Cover
Titel
Ethnos and Koinon. Studies in Ancient Greek Ethnicity and Federalism


Herausgeber
Beck, Hans; Buraselis, Kostas; McAuley, Alex
Reihe
HABES Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien 61
Erschienen
Stuttgart 2019: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
415 S.
Preis
€ 64,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sarina Pal, Seminar für Alte Geschichte, Universität Marburg

Dieser Sammelband entstand aus einer Tagung zum Thema „Ethnos und Koinon“, die 2015 in Delphi stattfand. Der Band erweitert die schon vorangegangene Forschung der Herausgeber und einiger der vertretenen Autor/innen zum Thema „Federalism in Greek Antiquity“ (Beck, Funke 2015). Hauptuntersuchungsgegenstand soll das Wechselspiel zwischen ethnos, also Zusammengehörigkeit auf Grundlage von gemeinsam postulierter Abkunft, Traditionen und Territorium, und koinon, einem politischen Zusammenschluss, in verschiedenen antiken griechischen Gemeinwesen sein. So steht im Fokus die Frage nach der inneren Zusammensetzung der ethne und dem Einfluss verschiedener Elemente aufeinander. Auch der Aspekt, wie die ethnische Identität die politischen Handlungen beeinflusste oder eben dieses gerade nicht tat, wird behandelt. Die Beiträge umfassen mit Regionen wie beispielsweise Böotien, Makedonien, Thesprotien, Arkadien oder Asia Minor, einen räumlich und mit einem Zeitraum von den Dark Ages bis zur Kaiserzeit einen zeitlich sehr weiten Bereich, wobei die Untersuchung zu Böotien und Achaia Schwerpunkte der Sammlung bilden.

Einführend beginnt E. Mackil mit ihren anschaulichen Ausführungen zu den Verwendungen von ethnischen Identitäten als Argumente für politisches Handeln. Diese Identitäten sind, so stellt es die Autorin plausibel dar, vor allem Konstrukte, die dynamisch an die jeweiligen Zwecke angepasst wurden. Die einzelnen Fallstudien beginnen mit den Beiträgen von G. D. Rocchi und N. Petrochilos über die lokrischen koina. Rocchi zeigt ausführlich anhand von Inschriften auf, wie die proxenia als Institution, sowohl durch das koinon als auch von einzeln poleis, als „außenpolitisches“ Instrument gebraucht wurde. Die Autorin vermutet zudem, dass eine ethnische Zusammengehörigkeit auf überregionaler Ebene ein Wegbereiter für diese Institution gewesen sein könnte. Petrochilos stellt anhand von archäologischen und epigraphsichen Quellen dar, wie die Westlokrer ihre Herkunft aus Ostlokris über die Zeit hinweg pflegten und trotz der Mitgliedschaft im aitolischen koinon ihre eigene Identität erhielten. Hier wäre es für das vertiefende Verständnis der Leser/innen sicher zuträglich gewesen, zusätzlich eine der genutzten Quellen darzustellen.

Mit Böotien, einer der Themenschwerpunkte des Bandes, befassen sich drei Beiträge. A. Schachter stellt sehr überzeugend und prägnant dar, dass die Entstehung und die Politik des Böotischen Bundes de facto nicht auf einer gemeinsamen ethnischen Identität beruhten, sondern aus den Bestrebungen Thebens resultierten. Hingegen zeigt A. Ganther überzeugend mit dem gewählten Ansatz zur Gefühlsforschung, dass die Böotier als Kultgemeinschaft ihre religiösen Handlungen mit Emotionen zur ruhmreichen Vergangenheit aufluden, um das Zugehörigkeitsgefühl zu erzeugen und zu stärken. Wie das koinon in hellenistischer Zeit versuchte, Nicht-Böotier zu integrieren beziehungsweise auf den Austritt dieser reagierte, wird von R. Post untersucht. Dass es Regionen gab, in denen eine Zusammengehörigkeit oder ein langanhaltender Zusammenschluss erwartet wird, dies jedoch nicht der Fall ist, stellt N. Giannakopoulos für Euböa heraus. Im Laufe der Zeit bildete sich weder eine einende Identität heraus, noch hielt der Zusammenschluss, der durch römische Intervention entstand.

Auch die Argiver, so legt es A. McAuley sehr plausibel und bemerkenswert dar, bildeten kein politisch handelndes koinon aus. Im fünften Jahrhundert entstand hier jedoch ein ethnos mit Kooperationen auf regionaler Ebene im kultischen Bereich, der bis in die hellenistische Zeit fortbestand. Mit der Einbindung neuer Mitglieder und den Expansionsbestrebungen des aitolischen koinon befassen sich C. Antonetti und J. Rzepka. Antonetti erläutert, dass Verbindungen zum koinon und zu den Mitgliedern vor allem durch die Heiligtümer und kultische Praxis vertieft wurden, während Rzepka zeigt, dass nicht alle Expansionen der Aitoler von langer Dauer waren.

Dem achaiischen koinon als zweitem Themenschwerpunkt widmen sich vier Beiträge. Die Untersuchungen von S. Ager und C. Grandjean befassen sich mit internen Mechanismen und Prozessen, wohin gegen K. Buraselis und A. Rizakis einen Vergleich zum aitolischen Bund und zum lykischen koinon ziehen. Ager stellt sehr schlüssig die gescheiterte Integration Spartas in das achaiische koinon, aufgrund der stark ausgeprägten spartanischen Identität und der negativen Beziehungen der Mitglieder zueinander, dar. Grandjean kann mit ihrer prägnanten Aufschlüsselung der Münzfunde die Wichtigkeit der Münzprägung für die Hegemonie des achaiischen Bundes über die Peloponnes verdeutlichen. Mit dem Vergleich des achaiischen und des aitolischen koinon zeigt Buraselis, dass es zwar Gemeinsamkeiten der beiden koina gab, aber sie sich vor allem stark voneinander unterschieden. In seiner Untersuchung stellt A. Rizakis den großen Einfluss des achaiischen koinon auf das der Lyker heraus und zeigt, wie die Achaier als eine Vorlage für das lykische koinon dienten.

Anschließend widmen sich die nächsten beiden Beiträge von J. Roy und C. Bearzot dem arkadischen koinon. Roy legt dar, dass es zwar einen ethnos der Arkader in der klassischen Zeit gab, aber aufgrund der Hegemonie Spartas und des peloponnesischen Bundes kein koinon entstand. Es kam zu Expansionen einzelner poleis, doch konnte keine von ihnen eine dominante Rolle einnehmen. Erst nach der Schlacht von Leuktra bildete sich ein koinon heraus. Bearzot führt weiter aus, dass dieser Zusammenschluss vor allem zum Schutz vor Sparta und Theben gedacht war, aber später die Einzelinteressen der poleis überwogen.

Auch das thessalische koinon, so untersucht M. Mili, wurde oft von Interessen der Eliten beeinflusst. Sie zeigt, dass die Thessaler zwar ein ethnos bildeten und sich zusammenschlossen, aber das koinon als sehr dynamisch und flexibel angesehen werden muss. Jedoch scheint die abschließende Vermutung, dass es vielleicht keine politische Ebene des koinon gab, unwahrscheinlich. Die schon in diesem Beitrag zitierte Stelle bei Thukydides spricht, meiner Meinung nach, gegen diese Hypothese. Thukydides berichtet von einer alten Allianz mit den Thessalern (Thuk. 2.22.3). Wenn es, wie die Autorin vermutet, kein politisches koinon gab, mit wem genau schlossen dann die Athener eine Allianz? Es scheint möglich, aber nicht unbedingt wahrscheinlich, dass die Athener mit jeder einzelnen poleis und jedem einzelnen Gemeinwesen der Thessaler einen Vertrag schlossen, sondern dies eher an das vorhandene koinon adressierten, der auch politische Angelegenheiten organisierte. Daher zeigt dieses Beispiel meiner Meinung nach, dass aufgrund der fragmentierten und komplexen Quellenlage, Bedarf für weitere umfassende Untersuchungen zur Ausgestaltung des thessalischen koinon besteht. Achaia Phthiotis, das in der klassischen Zeit zu Thessalien gehörte, wird von M. Haagsma, L. Surtees und C. M. Chykerda aus archäologischer Sicht vorgestellt. Die Autor/innen stellen heraus, dass schon in der klassischen Zeit ein Gefühl der Zusammengehörigkeit bestand, jedoch die Gruppenidentität in der hellenistischen Zeit stärker herausgehoben wurde. Die sich herausbildenden Identitäten wurden von Makedoniern und Aitoler für ihre Zwecke genutzt.

Im weiteren Verlauf folgen die Beiträge von S. E. Psoma zu den Chalkidikern, von A. J. Domínguez zu den Thesprotern und von K. Panagopoulou zu Makedonien. Für die Chalkidike zeigt Psoma, dass sich einige der dort befindlichen poleis zusammenschlossen und einen gemeinsamen Kalender, sowie gemeinsame Beamte hatten und einen gemeinsamen Namen auf Münzen prägten. Das koinon begründete sich in der Abwehr der Athener und warb im Verlauf seiner Geschichte neue Mitglieder an. Doch der Konflikt mit Philip II. führte zur Auflösung des koinon. Hingegen könnte, nach A. J. Dominguez, bei der Bildung einer gemeinsamen Identität der Thesproter das Heiligtum in Dodona eine wichtige Rolle gespielt haben. Der Verlust über die Kontrolle des Heiligtumes an die Molosser führte hier zum Niedergang. Panagopoulou erläutert, dass das makedonische koinon nicht von Philip II., wie es Hatzopoulos vorschlägt, sondern erst von Antigonos Gonatas eingeführt wurde und ein Wandel von den monarchischen Strukturen hin zum koinon erst gänzlich nach der antigonidischen Herrschaft einsetzte.

Den Abschluss des Sammelbandes bildet der Beitrag von H. Beck, in dem der Autor sich mit den Aiolern beschäftigt. Er stellt dabei sehr plausibel und prägnant heraus, dass ein Makroethnos der Aioler nicht existierte. Die aiolische Zugehörigkeit war eher ein Distinktionsmerkmal der Eliten oder ein propagandistisches Mittel zur Begründung von Handlungen.

Trotz des Vorhandenseins von Bildmaterial in dem Band, wären Karten zu den untersuchten Regionen für die Leser/innen eine zusätzliche Hilfe bei der Einordnung gewesen. Ebenfalls finden sich kleinere Abweichungen vom Layout in den verschiedenen Beiträgen, so wie die Zitation von Quellenstellen im Text und in den Fußnoten oder nur in den Fußnoten.

Abschließend ist zu sagen, dass dieser Sammelband mit seinen detaillierten und bemerkenswerten Fallstudien einen weiten Bereich räumlich sowie zeitlich abdeckt und die Thematik, sowie die im Fokus stehenden Fragen vertiefend untersucht. Da die Verknüpfung der Aspekte koinon und ethnos nicht oft Beachtung findet, leistet der Sammelband hierzu einen wichtigen Beitrag. Die Autor/innen zeigen auf, dass die Erforschung dieser Verknüpfung wichtige Einblicke in das gesellschaftliche und politische Leben der griechischen Gemeinwesen geben kann.

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