: Geschäfte mit dem Feind. Die geheime Allianz des großen Geldes während des Zweiten Weltkriegs auf beiden Seiten der Front. Hamburg 2002 : Europa Verlag Berlin, ISBN 3-203-83700-5 160 S. € 17,90

: Wirtschaftsordnung und Bankensystem. Die Geschäftspolitik der bayerischen Sparkassen und ihre Entwicklung zu Universalkreditinstituten (1900-1933). Hamburg 2000 : Verlag Dr. Kovač, ISBN 3-8300-0065-0 440 S. € 101,59

: Die Geschäftspolitik amerikanischer Banken in Deutschland. 1960-1990. Frankfurt am Main 2000 : Peter Lang/Frankfurt am Main, ISBN 3-631-37414-3 XVII + 362 S. € 50,10

Deutscher Sparkassenverlag (Hrsg.): Sparkassen zwischen Staat und Markt. Market. Stuttgart 2001 : Deutscher Sparkassenverlag, ISBN 3-09-301282-1 238 S. € 43,00

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Harald Wixforth, Technische Universtität Dresden

Die Diskussion über die Bedeutung und Funktion von Finanzinstitutionen in der Gesellschaft reicht lange zurück. Galten Leihhäuser und Banken im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit oft noch als anrüchig, so gerieten die verschiedenen Typen von Finanzintermediären mit dem Aufstieg des Industriekapitalismus in den Blick sowohl einer kritischen Öffentlichkeit als auch in das Zentrum der wissenschaftlichen Diskussion. Eine Reihe von Autoren zeigte sich fasziniert von den Möglichkeiten, die moderne Aktienbanken vom Typ des Crédit Mobiliers für die Wirtschaftsentwicklung zu bieten schienen, andere wiederum sahen in den aufstrebenden Sparkassen wichtige Instrumente zur Förderung des Sparwillens, aber auch der sozialen Disziplinierung von einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten. Kritische Stimmen verwiesen dagegen auf die Gefahren für die gesamte Gesellschaft eines Landes, die bei einer zu großen Machtzusammenballung in den Händen von großen Finanzinstitutionen auftreten konnten.

Wenn auch mit zum Teil unterschiedlicher Akzentuierung, so setzt sich die Diskussion um die Rolle von Finanzinstitutionen in modernen Gesellschaften bis heute fort. Noch immer sind „die Macht der Banken“, der Strukturwandel in der Kreditwirtschaft hin zum „global playing“ und zum allumfassenden Finanzdienstleister Themen, die sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der wissenschaftlichen Forschung auf ein breites Interesse stoßen. Einen gewissen Kontrast dazu bildet der Befund, dass sich die bank- und sparkassenhistorische Forschung bis heute schwer tut, eine präzise Verortung von Banken und Sparkassen in der deutschen Gesellschaft in der Retrospektive vornehmen zu können – allen lobenswerten und vielfältigen Anstrengungen während der letzten drei Jahrzehnte zum Trotz. Zu begrüßen sind daher weitere Arbeiten, die sich zum Ziel setzen, wissenschaftlich fundiert die Funktion von Banken, Sparkassen oder anderen Finanzdienstleistern in der deutschen Gesellschaft zu untersuchen.

Das erste der hier zu besprechenden Bücher zählt leider nicht dazu. Offenbar animiert vom augenblicklichen Boom der Unternehmensgeschichte während des Nationalsozialismus versucht auch der ehemalige Journalist der „Zeit“ und des „Sterns“ Ulrich Völklein, in seiner Studie die geheimen Verbindungen zwischen amerikanischen, französischen und deutschen Industriellen während des Zweiten Weltkriegs und unmittelbar nach Kriegsende aufzudecken. Eher essayistisch und im Stil des Enthüllungsjournalismus als wissenschaftlich sauber recherchiert wiederholt der Autor die Stereotypen über die Rolle deutscher Konzerne und Banken während der NS-Diktatur, die bereits seit ca. dreißig Jahren in bestimmten Facetten der Literatur zu dieser Thematik anzutreffen sind. Neuere Forschungsergebnisse, die gerade in jüngster Zeit publiziert worden sind, werden dagegen nur unzureichend berücksichtigt. Statt dessen lesen wir so bedeutungsvolle Sätze wie: „Immer als Handlager dabei waren die großen Geldhäuser, die Dresdner, die Commerz- und die Deutsche Bank. Sie vermittelten die Geschäfte. Sie gaben den „arischen“ Interessenten die Kredite. Sie rissen sich die jüdischen Privatbanken Hardy, Bleichröder und Mendelssohn selbst unter den Nagel“ (S. 19). Über die Hintergründe dieser Übernahmen, die verschiedenen Aspekte des „Arisierungsgeschäfts“ erfährt der Leser so gut wie gar nichts. Ähnlich plakativ und mit wenig Detailkenntnis wird auch die Person Kurt von Schröders abgehandelt, als Vorsitzender der Reichsgruppe Banken sicherlich einer der umstrittensten Bankiers während der NS-Zeit. Fast müßig ist es zu erwähnen, dass Völklein auch den sattsam bekannten Spruch über ihren Direktor Karl Rasche bemüht, um die Rolle der Dresdner Bank in der Diktatur zu illustrieren (S. 105).

Die geheimen Verbindungen der deutschen Banken und Industriellen mit ihren amerikanischen, französischen oder schwedischen Geschäftsfreunden sind zudem weniger überraschend als der Titel suggeriert. Dass Henry Ford ein Antisemit war und aus diesem Grund mit Hitler und seinen Satrapen sympathisierte ist seit längerem ebenso bekannt wie die Tatsache, dass die Stockholm Enskilda Banken, die Schwedische Kugellagerfabrik oder die einflussreiche schwedische Familie Wallenberg aus reinem Geschäftsinteresse und unternehmenspolitischem Kalkül mit jeder der kriegsführenden Parteien enge Verbindungen unterhielt. Auch die expansionistische und ausbeuterische Geschäftspolitik der I.G Farben samt ihren Verbindungen in die USA wurde in der Literatur bereits mehrfach thematisiert.
Dieser Befund überrascht nicht: Da Völklein keine neue Quellen zu der von ihm gewählten Thematik präsentieren kann, seine Studie zudem nur auf – vielfach seit langem bekannter – Sekundärliteratur fußt, ist sie als ein Versuch zu werten, zum einen der breiteren Öffentlichkeit das Spektrum von Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Unternehmen während der NS-Zeit vorzuführen, zum anderen schlichtweg am augenblicklichen Boom der Unternehmensgeschichte zu dieser Zeit zu partizipieren, ohne eine genuine Forschungsleistung vorzuweisen.

Eine ganz andere Qualität besitzt dagegen die Studie von Carsten Hartkopf über die Geschäftspolitik der amerikanischen Großbanken in Deutschland. Nach einem kurzen Rekurs auf die Zwischenkriegszeit, in der er die Rolle amerikanischer Banken im Emissionsgeschäft für die deutsche Industrie beleuchtet, untersucht Hartkopf die Expansionsschritte und die unternehmerische Strategieplanung der Institute aus den USA nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dabei konzentriert er sich auf die Geschäftspolitik der First National City Bank (später Citibank), der Bank of America, der Chase Manhattan Bank und des Bankers Trust. Hartkopf zeigt anschaulich, wie diese amerikanischen Institute zunächst tastend und vorsichtig den deutschen Markt erschlossen. Der eigentliche Durchbruch im operativen Geschäft gelang ihnen mit dem Ausbau des Massengeschäfts in den 1970er Jahren, wobei diese Entwicklung durch die Übernahme von bereits bestehenden kleineren deutschen Bankhäusern befördert wurde. Erstaunlicherweise entpuppten sich viele dieser Institute als innovativ und kundenorientierter als ihre deutschen Konkurrenten, wie Hartkopf nachweisen kann. Zwei Gründe macht er dafür verantwortlich, dass diese Entwicklung in den 1980er Jahren beendet wurde: Zum einen die konjunkturelle Eintrübung und die Hochzinsphase am Anfang dieser Dekade, zum anderen finanzielle Schwierigkeiten der amerikanischen Muttergesellschaften infolge der Schuldenkrise in der „Dritten Welt“. Im Ergebnis zogen sich die großen amerikanischen Banken aus dem deutschen Markt zurück, während ihre Tochtergesellschaften ihren Betrieb einstellten oder verkauft wurden, wie Hartkopf zeigt.

Das Engagement amerikanischer Institute in Deutschland war damit jedoch keineswegs beendet. Angestoßen durch die Börsenkonjunktur seit Mitte der 1980er Jahre, die erst vor kurzem ihr jähes Ende fand, drängten die großen New Yorker Investmentbanken wie Goldman, Sachs & Co., Merill Lynch oder Morgan Stanley auch auf den deutschen Markt. Diese Institute focussierten sich jedoch ausschließlich auf die Beratung industrieller Großkunden im Emissionsgeschäft und die Durchführung derartiger Transaktionen, und nicht auf das retail-banking. Durch die Präsenz amerikanischer Banken in Deutschland soll daher eine völlig andere Klientel angesprochen werden als während der 1970er Jahre. Ob diese Geschäftsstrategie nicht nur für die amerikanischen Institute, sondern auch für die deutschen Universalbanken den „Königsweg“ zu wieder steigenden Profiten und einer besseren internationalen Marktpositionierung bildet, wird erst die Zukunft zeigen.

Hartkopfs Arbeit dokumentiert nicht nur detailliert die Hintergründe und Motive für Trendwechsel in der unternehmerischen Strategie der amerikanischen Banken, sondern beschreibt ebenso ausführlich die Schwierigkeiten der Institute, während der 1960er und 1970er Jahre auf dem deutschen Markt überhaupt Fuß zu fassen. Das Dilemma, oft nur auf eine vergleichsweise dünne Quellenbasis zurückgreifen zu können, wird gelöst, indem systematisch die reichhaltige Literatur an Fachzeitschriften und Wirtschaftspresse ausgewertet wurde. Ergänzt wurde die Quellenbasis zudem durch Interviews mit Entscheidungsträgern aus den amerikanischen Banken und ihren Tochtergesellschaften, die bei aller quellenkritischer Skepsis vielfach neue Einblicke in die Geschäftspolitik der Institute ermöglichen. Im Ergebnis ist Hartkopfs Arbeit ein wichtiger Beitrag zur deutschen Bank- und Finanzgeschichte nach 1945. Es bleibt zu hoffen, dass es der bankhistorischen Forschung gelingt, die Geschäftspolitik der deutschen Banken ebenso detailliert nachzuzeichnen, wie dies Hartkopf für die amerikanischen Banken in Deutschland vorführen kann.

Nicht überraschend ist, dass im Gegensatz zu den großen Geschäftsbanken die Sparkassen eine völlig andere Art der Geschäftspolitik verfolgten, auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Angleichung in einigen Geschäftsfeldern feststellen lässt. Die Positionierung dieses Typus von Finanzinstitutionen in der bayerischen Wirtschaft bis 1933, aber auch der Wandel, den viele Sparkassen bereits in dieser Zeit durchliefen, bildet den Untersuchungsgegenstand der Studie von Stephan Raum. Ausgehend von einer Bestandsanalyse der bayerischen Sparkassenorganisation am Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht Raum die Entwicklung der einzelnen Institute bis zur Zäsur des Jahres 1933. Dabei folgt Raum den traditionellen Kriterien einer regional gebundenen Studie zur Entwicklung der Sparkassen in Deutschland. Zuerst skizziert er Bayerns wirtschaftliche Entwicklung während des Untersuchungszeitraums, wobei er außer den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch die Frage der wirtschaftlichen Rückständigkeit Bayerns in dieser Zeit im Vergleich zu anderen deutschen Gewerberegionen anreißt. In einem zweiten Zugriff beleuchtet er die Grundzüge der Sparkassenentwicklung in Bayern bis 1914. Dabei stellt er die Initiativen zur Gründung von einzelnen Kassen ebenso in den Vordergrund wie die organisatorischen und sparkassenrechtlichen Aspekte der Entwicklung. Neben einzelnen Sparkassen wird daher auch die Entwicklung des Bayerischen Sparkassenverbandes thematisiert. Im dritten und ausführlichsten Abschnitt behandelt Raum anschließend die einzelnen wichtigsten Geschäftsfelder der Sparkassen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dabei steht im Passivgeschäft das Spareinlagengeschäft im Vordergrund, das nach einzelnen Fristen und der sozialen Struktur der Einleger differenziert wird, während im Aktivgeschäft der Personalkredit, der Realkredit und der kommunale Kredit eingehend untersucht werden. Als Ergebnis seiner Analyse kann Raum festhalten, dass die Einlagen der bayerischen Sparkassen bis 1914 stark stiegen, wobei sich ein Wachstum bei den Sparern aller sozialer Schichten konstatieren lässt. Umgekehrt wurde auch das Aktivgeschäft ausgeweitet, mit einem deutlichen Wachstum im Personalkreditgeschäft. Weitere Ausführungen zur Entwicklung des Personals und der Organisationsstruktur der Sparkassen ergänzen diesen Abschnitt der Studie.

Das zweite große Kapitel, in dem die Entwicklung der bayerischen Sparkassen während des Ersten Weltkriegs und der Inflationszeit untersucht wird, weist die gleiche inhaltliche Gliederung auf wie das erste Kapitel der Studie. Dies ist zu begrüßen, da für den Leser ein größeres Maß an Stringenz bei der Untersuchung der bayerischen Sparkassen gewährleistet ist. Wiederum beleuchtet Raum als erstes die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen während Krieg und Inflation. Anschließend untersucht er die Gründung und die Organisationsstruktur eines neuen Sparkassenverbandes, des Giroverbandes, der in dieser Zeit entstand. Der Giroverband übernahm später nicht nur die Funktion des Verbandes der Bayerischen Sparkassen, sondern auch dessen Namen. In einem zweiten Zugriff untersucht Raum wiederum die einzelnen wichtigen Geschäftsfelder der Sparkassen während Krieg und Inflation. Auch in Bayern wurde die Entwicklung der Kreditwirtschaft in dieser Zeit durch die Art der Kriegsfinanzierung und den Verfall der Währung bestimmt – was keineswegs überrascht. Erstaunlich ist jedoch Raums These, dass Bayerns Sparkassen die schwierigen Rahmenbedingungen erstaunlich gut meistern und ihre Marktposition in der Kreditwirtschaft verbessern konnten. Ein solcher Befund lässt sich keineswegs für andere Segmente der deutschen Kreditwirtschaft in dieser Zeit feststellen.

Der letzte Abschnitt in Raums Studie behandelt die Zeit von der Stabilisierung der Mark bis zur sogenannten „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten. Auch hier wird zunächst das wirtschafts- und gesellschaftspolitische Umfeld ausgelotet, bevor die einzelnen Geschäftsfelder überprüft werden. Ein Markstein der Sparkassenentwicklung dieser Zeit war sicherlich die Gründung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes 1924 und seines bayerischen Pendants ein Jahr später. Ein weiteres Charakteristikum war die zunehmende Technisierung des Sparkassenbetriebs sowie der Drang zur Rationalisierung, der sich infolge von gestiegenen Kosten und sinkenden Erträgen – vor allem in der Weltwirtschaftskrise – auch für Bayerns Sparkassen nicht verhindern ließ. Ob dieser Sachverhalt jedoch ausreichend ist, die bayerischen Sparkassen trotz einer Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit, die sich gerade in dem von Raum gewählten Untersuchungszeitraum beobachten lässt, bereits als Universalkreditinstitute zu charakterisieren, bleibt zweifelhaft. Für die Sparkassen in den meisten anderen deutschen Regionen wird diese Entwicklung erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs angenommen. Warum Bayern hier ein „Sonderfall“ darstellen soll, kann von Raum nicht zwingend begründet werden. Die Frage bleibt daher unbeantwortet, ob die bloße Tatsache, dass sich der Großteil der bayerischen Sparkassen bis 1933 sowohl im Aktiv- als auch im Passivgeschäft neue Kunden und Geschäftsfelder erschloss, ausreichend ist, um sie in den Rang von Universalkreditinstituten zu erheben.
Die Frage, wie sich Sparkassen als Universalkreditinstitute unter veränderten Marktbedingungen, aber auch wechselnder staatlicher Regulierung in den Finanzsystemen der europäischen Länder positionieren können, bildete eines der Leitmotive des Europäischen Kolloquiums zur Sparkassengeschichte des Jahres 2001. Sowohl die Beiträge als auch die Podiumsdiskussion dieses Kolloquiums liegen nun in Gestalt eines Sammelbandes vor, der von der Wissenschaftsförderung der Sparkassen-Finanzgruppe herausgegeben wurde. In seinem Eröffnungsreferat gibt Hans Pohl einen Überblick über die Sparkassenentwicklung der wichtigsten europäischen Länder während der letzten 150 Jahre, wobei er zu dem Fazit kommt, dass sich dieser Typus von Finanzinstitution erst im 20. Jahrhundert in einem Spannungsfeld zwischen Markt und Staat bewegt, während für das 19. Jahrhundert aufgrund der geringen Marktorientierung der Sparkassen sich eine solche Frage von selbst verbietet. Pohls Einleitung schließen sich mehrere Beiträge über die Sparkassenentwicklung in einzelnen Ländern an. Im ersten dieser Referate skizziert Enrique Rodriguez die Entwicklung in Schweden, wobei er außer den drei Charakteristika Sparförderungsinstitution, lokale Bindung und spezifische Rechtsform ohne private Gewinninteressen ihr großes Maß an Unabhängigkeit bis in die 1970er Jahre betont. Ab diesem Zeitpunkt geriet das schwedische Sparkassenmodell jedoch in die Krise, die eine umfassende Reorganisation auch mit staatlicher Intervention erforderlich machte. 1992 wurde der größere Teil der schwedischen Sparkassen in einer Holdinggesellschaft zusammengefasst, die ab 1995 als Aktiengesellschaft an der Stockholmer Börse notiert ist. Dies wäre ohne staatliches Eingreifen nicht möglich gewesen. Die schwedischen Sparkassen verloren dadurch zwar ein Stück ihrer ursprünglichen Identität, können sich aber in ihrer neuen Organisationsform auf dem Finanzmarkt behaupten. Noch gravierender waren die Veränderungen in Belgien, wo die ehemals öffentlich-nationale Sparkasse Caisse Générale d’Epargne et Retraits (CGER) Mitte der 1990er Jahre privatisiert und zusammen mit der Société Générale an die belgisch-niederländische Fortis-Finanzgruppe verkauft wurde, wie Piet van Bellingen in seinem Referat aufzeigt. In Belgien opferte man damit eine ehemals öffentliche Finanzinstitution privaten Finanzinteressen, was sich angeblich aufgrund des „Globalisierungsdruckes“ auf den Finanzmärkten nicht vermeiden ließ. Günter Schulz betont dagegen in seinen Ausführungen über das deutsche Sparkassenwesen das Auf und Ab staatlicher Intervention. Reglementierte der Staat im 19. Jahrhundert die Sparkassenentwicklung durch Statuten und Vorschriften noch erheblich, eröffnete er ihnen in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts neue Gestaltungs- und Geschäftsmöglichkeiten, die jedoch als Folge der Banken- und Finanzkrise 1931/32 wieder eingeschränkt wurden. Erst in den 1960er Jahren, vor allem aber den 1970er und 1980er Jahren forcierte der Staat auch im deutschen Sparkassenwesen die Deregulierung. Ob die Sparkassen in ihrer derzeitigen Form und Verbandsstruktur angesichts eines wachsenden Kampfes um Marktanteile und zunehmender Europäisierung bzw. Globalisierung auf den Märkten konkurrenzfähig bleiben, lässt sich im Augenblick nicht absehen, so Schulz in seinem Ausblick.

Karel Kotrba verweist in seinem Referat zur Entwicklung der tschechischen Sparkassen auf die lange Tradition dieser Art von Finanzinstitutionen in Böhmen und Mähren, muss aber konzedieren, dass mit der Verstaatlichung der Sparkassen ihre Handlungsspielräume im System der zentralen Verwaltungswirtschaft zunichte gemacht wurden. Die von Kotrba mit hoffnungsvollem Unterton gestellte Frage, wieviel Zeit die tschechischen Sparkassen noch benötigen, um den Stand vor dem Zweiten Weltkrieg zu erreichen, ist mit Skepsis zu beantworten, blickt man auf die aktuelle Krise der Česká Spořitelná (Böhmische Sparkasse) und anderer Banken in Tschechien.

Christian Dirninger vertritt dagegen in seinem Referat die These, dass gerade an der Entwicklung der österreichischen Sparkassen gleichsam wie in einem Spiegelbild das Maß an Marktliberalität oder Staatsinterventionismus abzulesen sei, das generell für die jeweilige Wirtschaftspolitik sowohl in der ehemaligen K.-u. K-Monarchie, als auch in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg kennzeichnend war. Daniel Duet verweist dagegen auf die starke Bindung der Sparkassen an staatliche ordnungspolitische Vorgaben und das hohe Maß an Zentralisierung in der Sparkassenorganisation, das für die französische Variante des Sparkassenwesens lange Zeit kennzeichnend war. Zudem betont er in seinem Referat, das über weite Strecke essayistisch eher Fragen aufwirft, diese aber nicht beantwortet, dass in jüngster Zeit die Sparkassen in Frankreich eine marktinduzierte Metamorphose durchliefen, dabei aber in Gefahr gerieten, ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren.

Abgerundet wird die Palette an Länderstudien durch zwei Beiträge zu Spanien und Norwegen. Manuel Titos-Martinez für Spanien und Einar Forshak für Norwegen können eine wachsende Marktorientierung der Sparkassen in den beiden Ländern während der letzten Jahrzehnte konstatieren, wobei auch hier die Sparkassen ihre eigentliche Bedeutung und Aufgabe einbüßten. In einer abschließenden Präsentation zur wirtschaftlichen Bedeutung der deutschen Sparkassen wird von Heinz Schrumpf zu Recht betont, dass diesen besonders für regionale wirtschaftliche Entwicklungspfade ein wachsender Stellenwert zukommt. Dieser Befund überrascht nicht wirklich, sehen die Sparkassen doch gerade in der regionalen Wirtschaft ihr ureigenes Betätigungsfeld. Als Fazit der Podiumsdiskussion am Ende des Kolloquiums lässt sich festhalten, dass in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedliche Entwicklungswege der Sparkassenorganisation zu beobachten sind. In neuerer Zeit zeigt sich jedoch eine zunehmende Marktorientierung der Sparkassen, sowie eine wachsende Angleichung der einzelnen Finanzsysteme, die nicht zuletzt durch die Globalisierung der Finanzmärkte hervorgerufen wird.

Die hier zu besprechenden Publikationen berühren verschiedene Aspekte der deutschen und der europäischen Finanzgeschichte der letzten 150 Jahre. Dabei wird deutlich, dass die bank- und sparkassenhistorische Forschung zwar versucht, Entwicklung und Strukturwandel der Finanzinstitutionen zu erfassen, dass sie aber oft über Studien zu Einzel- oder regionalen Aspekten nicht hinauskommt. Zudem wird offenkundig, dass Qualität und Vorgehensweise der einzelnen Studien sehr unterschiedlich sind. Dies lässt in aller Deutlichkeit erkennen, dass die Forschung auch in nächster Zeit erhebliche Anstrengungen unternehmen muss, bevor abgesicherte und weitreichende Aussagen über die Entwicklung von Finanzsystemen, aber auch die Rolle und Macht von Finanzinstitutionen in der Gesellschaft möglich sind.

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