Titel
"Arbeiterinnen des Herrn". Katholische Frauenkongregationen im 19. Jahrhundert


Autor(en)
Meiwes, Relinde
Reihe
Geschichte und Geschlechter 30
Erschienen
Frankfurt a.M. 2000: Campus Verlag
Anzahl Seiten
341 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dr. Anne Conrad, FB 08, Geschichtswissenschaft Historisches Seminar / Frühe Neuzeit, Universität Hamburg

Das 19. Jahrhundert als Formierungsphase des Bürgertums mit seiner "Polarisierung der Geschlechtscharaktere" (Karin Hausen) war eines der ersten Forschungsfelder der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Die Zahl der Publikationen dazu ist inzwischen unüberschaubar geworden. Dennoch gab und gibt es noch Neuland zu erkunden: Das "katholische Milieu", das durch die sozialgeschichtlich orientierte, von der traditionellen Kirchengeschichtsschreibung unabhängige Katholizismus- und Rechristianisierungsforschung in den vergangenen Jahren in den Blick gerückt worden ist,1 ist in geschlechtergeschichtlicher Hinsicht noch weitgehend eine "terra incognita" (Meiwes, 12). Zwei Dissertationen haben sich nun des Themas angenommen, von unterschiedlichen Voraussetzungen her - Meiwes als Bielefelder Sozialhistorikerin, Berlis als Bonner altkatholische Theologin und Kirchenhistorikerin - und aus verschiedenen Perspektiven, jedoch mit ähnlichem Erkenntnisinteresse und mit Ergebnissen, die von gegensätzlichen Ausgangspunkten her auf bestimmte gemeinsame Grundmuster verweisen und damit deutlich machen, dass der Katholizismus des 19. Jahrhunderts immer noch ein lohnendes Forschungsfeld darstellt.

Gemeinsam ist den beiden Untersuchungen zunächst der geschlechtergeschichtliche Ansatz. Berlis wie Meiwes geht es um die Frage nach Möglichkeiten und Handlungsräumen von Frauen in einer (kirchlichen) Männerwelt, um ihre Motive, Interessen, Ziele und um die Frage nach dem spezifisch Weiblichen, das die Frauen jeweils einbringen konnten. Frauen sollen als handelnde Subjekte im Zentrum stehen. Meiwes befasst sich dabei - und hier liegt ein wesentlicher Unterschied - mit dem "hochkonservativen" (römisch-) katholischen Mainstream, Berlis mit der liberaleren (alt-) katholischen Minderheit.

Relinde Meiwes' Ausgangspunkt ist der bekannte Befund, dass im 19. Jahrhundert im Kontext der "Vitalisierung des Religiösen" (Wolfgang Schieder) bestimmte katholische Frauenvereinigungen außerordentlichen Zulauf hatten bzw. neu gegründet wurden und innerhalb weniger Jahre stark expandierten. Zur Unterscheidung von den traditionellen Orden setzte sich für diese Gemeinschaften die Bezeichnung "Kongregationen" durch, wobei in der Anfangsphase die (kirchenrechtlichen) Grenzen zwischen diesen beiden Typen religiöser Vergesellschaftung noch fließend waren (Meiwes, 77). Charakteristisch für die Kongregationen war ihre Betonung der "vita activa", des "tätigen Lebens" im Sinne einer bewussten Hinwendung zur "Welt", und ihr sozial-karitatives Engagement, das auf die Anforderungen der modernen, von Säkularisierung und Industrialisierung geprägten Gesellschaft abgestimmt war. Den geographischen Rahmen der Untersuchung bildet Preußen, den zeitlichen die Jahrzehnte zwischen Säkularisierung und Kulturkampf. Hinsichtlich der Quellen beschreibt Meiwes ihr Projekt etwas kryptisch als "ein schwieriges Vorhaben", da "genossenschaftliches religiöses Frauenleben [...] bis heute von Geheimnissen umgeben" sei (Meiwes, 20), konkret: längst nicht alle Kongregationen öffneten bereitwillig ihre Archive. Zudem wurde die Überlieferung der Quellen von Anfang an von den Kongregationen selbst durch die Auswahl bzw. Vernichtung eines Teils des Materials in eine bestimmte Richtung gelenkt (Meiwes, 21f.). Der Anspruch, die Frauen selbst zum Sprechen zu bringen, stößt außerdem auf die Schwierigkeit, dass nur vergleichsweise wenig Selbstzeugnisse von Frauen überliefert sind, da das Schreiben über die eigene Befindlichkeit von katholischen Frauen eher gering geschätzt wurde. Angesichts dessen konzentriert sich Meiwes vor allem auf organisationsrelevante und normative Quellen - Satzungen, Konstitutionen, Tagesabläufe, kirchenrechtliche Werke, statistische Erhebungen, Schwesternverzeichnisse, Briefwechsel mit staatlichen und kirchlichen Behörden - und versucht, diese als "indirekte" Quellen für ihre Fragestellung auszuwerten. Problematisch bleibt, dass sich aus diesen Quellen zwar auf die Lebensnorm, aber nur sehr bedingt auf die Lebenspraxis schließen läßt.

Meiwes gliedert ihre Arbeit in drei Teile: Der erste (27-113) ist der allgemeinen Beschreibung des weiblichen Kongregationswesens im 19. Jahrhundert gewidmet, wobei die von Clara Fey 1844 in Aachen gegründeten "Schwestern vom armen Kinde Jesu", deren Quellen besser zugänglich waren als die von anderen Kongregationen, exemplarisch ausführlicher dargestellt werden. Der zweite Teil der Untersuchung (117-243) widmet sich dem "Innenleben", d. h. dem Selbstverständnis und dem Leben und Arbeiten der Schwestern in den Kongregationen, der dritte (247-309) den "Frauenkongregationen zwischen Kirche und bürgerlicher Gesellschaft", also den "Außenbeziehungen" der Frauen. Insgesamt ergibt sich dabei ein facettenreiches Bild. Zunächst sind die Zahlen, die Meiwes aus ihren statistischen Auswertungen gewonnen hat, beachtenswert: Im Jahr 1855 gehörten in Preußen ca. 400 Männer und 600 Frauen einer religiösen Gemeinschaft (Orden oder Kongregationen) an, im Jahr 1872 waren es 1000 Männer und 8000 Frauen; der rapide Anstieg der weiblichen Mitgliedschaften ist hier besonders auffällig. Vergleichsweise wenige, nämlich ca. 1300 Frauen, gehörten den traditionellen Orden an, die große Mehrheit dagegen den 31 in Deutschland bestehenden Kongregationen, von denen 23 erst im 19. Jahrhundert neu gegründet worden waren. Die Vielzahl der Neugründungen war bereits den (männlichen) Zeitgenossen suspekt. Man sah darin weiblichen Subjektivismus, übertriebenen Individualismus und partikularistische Tendenzen - ein Urteil, das auch von Historikern des 20. Jahrhunderts noch gerne übernommen wurde (Meiwes, 87). Richtig ist, dass sich die Neugründungen in dem für das 19. Jahrhundert charakteristischen Kontext einer zunehmenden Individualisierung abspielten und hier offensichtlich für Frauen attraktive Möglichkeiten boten. Die Quellen belegen, dass der Eintritt in eine Kongregation keineswegs eine "Notlösung" für Frauen war, die auf dem Heiratsmarkt leer ausgingen, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten, bewussten Entscheidung. Voraussetzung für den Eintritt in eine Kongregation war denn auch weniger, dass die Frauen, die vor allem aus dem Bürgertum oder aus gut situierten Handwerker- oder Bauernfamilien kamen, eine entsprechende Mitgift mitbrachten, als vielmehr, dass sie über berufliche Qualifikationen verfügten bzw. in der Lage waren, sich solche zu erwerben. Im Tagesablauf standen Arbeit und Beruf im Vordergrund; die Religionsausübung gehörte selbstverständlich dazu, doch ihr waren faktisch nur wenige Stunden gewidmet, wesentlich weniger, als es in Orden sonst üblich war. Die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaften beschreibt Meiwes als ein "Geflecht egalitärer wie hierarchischer Beziehungen" (Meiwes, 144): Grundsätzlich waren alle Schwestern "gleich", was sich etwa in der gleichen Kleidung und im geregelten Ablauf des Alltags äußerte, faktisch gab es jedoch deutliche Unterschiede, je nachdem welche Arbeit die Schwestern konkret ausübten und welche Funktion sie innerhalb der Gemeinschaft einnahmen. Als Arbeitsfelder boten sich ihnen verschiedene Möglichkeiten an: Im Vordergrund stand die Krankenpflege, die durch die Kongregationen im 19. Jahrhundert erst in ihrer modernen Form maßgeblich geprägt und institutionalisiert wurde, außerdem betätigten sich die Frauen im Bereich der Elementarbildung (höhere Mädchenbildung war und blieb die Domäne der traditionellen Orden) sowie in speziellen sozial-karitativen Einrichtungen (z. B. für Behinderte, Waisen, Kleinkinder, alleinstehende Mütter). Das weit verzweigte Netz von schnell entstehenden Tochterniederlassungen musste organisiert werden, umfangreiche Baumaßnahmen wurden in die Wege geleitet, und das "Unternehmen Kongregation" musste wirtschaftlich auf eine sichere Basis gestellt werden. Darüber hinaus erforderte das Management der Gemeinschaften, dass die Frauen intern auf unterschiedlichen Ebenen Führungsaufgaben übernahmen. Insgesamt boten sich den Mitgliedern der Frauenkongregationen vielfältige berufliche Möglichkeiten und damit "Handlungsräume [...], die ihnen in der bürgerlichen Gesellschaft nicht zur Verfügung standen" (Meiwes, 19). Der Preis dafür - die Verpflichtung zu einem sexuell enthaltsamen Leben und die gehorsame Unterordnung unter eine Oberin - wurde von den Frauen akzeptiert, vielleicht weil er, verglichen mit den Zwängen des Ehelebens, nicht als allzu hoch empfunden wurde.

Meiwes' Analyse des Arbeitslebens und der beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen ist überzeugend und zeigt eine bislang zwar bekannte, aber wissenschaftlich noch kaum untersuchte Dimension der Anfänge moderner weiblicher Berufstätigkeit. Weniger plausibel sind m. E. ihre Ausführung zum religiösen Leben der Frauen. Verglichen mit den beruflichen Aktivitäten der Frauen gehörten Religiosität und bestimmte Frömmigkeitspraktiken zwar zum Kongregationsleben dazu, standen aber ganz offensichtlich im Hintergrund. Meiwes vertritt die These, dass nicht die Anerkennung durch die Welt, sondern die transzendente Orientierung und das Streben nach christlicher Vollkommenheit für die Frauen handlungsleitend war (Meiwes, 20), doch hier wäre genauer zu fragen, ob die von Meiwes herangezogenen Quellen darüber tatsächlich Auskunft geben. Das Ideal der "Selbstheiligung" wurde den Frauen zwar in den Konstitutionen und Lebensregeln der Gemeinschaften als höchstes Ziel vorgestellt, daraus lässt sich jedoch nicht zwangsläufig schließen, dass dies auch den Prioritäten ihrer Lebenswirklichkeit entsprach. Die Zugehörigkeit zu einer Kongregation war eben auch etwas, das im bürgerlichen Umfeld Prestige einbrachte. Meiwes thematisiert und bejaht zudem sehr deutlich die These von der "Feminisierung der Religion" 2: die weiblichen Kongregationsmitglieder, so Meiwes, "drückten den Frömmigkeitspraktiken einen weiblichen Stempel auf" (Meiwes, 243). Doch was ist an der von Meiwes als Beleg angeführten Marienverehrung und Herz-Jesu-Frömmigkeit spezifisch "weiblich"? Handelt es sich hier nicht ebenso wie bei den Exerzitien, die die Frauen durchführten, und den religiösen Traktaten, die die Frauen lasen und in Umlauf brachten, um Frömmigkeitsformen, die bei geistlichen Gemeinschaften allgemein üblich waren? Hier müsste die Spiritualität männlicher Kleriker oder Ordensangehöriger genauer zum Vergleich herangezogen werden. Richtig ist allerdings, dass die Frauen der Kongregationen "Religionsvermittlerinnen" waren (ebd.). Sie vertraten mit und neben den männlichen Geistlichen die katholische Kirche in der Öffentlichkeit und waren wesentlich an der Konstituierung des "katholischen Milieus" beteiligt. Als "Arbeiterinnen des Herrn" - so eine Selbstbezeichnung der Frauen - verfolgten sie ihr "hochkonservatives Vorhaben" (Meiwes, 249), nämlich die am römischen Papsttum ("ultra montes") orientierte Rekatholisierung der Gesellschaft. Sie waren dabei zumindest insoweit erfolgreich, als sich der Katholizismus allen säkularisierenden Tendenzen zum Trotz als einflussreicher Machtfaktor etablieren konnte und sich unter Papst Pius IX. mit der Dogmatisierung von Unfehlbarkeit und Primat des Papstes auf dem 1. Vatikanischen Konzil (1869/70) tatsächlich der Ultramontanismus durchsetzte.

Angela Berlis befasst sich in ihrer Untersuchung mit der Gegenseite: mit jener liberalen katholischen Minderheit in Deutschland, die sich mit aller Kraft gerade gegen jegliche ultramontanen Tendenzen innerhalb der katholischen Kirche wandte. Da diese Katholiken die Beschlüsse des 1. Vatikanischen Konzils nicht anerkannten, wurden sie als Schismatiker aus der (römisch-) katholischen Kirche ausgeschlossen. Als "altkatholische Kirche" bilden sie seither eine eigene christliche Religionsgemeinschaft, der in Deutschland heute 25000 Mitglieder angehören. Thema der Studie von Berlis ist der Anteil von Frauen am Entstehungsprozess der altkatholischen Kirche. Sie holt dabei weit aus und beschreibt im ersten Drittel ihres umfangreichen Buches allgemein "Anliegen und Entwicklung des Altkatholizismus" in den Jahren 1870-1873 (Berlis, 25-232). Dieser mit 200 Seiten allzu ausführlicher Überblick über die Anfänge des Altkatholizismus läßt sich allenfalls mit dem Hinweis auf die fehlende neuere Forschungsliteratur zu diesem Thema rechtfertigen. Die Großkapitel II und III sind dann der eigentlichen Frage nach den Frauen gewidmet. Berlis analysiert dabei zunächst die Gründe für die Ausgrenzung von Frauen auf den die altkatholische Kirche konstituierenden Kongressen Anfang der 1870er Jahre, erläutert ihre rechtliche Stellung in der synodal (und nicht hierarchisch) konzipierten altkatholischen Kirchenordnung, setzt diesen rechtlichen Status ins Verhältnis zur Praxis in den Gemeinden und geht den von den Altkatholiken der ersten Stunde kolportierten Frauenbildern und Klischees nach (Kap. II, 233-370). Während hier die Sicht der Männer auf die Frauen und ihr Urteil über sie im Vordergrund stehen, rückt in Kapitel III die Perspektive und das Engagement der Frauen selbst in den Mittelpunkt. Ausführlich beschreibt Berlis das "Kreuzeskränzchen" in Bonn, ein in den Jahren 1850-56 bestehender geistlicher Freundeskreis, und die daraus erwachsene Erziehungsanstalt von Wilhelmine Ritter als wesentlich von Frauen geprägte Keimzellen der altkatholischen Bewegung (371-623).

Berlis' Untersuchung ist mehr als eine auf ein spezielles Thema zugeschnittene Dissertation. Die 700 Seiten umfassende Arbeit ist ein Handbuch und Nachschlagewerk geworden, für jeden, der sich mit der Frühgeschichte des Altkatholizismus befassen will. Der umfangreiche Anmerkungsapparat bietet ausführliche Quellen- und Literaturangaben, zahlreiche Details, lange (bislang unbekannte) Quellenzitate sowie Kurzbiographien zu allen genannten Persönlichkeiten, die sich über das Register erschließen lassen. Künftige Untersuchungen - Berlis selbst nennt einige noch zu bearbeitenden Forschungsfelder - können hier auf einer soliden Basis aufbauen. Berlis' Bemühen, immer wieder durch Einleitungen, Hinführungen und Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel, Unterkapitel und Abschnitte ihr umfangreiches Projekt zu strukturieren und durchsichtiger zu machen, bringt allerdings Redundanzen mit sich, die ebenso wie die weit ausholenden methodischen Erörterungen vielleicht für Leser ohne jede sozial- und geschlechtergeschichtliche Vorkenntnisse (gibt es diese?) hilfreich sind, die das Lesevergnügen aber stark beeinträchtigen. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Ebenso wie Meiwes überprüft Berlis an ihren Quellen die These von der "Feminisierung der Religion im 19. Jahrhundert". Sie kommt zu dem Schluss, dass diese für die Anfangsphase des Altkatholizismus "nur in differenzierter Weise" zutrifft (Berlis, 631) und sich hier eine deutliche Diskrepanz zwischen Norm und Praxis auftut. Die altkatholische Bewegung, die die römisch-katholische Hierarchie in Frage stellte, Reformen einforderte und dabei besonders auf die Beteiligung von Laien bedacht war, schloss in all ihren offiziellen Unternehmungen Frauen ausdrücklich aus. Frauen waren weder bei den Altkatholikenkongressen (die z. T. als politische Versammlungen galten) zugelassen noch wurden ihnen im Rahmen der Synodal- und Gemeindeordnung irgendwelche Rechte zugestanden. Den Grund für diese Ausgrenzung sieht Berlis im "bürgerlichen Charakter" der Bewegung (Berlis, 631). Die (männlichen) Altkatholiken verstanden sich als gute Staatsbürger, die die Werte und Maßstäbe des Bürgertums internalisiert hatten und damit auch die den Frauen verfassungsrechtlich gesteckten Grenzen (z. B. im Hinblick auf Vereins(nicht)mitgliedschaft und Versammlungs(un)freiheit) akzeptierten. Frauen übernahmen daher in der Anfangsphase weder gemeindeleitende noch andere öffentliche Funktionen. Ungeachtet dessen waren sie bei der Gründung altkatholischer Gemeinden von Anfang an dabei. Seit Mitte der 1870er Jahre, als die Bewegung sich konsolidiert hatte, das öffentliche Interesse abnahm und die Aufbauarbeit nach innen wichtiger wurde, gewannen sie an Einfluss und setzten dabei eigene Akzente, und zwar - und das ist für den Vergleich mit Meiwes interessant - in eine eher konservative Richtung. Sie bildeten damit "ein nicht zu unterschätzendes Gegengewicht" zu den "allzu liberalisierenden" (Berlis, 632) Tendenzen der altkatholischen Männer.

Berlis und Meiwes betrachten die katholischen Frauen des 19. Jahrhunderts aus unterschiedlichen Perspektiven, und auf den ersten Blick scheinen sich die Personen, um die es geht, als Antagonisten gegenüber zu stehen. Waren nicht die hochkonservativen und romtreuen Frauen, die den von Meiwes beschriebenen Kongregationen angehörten, Musterbeispiele für das Klischee von der ultramontanen, bigotten, vom Beichtvater manipulierten Frau, das von den altkatholischen Männern kolportiert wurde und zu dem die altkatholischen Frauen - selbständig, (theologisch) gebildet und zugleich familienorientiert - das Gegenmodell abgeben sollten? Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass die Fronten keineswegs so eindeutig verliefen.

Die von Clara Fey in Aachen gegründete Kongregation ging hervor aus einem Zirkel engagierter katholischer Priester und (männlicher und weiblicher) Laien, die durch Verwandtschaft und Freundschaft miteinander verbunden waren. Ähnliche Kreise, die wie jener in Aachen vor allem karitative und erzieherische Anliegen verfolgten und damit den Beginn des Sozialkatholizismsu markierten (Meiwes, 40), bestanden in anderen Städten; das von Berlis beschriebene Bonner "Kreuzeskränzchen" gehört zur gleichen Gattung. Auffallend sind auch die freundschaftlichen Querverbindungen: Die Konvertitin und Dichterin Luise Hensel war mit Pauline von Mallinckrodt, der Gründerin der "Schwestern der christlichen Liebe", ebenso befreundet (Meiwes, 251) wie mit Apollonia Diepenbrock, die den Bonner Altkatholiken nahestand (Berlis, 425); das Bonner "Kreuzeskränzchen" bezeichnete sie voller Euphorie als einen "blühenden Garten" (Berlis, 396f.). Bemerkenswert ist schließlich die eher konservative, traditionsgebundene Orientierung der meisten altkatholischen Frauen, die damit von der ultramontanen Einstellung ihrer römisch-katholischen Geschlechtsgenossinnen weniger weit entfernt waren, als es der altkatholischen Ideologie entsprochen hätte. Auch andere Muster gleichen sich: Die Altkatholiken prangerten zwar die Bindung römisch-katholischer Frauen an männliche Geistliche an und malten den negativen Einfluss der Beichtväter in schwarzen Farben aus, doch das Bonner "Kreuzeskränzchen" wurzelte ebenfalls in der engen persönlichen und spirituellen Beziehung zwischen einem Priester, Wilhelm Reinkens, und seinen (weiblichen) "geistlichen Kindern", besonders Wilhelmine Ritter. Wilhelmine Ritter fühlte sich im übrigen, wie mehrere andere Frauen aus ihrem Umfeld auch, zu einem gemeinschaftlichen Leben berufen und erwog, in eine Kongregation einzutreten, entschloss sich aber dann zur Gründung ihrer Erziehungsanstalt als "weltlicher" Realisierung ihrer geistlichen Berufung. Umgekehrt ist Amalie von Lasaulx, die seit 1840 Mitglied der Kongregation der Borromäerinnen war, ein Beispiel dafür, daß die Kongregationen keineswegs homogen ultramontan waren, sondern durchaus Raum für liberale und tolerante Gesinnungen ließen. Amalie von Lasaulx machte in Bonn als Leiterin des Johannis-Hospitals Karriere, war spirituelle Leitfigur, aber auch kirchenpolitisch engagiert und genoss in kirchlichen Kreisen ebenso wie im Bonner Bürgertum hohes Ansehen. Als sie sich weigerte, die Beschlüsse des 1. Vatikanischen Konzils anzuerkennen, kam es jedoch zum Bruch; sie wurde ihres Amtes enthoben und versetzt (Berlis, 555-560).

Diesen Parallelen und Querverbindungen müsste noch genauer nachgegangen werden. Sie verweisen auf gemeinsame Wurzeln, die in der katholischen Bewegung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu suchen sind und aus denen erst in den folgenden Generationen - als Katalysator wirkte dabei das 1. Vatikanische Konzil - gegensätzliche Konfessionsparteien erwuchsen. Auf einer anderen Ebene zeigen sie aber auch (wieder einmal), dass durch die geschlechtergeschichtliche Perspektive ein neuer Zugang zu einer Epoche erschlossen und damit ein entlarvender "anderer Blick" möglich wird, der unser Bild von bestimmten historischen Phänomenen und vermeintlich eindeutigen Konstellationen relativieren und gleichzeitig auf eine tragfähigere Basis stellen kann.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa Religion im Kaiserreich. Milieus - Mentalitäten - Krisen, hg. v. Olaf Blaschke u. Frank-Michael Kuhlemann, Gütersloh 1996; Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, hg. v. Wolfgang Schieder, Stuttgart 1993.
2 Vgl. Irmtraud Götz von Olenhusen: Die Feminisierung von Religion und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Forschungsstand und Forschungsperspektiven, in: Frauen unter dem Patriarchat der Kirchen. Katholikinnen und Protestantinnen im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. ders., Stuttgart 1995, 9-21.

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