Ende des 18. Jahrhunderts amüsierten sich weiße Amerikaner:innen damit, einem indianisch aussehenden Automaten Befehle zu erteilen. Im 19. Jahrhundert wurden in Kurzgeschichten der ideale mechanische Ehemann oder die ideale mechanische Ehefrau entworfen. Ende der 1920er-Jahre präsentierte das Unternehmen Westinghouse den humanoiden Roboter „Mr. Televox“, dem man Fragen stellen oder Anweisungen geben konnte, beispielsweise das Licht oder den Staubsauger anzuschalten. Zu Beginn der 1980er-Jahre entstand ein „Andy-Warhol-Roboter“, eine maschinelle Nachbildung Warhols, die dieser erfreut kommentierte, da er zukünftig diesen Roboter an seiner statt in Talkshows schicken könne.
Dustin Abnets Buch, eine Kulturgeschichte des American robot, ist eine Fundgrube für viele solcher teils amüsanten, jedoch häufig irritierenden Geschichten, die allesamt auf tieferliegende kulturelle Entwicklungen, Denkweisen, Werte und Visionen einer Gesellschaft verweisen. Das Buch kommt zur rechten Zeit, da es gegenwärtigen Debatten um Roboter historische Tiefe verleiht und Kontinuitäten kultureller Vorstellungen über Mensch-Maschinen-Verhältnisse offenlegt.
Abnet behandelt zweihundert Jahre Robotergeschichte. Ziel des Buches ist es, „a history of the idea of the robot in American culture“ (S. 3) zu präsentieren. Abnet betrachtet Roboter und ihre „Verwandten”, also „automatons, mechanical men and women, androids, artificial intelligence, and cyborgs” (S. 3). Dies geschieht allerdings nicht, um schlichtweg deren Geschichten zu erzählen. Vielmehr interpretiert Abnet sie als “symbolic anchor”: Roboter geraten als Repräsentationen grundsätzlicher gesellschaftlicher Debatten, die sie gleichsam verkörpern, in den Blick. Dazu gehören so fundamentale Fragen wie die, was einen Menschen ausmacht und was eine Maschine, Fragen nach dem freien Willen, nach Freiheit und Sklaverei, danach, welche Bedeutung Arbeit und Freizeit für Menschsein und Gesellschaften hat und vieles mehr. Der Roboter dient Abnet als Objekt philosophischen und historischen Fragens. Mit Blick auf Roboter möchte er nichts weniger als die (amerikanische) Moderne verstehen.
Abnet erzählt von realen und fiktionalen Robotern, wobei Visionen und Konzepte in der Populärkultur eine sehr große Rolle spielen. Seine Quellen sind Fachbücher, Fachzeitschriften, Magazine, Zeitungen, Romane, Kurzgeschichten, Songtexte, Science Fiction, Pulp Fiction und Filme. Es geht mithin nicht um den Umgang mit Robotern, nicht um konkrete Praktiken oder sozial- oder wirtschaftshistorische Fragen, beispielsweise nach den Auswirkungen des Robotereinsatzes auf menschliche Arbeit. Vielmehr geraten Roboter als Diskursfigur der Moderne in den Blick.
Auffällig ist, dass Abnet den Begriff Roboter sehr breit verwendet, teils auch unscharf. Für die Leser:innen ist nicht immer klar, ob in den Quellen von „robot“ die Rede ist oder ob Abnet eine Maschine, einen Computer oder Automatisierungsprozess als „robot“ interpretiert. So spricht er im Kontext des Computers vom „robotic brain“, während zeitgenössisch doch der Begriff des „electronic brain“ üblicher war. Denkende Maschinen gelten ihm als Roboter. Er schreibt über humanoide Roboter, über Automatisierungsprozesse in der Industrie oder Speiseautomaten. Wird der Begriff des „robot“ damit vage und unbestimmt, so liefert Abnet aber auch viel mehr als eine enge Geschichte der Roboter. Das Buch befasst sich grundlegend mit dem Mensch-Maschinen-Verhältnis und der Frage nach der Position der Menschen in der technischen Moderne.
Das Buch handelt im ersten Kapitel von Automaten. Dieses Kapitel deckt die Zeit vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ab. Der Begriff „robot“ wurde im 19. Jahrhundert noch nicht verwendet, vielmehr ist die Rede von „automaton“ oder „mechanical men“ oder „mechanical women“. Abnet beginnt mit dem bereits erwähnten Indianer-Automat. An diesem und anderen Beispielen zeigt er, wie die Figur des Automaten mit der Zähmung des Wilden gleichgesetzt und in den Automaten rassistische und geschlechtliche Stereotypen materialisiert wurden. Automaten dienten dem Amusement, das darin bestand, ihnen Befehle zu erteilen und gewissermaßen ihr kontrollierender und rationaler Verstand zu sein. Das Publikum aus der weißen Mittel- und Oberschicht lachte über die Automaten, versicherte sich ihrer vermeintlich überlegenen Humanität und schloss damit die als Automaten dargestellten Bevölkerungsgruppen, wie Indianer oder auch Frauen, aus den Definitionen der überlegenen Menschlichkeit aus. Der Begriff des Automaten wurde zu einer Metapher für Personen ohne freien Willen, ohne Verstand und ohne Selbstkontrolle und damit für Personen, denen grundlegende menschliche Eigenschaften fehlten. Entsprechend wurde der Begriff häufig für „mechanisierte Menschen“ verwendet. In der Arbeitswelt des 19. Jahrhunderts bestand wiederum die Vorstellung, Automaten sollten die Arbeiten übernehmen, die menschenunwürdig seien. Abnet referiert Stimmen, die Automaten als eine Möglichkeit betrachteten, gleichsam „mechanische Sklaven“ einzusetzen, ohne dass man sich schuldig fühlen müsse. Das große Thema, das Abnet in diesem Kapitel behandelt, ist die Entstehung der industriellen Welt mit der zeitgenössisch verhandelten, oft als beunruhigend empfundenen Künstlichkeit und Maschinenhaftigkeit und der Frage, ob die Maschine zu zähmen sei oder ob Menschen maschinenhaft werden müssten, um in der industriellen Welt zu bestehen.
Das zweite Kapitel, das die Zeit von 1910 bis 1945 behandelt, beginnt mit Karel Čapeks Theaterstück „R.U.R.“ und der Verwendung des Begriffs „robots“ in der amerikanischen Kultur. Der Begriff wurde, wie auch der Begriff des Automaten im 19. Jahrhundert, nicht nur für menschlich anmutende Maschinen verwendet. Auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein „robot“ ein mechanisierter Mensch, nun vor allem ein Arbeiter. Die Begriffsverwendung changierte zwischen der eher abfälligen Bezeichnung vermeintlich stupider Arbeiter und einer Kulturkritik, die deren Dehumanisierung anprangerte. Mit Čapeks Theaterstück „R.U.R.“ korrespondierend waren Roboter, die außer Kontrolle geraten, ein bedeutendes Thema in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch hier verhandelt Abnet wiederum grundsätzliche Probleme des Mensch-Maschinen-Verhältnisses, wie die Frage der Dehumanisierung, die Frage, wer „master“ und wer „slave“ sei, ob Maschinen zu „zähmen“ seien oder was mit der Seele in einem mechanischen Zeitalter passiere – bekanntermaßen auch in Deutschland viel diskutierte Themen. Unternehmen wie Westinghouse versuchten allerdings das Image von Robotern aufzubessern, indem sie auf Ausstellungen humanisierte Roboter präsentierten, die Namen erhielten, Zigaretten rauchten, Witze erzählten und fröhlich das Publikum unterhielten. Der eingangs erwähnte „Mr. Televox“ wurde als freundlicher Hausdiener vorgestellt und in Kurzgeschichten über die perfekte Ehefrau sinniert, die man im Warenhaus bestellen könnte. Während des Zweiten Weltkriegs dominiert allerdings wieder ein Begriff von „robot“, der auf ein mechanisiertes, standardisiertes, regelhaftes und willenlos-untergeordnetes Verhalten verwies. In den USA wurden Deutsche oder Italiener als Roboter bezeichnet: Menschen, die, so die kritisch-metaphorische Verwendung, seelenlos Befehle ausführten. Der Roboter wurde zu einem Symbol des Totalitarismus.
Im dritten Kapitel, das vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart reicht, diagnostiziert Abnet erneut fundamentale Veränderungen. Ein „robot“ wurde nun zu einem Freund, einem freundlichen Helfer. Isaac Asimovs Geschichten seien entscheidend für diese die 1950er- und 1960er-Jahre dominierende Vorstellung gewesen. Allerdings zeichnet es Abnets Buch gerade aus, nie nur einer Narration zu folgen. So wird deutlich, dass in kulturkritischer Manier auch ein gedankenlos konsumierender, standardisiert und willenlos lebender Mensch als „robot“ bezeichnet wurde, ein „cheerful robot“, wie C. Wright Mills formulierte, eine Kritik, die vor allem in den 1970er-Jahren gesellschaftliche Diskurse prägte. Allen Ginsburg polemisierte beispielsweise gegen “robot apartments”, in denen Menschen standardisiert, auf Konsum getrimmt leben würden. Abnet endet mit einer erneuten Umdeutung der „robots“ seit den 1980er- und 1990er-Jahren. Er referiert auf populärkulturelle Stimmen, die den „robot“ als Emanzipationsfigur deuteten. Er nennt beispielsweise Michael Jackson oder Janelle Monáe.
Insgesamt liefert Abnet eine Pluralität von Geschichten, die die Ambiguität des „robot“ verdeutlichen und anschaulich machen. Es gibt nicht die Geschichte des American robot. Abnet gelingt es, den Roboter als eine fragmentierte, facettenreich interpretierte und auch von machtvollen Gruppen instrumentalisierte Figur zu zeichnen, die zu keiner Zeit eindeutig war, sondern vielmehr gesellschaftliche Debatten und deren Vielstimmigkeit verkörperte. Allerdings sind seine Ausführungen, vor allem das letzte Kapitel, teils sprunghaft. Die im Buch vielfältig angelegten, spannenden und für das Verständnis des 19. und 20. Jahrhunderts bedeutenden großen Linien werden nicht systematisch und durchgängig freigelegt. Als Leser:in hätte man sich mehr Synthese, mehr abstrahierende Zusammenfassungen gewünscht, als dies in Einleitung und Epilog geschieht.
Keine Frage ist es aber, dass Abnet ein sehr lesenswertes Buch vorgelegt hat. Der „robot“ wird als eine Figur gedeutet, mit der ausgehandelt wird, wie die Welt sein soll. Und dies ist zweifellos nicht nur historisch von hoher Relevanz. Nicht zuletzt deshalb kommt Abnets Buch zur rechten Zeit.