dieser Hinsicht stehen. 2019 sind zwei Dissertationen zur Geschichte der Musikschulen in Deutschland erschienen. Die Musikschulen in ihrer meist kommunalen Verfassung bieten sich für eine Untersuchung an: Sie sind eine wichtige Säule außerschulischer musikalischer Bildung und Ausbildung. Mehr als 1.000.000 Personen verschiedenen Alters lernen allein in den kommunalen Musikschulen, die mit mehr als einer halben Milliarde Euro öffentlicher Mittel gefördert werden, die Zahl der Kooperationen zwischen Schulen und Musikschulen steigt mit dem Ausbau der Ganztagsschulen seit der Jahrtausendwende stetig.1 Allerdings ist diese kommunale Institution im internationalen Vergleich durchaus besonders (wenn auch nicht einzigartig). In der heutigen Form ist sie ein Kind des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Sie kann freilich auf Vorgänger seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zurückgreifen. Sie steht auch zu den anderen musikalischen Ausbildungsagenten (private Musikschulen, freie Instrumentallehrkräfte, Konservatorien) in einem komplexen Verhältnis. Insofern ist es durchaus erstaunlich, dass es aus der historischen Musikpädagogik oder Bildungsforschung relativ wenige auf Musikschulen fokussierte Studien gibt. Die einschlägigen Handbücher2 verzeichnen immerhin spezielle Lemmata, gehen aber naturgemäß nicht in die Tiefe.

In den zwei zu besprechenden Arbeiten liegt ein Schwerpunkt auf dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. In dieser Zeit entstanden mit der Jugend- und Jugendmusikbewegung zwei ungemein wirkungsmächtige Gruppierungen, die (trotz ihrer ursprünglichen Theoriefeindlichkeit) die Theorie, die Praxis innerhalb und außerhalb der Schule und eben auch die institutionellen Strukturen bis heute beeinflusst haben. Es gibt bereits einige Veröffentlichungen zur Musikpädagogik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dazu gehören nach wie vor die materialreiche Geschichte der Musikerziehung3 sowie die speziellen Darstellungen zur Jugendmusikbewegung.4 Auch die zahlreichen Quellentexte (von Fritz Jöde und anderen) sowie die wichtigen Schriften des Referatsleiters im Preußischen Kultusministerium, Leo Kestenberg5, sind gut erschlossen. Daneben existieren aber vor allem in der Bildungsgeschichte umfassende Darstellungen und Quellensammlungen.6 Welchen neuen Beitrag können diese beiden Veröffentlichungen also leisten?

Hans-Joachim Rieß untersucht in seiner Schrift, wie es zur Bildung öffentlicher Musikschulen gekommen ist, welche Zielvorstellungen damit verbunden waren und wie sich diese im Laufe der Zeit gewandelt haben. Dabei begreift er die Arbeit der Musikschulen als Teil der „Kulturellen Bildung“ – darauf wird später zurückzukommen sein. Neben den allgemeinen Ideen zur musikalischen Bildung, wie sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Kontexten geäußert wurden, geht Rieß ausführlich auf die beiden wichtigen Protagonisten Kestenberg und Jöde ein. Danach verfolgt er chronologisch die Wandlungen ab den verschiedenen Gründungen von „Volksmusikschulen“ kurz nach der Jahrhundertwende, durch die Zeit des Nationalsozialismus, die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Rieß zieht für seine Arbeit im Wesentlichen die vielfältigen publizierten musikpädagogischen Quellen heran. Schon diese zu sichten ist eine umfangreiche Aufgabe, das lange Literaturverzeichnis bezeugt das eindrucksvoll; andere relevante Bereiche werden deshalb eher am Rande erfasst.

Die Schrift birgt bereits im Titel insofern einen Konflikt, als sie die öffentliche Musikschule behandelt, die aber – sieht man von Vorläufern wie der Augsburger Singschule ab – erst seit 100 Jahren so existiert und nicht seit dem „Ende des 19. Jahrhunderts“. Sie will zudem den Zusammenhang zur „Kulturellen Bildung“ herstellen, einem Konstrukt, das in dieser Form ungleich späteren Ursprungs ist; diese Differenz ist nicht leicht zu überbrücken. Zugleich will sie als eine „ideengeschichtliche Untersuchung“ den Bogen vom ausgehenden 19. bis ins 21. Jahrhundert schlagen, aber durch die Beschäftigung mit dem sozialen, ökonomischen Hintergrund auch strukturgeschichtlich und durchaus auch politisch normativ vorgehen.

Der Verfasser holt weit aus, behandelt auf über 100 Seiten die musikpädagogische Literatur allgemein, die deutsche Philosophie des 19. Jahrhunderts und die Veränderungen im pädagogischen Denken des 19. Jahrhunderts. Rieß lässt die Quellen umfangreich zu Wort kommen, wesentliche neue Erkenntnisse ergeben sich dadurch kaum, weil die allgemeinen musikpädagogischen Denkfiguren bereits andernorts dargestellt wurden. Dass die Zeit nach 1933 viel Aufmerksamkeit bekommt, ist verdienstvoll. Hier setzt Rieß die kritischen Arbeiten früherer Jahre7 fort. Ideengeschichtlich aber ist der Arbeit der Musikschulen im Nationalsozialismus kaum beizukommen. Die Verquickungen sind eher biographischer und struktureller Natur. Auch deshalb konnte die Nachkriegsfachgeschichte die Verquickung von musikpädagogischem Aufbruch und willfähriger Indienstnahme durch die Nationalsozialisten so wirkungsvoll verdrängen und entsprechende Strukturen restaurieren, weil scheinbar die Idee der Musikschule, so sie denn überhaupt ausformuliert war, vom vermeintlichen „Missbrauch“ durch die Machthaber zu trennen war.

Positiv hervorzuheben ist der Versuch, die Geschichte tatsächlich bis in die Gegenwart fortzuschreiben. Hier allerdings gerät die Arbeit mit der fehlenden zeitlichen Distanz in Gefahr eines „name droppings“, weil nur wenige Seiten noch zur Verfügung stehen. Die Zusammenarbeit der Musikschulen mit allgemeinbildenden Schulen müsste im Kontext des Aufbaus des Ganztagsschulwesens und neo-liberaler Tendenzen im Bildungsbereich diskutiert werden. Auch der Anschluss an die Diskurse im Bereich der Kulturellen Bildung kann nicht nahtlos gelingen. Wer diese verfolgt, sieht, dass die dort wichtigen Themen wie Post-Digitalisierung, non-formale Bildung oder Multikulturalität in der inhaltlichen Diskussion der Musikschulen wenig Raum einnehmen. Dies diskursiv aufzunehmen wäre lohnend gewesen. So wirkt die Anlage etwas unentschieden, weil einerseits andere umfangreiche Perspektiven aufgerufen werden, die dann aber andererseits nicht verfolgt werden.

Im Detail existieren Ungenauigkeiten: Nicht immer ist sprachlich klar, ob es sich um Positionen des Verfassers oder um indirekte Rede handelt; den Mittelstand des 19. Jahrhunderts in Teilen aus Arbeiterinnen zu konstituieren ist kühn (S. 57). Wenn später die Musikschule als Teil Kultureller Bildung in der unmittelbaren Nachkriegszeit genannt wird, so ist natürlich anzumerken, dass die Alliierten vielmehr mit der Struktur des Bildungswesens und der „Re-Education“ beschäftigt waren als mit musikalischer Bildung8; es fehlen Handbuchartikel in der Literatur9, und immer wieder gibt es über mehrere Seiten Passagen, die Texte weitgehend nur zusammenfassen (S. 148–161, 294–302 et passim), wo die Kommentierung und Bündelung wichtig gewesen wäre.

Der Untertitel behauptet eine „ideengeschichtliche“ Untersuchung. Damit wird insofern ein hoher Anspruch reklamiert, als mit dem Begriff der Idee „das Anlagemäßige, die Tendenz, die dem Abstand zur Realisierung Rechnung trägt, zuweilen auch der Abstand zwischen Norm und Wirklichkeit, gefaßt werden kann“.10 Insofern wird dieser Anspruch nicht eingelöst; es wäre auch zu fragen, ob angesichts der Theoriefeindlichkeit der Akteur/innen der Entstehungszeit und der politischen Aushandlungsprozesse in der Zeit nach 1945 eine Idee in diesem strengen Sinne entstehen kann oder ob nicht vielmehr Diskurse darüber bestehen, die zu untersuchen wären.

Ein schwerwiegender Mangel ist das im Grunde ahistorische Vorgehen. So wird der Untersuchung ein Kapitel zur Klärung dreier Begriffe vorangestellt (S. 37ff.): Kultur, Bildung und Pädagogik. Nun sind diese Begriffe freilich einem historischen Wandel unterworfen und können gar nicht „Grundlage“ (S. 37) sein, sondern selbst nur Gegenstand einer Untersuchung. Am deutlichsten wird das am „Kultur“-Begriff, der heute nur im Plural vorkommen kann. Deshalb wird auch der Widerspruch zwischen dem reklamierten weiten Kulturbegriff und dem in der musisch-kulturellen Volksbildung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht weiter entfaltet. Ähnlich werden etwa Formulierungen kommunaler Verbände von 1953 neben solche aus den 1980er-Jahren gestellt (S. 260f.), ohne dass die gänzlich anderen Koordinatensysteme berücksichtigt würden.

Mia Holz wählt in ihrer Dissertationsschrift insofern einen kleineren Ausschnitt, als sie nur die 1920er bis 1960er-Jahre behandelt und in diesem Zeitraum speziell die Prozesse der Institutionalisierung betrachten will. Dabei interessiert sie speziell der Anteil der Jugendmusikbewegung an diesem Prozess. In der Gliederung gibt es Parallelen zu Rieß. Auch sie betrachtet zunächst strukturelle und pädagogische Aspekte um die Wende zum 20. Jahrhundert, wendet sich der Jugendmusikbewegung und speziell Jöde und Kestenberg zu, ehe sie auf die Abschnitte nach 1933 und nach 1945 zu sprechen kommt. Neben der bereits erwähnten Literatur hat sie die Bestände des Archivs der Jugendmusikbewegung auf Burg Ludwigstein gesichtet, auch die Dokumente der von ihr näher untersuchten Musikschulen in Berlin, Hamm und Stuttgart. Die letztgenannten Bestände sind eine wichtige Ergänzung der Literatur, weil es Holz dadurch gelingt, die schwierigen Arbeitsbedingungen in der Gründungsphase der Musikschulen anschaulich zu machen. Methodisch geht Holz ähnliche Wege wie Rieß, wobei ihr Textkorpus vielfältiger ist. Sie beschränkt sich ebenfalls auf eine Nachzeichnung und Interpretation der Quellen.

Auch bei Holz gelingt die im Untertitel angesprochene Fokussierung – in diesem Fall auf die Institutionalisierung – nicht durchweg. Bereits die Forschungsfragen (S. 12) konzentrieren sich eher auf eine quasi-ideengeschichtliche Perspektive, nämlich den Einfluss der Jugendmusikbewegung auf die Konzeption der Musikschule und den Wandel bis zur Gegenwart. Unter dem Aspekt der Institutionalisierung sind viele Ausführungen nicht zielführend: Die Ausführungen zum schulischen Musikunterricht (Kap. 1.1., S. 16ff.) oder zur Reformpädagogik (S. 46ff.) sind zutreffend, aber recht allgemein gehalten und in ähnlicher Form bereits anderswo zu lesen. So bleibt unklar, wie und warum die Protagonist/innen der Jugendmusikbewegung, die ja ein durchaus gespanntes Verhältnis zur Institution Schule hatten, die Institutionalisierung der Musikschulen gleichwohl vorantrieben. Hier fehlt die Kontextualisierung der Quellen. Was den institutionenkritischen Fritz Jöde bewegte, die Institutionalisierung der Musikschule in Berlin voranzutreiben, wäre aber biographisch interessant; warum die Musikschule in Bayern durch staatliche Absicherung erhalten wurde (S. 37), andere (Köln, Halberstadt) aber nach kurzer Zeit aus Geldmangel schließen mussten, wäre politisch interessant gewesen, aber wir erfahren es leider nicht. Weil der Kontext fehlt, kann die Verfasserin auch von 1840 zu 1922 springen und von Österreich nach Deutschland (S. 34). Dabei finden sich bei Holz durchaus interessante Quellen, die wohl tiefere Einblicke ermöglichen würden.

Dem Referenten im preußischen Kultusministerium, Leo Kestenberg, ist zu Recht ein eigenes Kapitel gewidmet. Neben den bekannten allgemeinen Ausführungen zu seinen Ideen musikalischer Volksbildung sind vor allem jene Passagen interessant, die seit dem Erscheinen der Gesamtausgabe seiner Schriften differenziertere Aussagen ermöglichen. Kestenberg arbeitete an der der Schnittstelle zwischen institutioneller Arbeit und jugendbewegten Akteur/innen. Hier hätte interessiert, wie die Schaffung der Musikschule einer neuen Institution bewerkstelligt wurde, welche Befürworter/innen und Gegner/innen dabei aktiv wurden. Das sozialdemokratische Bildungsverständnis in der Weimarer Republik, das die paternalistische Verantwortung auch für musikalische Bildung ausformulierte, unterscheidet sich ja nicht nur von denjenigen des Kaiserreiches, es ist auch für die musikschulbezogene Struktur und die Konzepte der Gegenwart in Deutschland prägend gewesen. Leider ist hier der Blick zu stark auf die musikpädagogischen Quellen verengt. Das administrative Verhältnis zwischen Bezirksverwaltung und den Organisatoren bleibt ebenso ungeklärt wie das Verhältnis von (bescheidener) staatlicher Subvention und Selbstausbeutung.

Es ist eine Stärke der Arbeit, dass der Entwicklung der Musikschulen in der Nachkriegszeit Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei werden die Veränderungen in den Argumentationen und Selbstdarstellungen deutlich, wenn etwa zentrale Denkfiguren der Jugendmusikbewegung wie die „Führung zur Gemeinschaft“ (S. 299f.) aufgegeben werden. Aber der Schwerpunkt liegt in der Darstellung der Kontinuitäten personeller und ideeller Art. Die erstaunlichen Karrieren einiger Protagonisten (Wilhelm Twittenhoff, vor allem Wolfgang Stumme) werden ebenso erwähnt wie der Versuch, nahtlos an eine „Zeit vor 1933“ anzuschließen. Die Bemühungen der allermeisten Akteur/innen nahtlos an die diese Zeit anzuschließen, werden von Holz aufgrund einer verbesserten Quellen- und Literaturlage präziser und fundierter dargestellt, als bisher bekannt.

Es wäre lohnend gewesen, die Befunde im Lichte umfassenderer gesellschaftlicher Entwicklungen zu betrachten. Besonders die Rolle der allgemeinen Bildungsexpansion hätte wohl zusätzliche Erklärungskraft gehabt – mehr jedenfalls als die Debatte um Adornos Kritik an der Jugendmusikbewegung, die bei beiden Autoren viel Raum einnimmt, aber in den 1950er-Jahren in kleinem Kreis und in nicht sehr auflagenstarken Publikationen geführt wurde. Vor allem fehlt die kritische Distanz zu den Quellen. Deutlich wird das insbesondere in jenen Passagen, die das Verhältnis zu Populärer Musik behandeln. Wird bei den (aus heutiger Sicht: hanebüchenen) Aussagen Twittenhoffs von 1952 dazu noch Distanz deutlich, bleiben andere Positionen, die aus nach dem gegenwärtigen Stand des Diskurses kulturwissenschaftlich ebenso problematisch sind (wie z.B. Ehrenforth11), unkommentiert, es werden Zitate von 1952 unterschiedslos neben solche aus diesem Jahrtausend gestellt (277ff.). Vor allem fehlt die Darstellung des politischen Diskurses: Wenn strukturelle Neuerungen zur Erhöhung des Finanzierungsbedarfs führen, muss es bei Kommunen und Ländern in Verwaltung und Parlamenten Partner geben, die bereit sind mitzugehen.12 Das lässt sich in Holz‘ Arbeit kaum nachvollziehen.

Das Schlusskapitel lautet: „Aus heutiger Sicht: Der Beitrag der Jugendmusikbewegung zur Institutionalisierung des Musikschulwesens“ (S. 329). Holz zieht das Fazit, dass Fritz Jöde die heutige Musikschule inhaltlich-pädagogisch geprägt habe, ihre politische Verankerung als Bildungsinstitution aber stärker Leo Kestenberg zu verdanken sei (S. 337). Das ist sicher richtig, doch bleibt eben die Frage, wer oder was die Institutionalisierung nach dem Ausscheiden Jödes so erfolgreich befördert hat. Daher ist in den Augen des Rezensenten das Ende des Untersuchungszeitraums unglücklich gewählt. Das enorme Wachstum der Musikschulen in der Zeit nach 1970 und insbesondere nach dem Jahr 2000 erhielten durch Phänomene wie den „PISA-Schock“ und die Debatte um kognitive Transfereffekte13 einerseits eine neue Qualität. Andererseits sind sie geeignet, rückblickend den Prozess der Institutionalisierung zu erhellen, weil die vermeintlichen und tatsächlichen Leistungen der Musikschulen für die gesellschaftliche Entwicklung neu und umfassender formuliert wurden.

Unterm Strich sind beide Arbeiten daher eher enttäuschend. Ihre Beschränkung auf musikpädagogische Quellen, Ansätze und Fragestellungen verhindern tiefere Einsichten in die gesellschaftliche Einbettung von Erziehung und Bildung, auch und gerade im musikalischen Bereich; es fehlt die Zusammenschau und theoretische Rahmung. An Heinz-Elmar Tenorths in dieser Hinsicht vorbildlichen „Geschichte der Erziehung“14 hätten die Schreibenden gut ablesen können, wie derlei gelingen kann. Doch mögen beide Bände für diejenigen, die sich nicht speziell mit den bestehenden historischen Publikationen beschäftigt haben, als allgemeine Einführung in die Geschichte der Musikschulen viele erhellende Einsichten vermitteln.

Anmerkungen:
1 Alle Zahlen nach https://www.miz.org (18.03.2020).
2 Z.B. Michael Dartsch / Jens Knigge / Anne Niessen / Friedrich Platz / Christine Stöger (Hrsg.), Handbuch Musikpädagogik. Grundlagen – Forschung – Diskurse, Münster 2018.
3 Wilfried Gruhn, Geschichte der Musikerziehung. Eine Kultur- und Sozialgeschichte vom Gesangunterricht zu ästhetisch-kultureller Bildung, 2. erw. Auflage, Hildesheim 2003 (1. Auflage 1993).
4 Karl-Heinz Reinfandt (Hrsg.), Die Jugendmusikbewegung: Impulse und Wirkungen, Wolfenbüttel 1987.
5 Leo Kestenberg, Die Hauptschriften. Gesammelte Schriften,Band 1, Freiburg 2009.
6 U.a. Dietrich Benner, Die Pädagogische Bewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik, Weinheim 2001; Diethardt Kerbs / Jürgen Reulecke (Hrsg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen, Wuppertal 1998.
7 Vgl. Ulrich Günther, Musikerziehung im Dritten Reich – Ursachen und Folgen, in: Hans-Christian Schmidt (Hrsg.), Handbuch der Musikpädagogik, Band 1, Kassel 1986, S. 85–172.
8 Die wichtige Direktive Nr. 54 des Alliierten Kontrollrates von 1947 erwähnt Kulturelle Bildung gar nicht. Vgl. Heinz-Elmar Tenorth, Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung, Weinheim 2015, S. 278.
9 Andreas Lehmann-Wermser / Beate Hannemann / Karl-Jürgen Kemmelmeyer / Hans Neuhoff, Ausbildungsstätten Musik, in: Helga de La Motte-Haber / Hans Neuhoff (Hrsg.), Musiksoziologie, Laaber 2007, S. 345–357.
10 Luc Geldsetzer, Ideengeschichte, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Historisches Wörterbuch der Philosophie online, 10.24894/HWPh.1673 (21.03.2020).
11 Karl-Heinrich Ehrenforth, Geschichte der musikalischen Bildung. Eine Kultur-, Sozial- und Ideengeschichte in 40 Stationen: von den antiken Hochkulturen bis zur Gegenwart, Mainz 2010.
12 Siehe dazu etwa in internationaler Perspektive Andreas Lehmann-Wermser, Music Education in Germany. On Politics and Rhetoric, in: Arts Education Policy Review, 114 (2013), 3, S. 126–134.
13 Ralph Schumacher, Pauken mit Trompeten. Lassen sich Lernstrategien, Lernmotivation und soziale Kompetenzen durch Musikunterricht fördern?, Berlin 2009.
14 Tenorth, Geschichte der Erziehung.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit der Historischen Bildungsforschung Online. (Redaktionelle Betreuung: Philipp Eigenmann, Michael Geiss und Elija Horn). https://bildungsgeschichte.de/
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