Niederländische Beiträge zu Diokletian und Konstantin

: Het visioen van Constantijn. Een gebeurtenis die de wereld veranderde. Utrecht 2018 : Omniboek, ISBN 978-94-0191309-6 176 S. € 19,95

Hekster, Olivier; Jansen, Corjo (Hrsg.): Diocletianus. tussen eenheid en versnippering. Nijmegen 2018 : Vantilt, ISBN 978-94-6004-399-4 222 S. € 19,95

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, München

Wie die exzellente Übersetzung des Ammianus Marcellinus von Daniël den Hengst beweist1, ist es durchaus gewinnbringend, althistorische Publikationen in niederländischer Sprache zu berücksichtigen. Auch wenn die genannte Übersetzung eine Ausnahmeleistung von selten erreichter Qualität bleibt, so ist die Anzahl der guten und soliden Werke durchaus keine geringe. Zwei davon sind die beiden hier zu rezensierenden aktuellen Bände, bei denen es sich um gelungene Überblicke zu Diokletian und Konstantin handelt. Das von Olivier Hekster und Corjo Jansen herausgegebene Werk zu Diokletian ist ein Sammelband, dessen zwölf Beiträger in neun Aufsätzen eine Einführung in zentrale Aspekte der Zeit Diokletians bieten.2 Dabei geht es meist nicht so sehr um die Ermittlung neuer Erkenntnisse, sondern um die Sammlung und Aufbereitung des Quellenmaterials und des Forschungsstandes. Behandelt werden von Hekster die Tetrarchie und die Reformen Diokletians (S. 13–27), von Jansen und Rick Verhagen die Gesetzgebung Diokletians (S. 43–56), von Reske Janssen das Verhältnis Diokletians zum Christentum (S. 57–70), von Sam Heijnen und Sven Betjes die Münzen und Bildnisse der Tetrarchie (S. 71–91), von Nathalie de Haan und Stephan Mols die Tätigkeit Diokletians als Bauherr (S. 110–148), von John Tholen die Gestalt Diokletians in den Panegyrici Latini (S. 149–162) und von Vincent Hunink die Darstellung Diokletians bei Laktanz (S. 163–172). Die Autoren bieten solide Überblicke zu der jeweiligen Thematik, allerdings bleibt die Wertung von Jansen und Verhagen, Diokletian sei einer der geistigen Väter des modernen europäischen Rechts (S. 56), problematisch, da der Überlieferungszustand seiner Gesetze nicht angemessen berücksichtigt wird. Die zahlreichen Verordnungen, die größtenteils im Codex Iustinianus erhalten sind, stellen nur einen (sozusagen den erfolgreicheren) Teil der tatsächlichen gesetzgeberischen Tätigkeit Diokletians dar und sind zudem meist gekürzte und teilweise wohl auch veränderte Fassungen der ursprünglichen Texte. Was also vorliegt, ist nicht so sehr das Gesetzgebungswerk Diokletians, sondern vielmehr die Fassung Justinians und seiner Kompilatoren. Im Beitrag von Tholen wäre noch eine Berücksichtigung der nach 305 verfassten Reden sinnvoll gewesen, die nur einmal erfolgt, um den Fortbestand der Bezeichnung von Diokletian und Maximian als Brüder zu belegen (S. 155 mit S. 201, Anm. 19), während neue Aspekte nach dem Rücktritt Diokletians unberücksichtigt bleiben.

Hervorzuheben sind dagegen die Beiträge von Daniëlle Slootjes über die Neueinteilung der Provinzen (S. 28–42) und Erika Manders über die diokletianische Christenverfolgung aus numismatischer Perspektive (S. 92–109). Slootjes wirft exemplarisch einen Blick auf die spanischen Provinzen und bietet einige Überlegungen zu den beteiligten Personen und zu den geographischen Elementen, die eine Rolle bei der Festlegung der neuen Provinzgrenzen gespielt haben. Ihre Schlussfolgerungen sind, wie sie selbst zugesteht (S. 41f.), angesichts der schlechten Quellenlage keineswegs gesichert, doch bietet der Beitrag einen guten Ausgangspunkt für eine weitergehende Untersuchung des bislang nicht ausreichend gewürdigten Problems. Manders liefert eine Untersuchung zur Münzprägung der Tetrarchie, auf deren Basis sie weitere Schlussfolgerungen für die Motivation der Christenverfolgung zieht. Sie stellt fest, dass die Münzen der Tetrarchen insgesamt eine geringere Zahl unterschiedlicher Götter als die der übrigen Kaiser seit 193 abbilden und die meisten Münzbilder und Legenden bei allen Tetrarchen auftreten. Daher sei die Christenverfolgung als Element des Bemühens um religiöse Einheit zu verstehen, die sich in ein größeres Programm der Vereinheitlichung des Reiches (das etwa in der Reform der Provinzen und dem Preisedikt zu erkennen sei) einfüge. Die wertvollen Beobachtungen zur Münzprägung werden bei weiteren Forschungen berücksichtigt werden müssen, auch wenn die daraus gefolgerte Hauptthese letztlich nicht überzeugt. Zum einen bleiben grundlegende Fragen: Warum begann die Verfolgung, die dann doch als Element eines grundlegenden Pfeilers des tetrarchischen Herrschaftsverständnisses anzusehen wäre, erst im Jahr 303? Wenn die Verfolgung sich deutlich von den früheren abhob, wieso blieben dann angesichts einer solchen Motivation die Juden unbehelligt? Zudem stellt sich die Frage, ob das behauptete übergeordnete Programm der Einheit wirklich in dieser Form bestand. Feststellbar ist dies nur für das Kaisertum und lässt sich ebenso mit dem Bemühen erklären, die Macht der regierenden Kaiser abzusichern, um eine Wiederholung der chaotischen Zustände in der Mitte des 3. Jahrhunderts zu vermeiden, zumal Diokletian sich vor allem in der Anfangsphase seiner Herrschaft selbst mit mehreren Usurpatoren konfrontiert sah.

Neben den erwähnten Aufsätzen bietet der Band ein Vorwort (S. 7–10) und ein Nachwort (S. 173–175) der Herausgeber, eine Zeittafel zum Leben Diokletians mit einer Kaiserliste (S. 11–12), eine Teilübersetzung des Preisediktes von Vincent Hunink (S. 177–185), die als Endnoten am Schluss gesammelten Anmerkungen (S. 187–204), eine Bibliographie (S. 205–215), das Abbildungsverzeichnis (S. 217) und den Registerteil (S. 219–222). Die Anordnung der Anmerkungen als Endnoten ist ebenso wie die Untergliederung der Literaturliste nach den einzelnen Aufsätzen, die zudem manche Doppelung zur Folge hat, etwas unpraktisch. Da sich das Buch an ein breiteres Publikum richtet, hätte man in der Kaiserliste (S. 12) vielleicht noch deutlich machen können, dass der Usurpator Maximianus mit dem früheren Kaiser identisch ist, und unter den Usurpatoren wären zumindest noch Carausius, Allectus und Domitius Alexander zu ergänzen. Verwunderlich ist, dass die Dissertation von Klaus Altmayer über die Herrschaft des Carus und seiner Söhne als Vorläufer der Tetrarchie nie zitiert wird, obwohl sie doch immerhin von einem der Herausgeber rezensiert wurde.3 Von solchen Kleinigkeiten abgesehen bietet der Band jedoch eine gute Einführung in wesentliche Fragestellungen, die mit der Regierungszeit Diokletians verknüpft sind.

Das Buch über die Vision Konstantins von Jona Lendering und Vincent Hunink, das sechs Monate nach Erscheinen bereits in einer (wohl unveränderten) zweiten Auflage vorliegt, ist eine Mischung aus einer kurzen Biographie Konstantins, einem Überblickswerk zur Epoche der beginnenden Spätantike, einer Quellensammlung und einer Abhandlung über die Visionen des ersten christlichen Kaisers: Nach der Einleitung (S. 7f.) und einem ersten Kapitel, in dem einige zentrale Aspekte der religiösen Welt des 4. Jahrhunderts (S. 9–13) behandelt werden, folgen drei Kapitel zur Reichskrise des 3. Jahrhunderts und zwar ein allgemeines (S. 15–19), eine weiteres zur Frage, ob es in dieser Zeit eine religiöse Krise gegeben habe (S. 21–26), und ein drittes zur Bedeutung der Franken (S. 27–34). Das fünfte Kapitel zur Tetrarchie (S. 35–44) leitet dann zu Konstantin über, dessen frühe Regierungszeit bis 310 im sechsten Kapitel (S. 45–54) betrachtet wird. Kernstück des Buches ist das siebte Kapitel (S. 55–78), bei dem es sich um eine Übersetzung des Panegyricus von 310 handelt, der im achten Kapitel zur Panegyrik allgemein (S. 79–86) erklärt und kontextualisiert wird. Die folgenden sechs Kapitel kombinieren oft einen ereignisgeschichtlichen Abschnitt mit einem allgemeineren Thema: Konstantins Vision von 310 (S. 87–92), die Schlacht an der Milvischen Brücke (S. 93–104), die Traumberichte für Konstantin und Licinius (S. 105–114), die Entfremdung zwischen Konstantin und Licinius sowie religiöse Mehrdeutigkeiten in konstantinischen Texten und Bildern (S. 115–124), der Sieg Konstantins über Licinius und seine religiöse Entwicklung (S. 125–138) sowie der Bericht der Vita Constantini über die Vision und der Kontext der Entstehung des Werkes (S. 139–148). Darauf folgt ein abschließender Überblick zur religiösen Entwicklung des 4. Jahrhunderts und zur fortlaufenden Christianisierung der Visionsberichte (S. 149–156). Ein Stammbaum Konstantins (S. 157), eine Karte des Reiches zur Zeit Konstantins (S. 158f.), eine von 273 bis 339 reichende Zeittafel (S. 160–163), Bemerkungen zu weiterführender Literatur (S. 164–167), Danksagung (S. 167), die als Endnoten am Schluss gebündelten Anmerkungen (S. 168–173) und Register (S. 174–176) schließen den Band ab.

Auch in diesem Buch geht es nicht darum, durch die Auswertung von Quellen und Forschungsliteratur zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, sondern es soll vor allem Laien ein lesbarer und klarer Überblick zur Thematik geboten werden. Dieses Ziel kann ohne Einschränkungen als erreicht angesehen werden, und es ist den Autoren positiv anzurechnen, dass sie nicht, wie das in vergleichbaren Werken oft geschieht, mehr oder weniger wahrscheinliche Interpretationen als Tatsachen hinstellen, sondern wiederholt betonen, dass das Problem der Visionen Konstantins nicht mit letzter Sicherheit gelöst werden kann (etwa S. 8, 148 und 152). Dem Altertumswissenschaftler ist das Buch wegen der Übersetzung des Panegyricus von 310 (S. 55–78) zu empfehlen, zumal die Panegyrici unter den Quellen zu Konstantin trotz wichtiger Beiträge der letzten Jahre noch immer zu den Werken gehören, die im Gegensatz zu Laktanz und Eusebios, denen kaum noch etwas Unbeachtetes abzugewinnen ist, bei sorgfältiger Interpretation größere Forschungsfortschritte ermöglichen. Auch die über die zahlreichen Abbildungen erfassbaren Bildquellen dürften in vielen Fällen hilfreich sein.

Lediglich einige Kleinigkeiten fielen negativ auf: Leider wird nicht auf die Diskussion um das Geburtsjahr Konstantins eingegangen (S. 35 und sonst wird von 273 ausgegangen), obwohl das Problem, dass die Quellen die Annahme eines Datums zwischen 270 und 288 zulassen, auch einen wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung der religiösen Entwicklung Konstantins hat. Die wichtigste heidnische Gegenstimme der Epoche in Form Kaiser Julians bleibt (mit Ausnahme einer allgemeinen Erwähnung im historischen Abriss S. 150) ungenannt. Die angebliche Allianz zwischen Maximinus Daia und Maxentius sollte nicht mehr als historische Tatsache gelten (S. 9f. und 97 mit S. 171, Anm. 3).4 Der Text des Panegyricus bietet nur eine Kapitel-, aber keine Paragrapheneinteilung, auf eine Kommentierung (und sei es nur in Form von Anmerkungen mit Sacherklärungen) wurde leider verzichtet. Die Endnoten enthalten fast nur Quellenbelege, so dass es sinnvoller gewesen wäre, sie entweder als Fußnoten zu bieten oder direkt in den Text einzuarbeiten. Während „Samenvatting“ als Bezeichnung für das Werk von Eutropius (S. 168, Anm. 2) und auch noch das von Zonaras (S. 173, Anm. 14) vertretbar ist, erscheint er für die Epitome de Caesaribus (S. 172, Anm. 4 und S. 173, Anm. 3) eher unpassend. Im Register fehlen mehrere der S. 150 genannten Kaiser (Gratian, Julian, Theodosius I., Valens und Valentinian I.), während der dort ebenfalls auftretende Magnentius einen Eintrag bekommen hat (S. 176). In der Literaturliste hätten die Autoren noch auf die aus der Perspektive des Religionswissenschaftlers verfassten Beiträge ihres Landmannes Jan Bremmer verweisen können.5

Auch wenn die beiden rezensierten Werke nur selten neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Epoche Diokletians und Konstantins bieten, stellen sie aber dennoch durchaus fundierte Beiträge zu diesen beiden vielbehandelten Kaisern dar und können daher dem Laien als gutlesbarer Überblick und dem Fachwissenschaftler als nützliche Ergänzung zu einigen Detailfragen empfohlen werden.

Anmerkungen:
1 Ammianus Marcellinus, Julianus, de laatste heidense keizer. Nadagen van een wereldrijk, vertaald en toegelicht door Daniël den Hengst, Amsterdam 2013. Obwohl der Titel das nicht vermuten lässt, handelt es sich um eine vollständige Übersetzung des gesamten Werkes Ammians.
2 Eine ausführliche Rezension des Bandes stammt von Ulrich Lambrecht, in: Plekos 21 (2019), S. 245–255, http://www.plekos.uni-muenchen.de/2019/r-hekster_jansen.pdf (30.10.2019).
3 Klaus Altmayer, Die Herrschaft des Carus, Carinus und Numerianus als Vorläufer der Tetrarchie, Stuttgart 2014; und die Rezension dazu von Olivier Hekster, in: Journal of Roman Studies 105 (2015), S. 347f.
4 Eine überzeugende Widerlegung bei Kay Ehling, Zu dem angeblichen Bündnis zwischen Maximinus Daia und Maxentius, in: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 63 (2013), S. 173–185.
5 Jan Bremmer, Het bekeringsvisoen van Constantijn de Grote, in: Hendrik S. Benjamins u.a. (Hrsg.), Evangelie en beschaving. Studies bij het afscheid van Hans Roldanus, Zoetermeer 1995, S. 49–67; Jan Bremmer, The vision of Constantine, in: André P. M. H. Lardinois u.a. (Hrsg.), Land of dreams. Greek and Latin studies in honour of A. H. M. Kessels, Leiden 2006, S. 57–79.

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