Cover
Titel
Israelpolitik. German-Israeli Relations, 1949–69


Autor(en)
De Vita, Lorena
Reihe
Key Studies in Diplomacy
Erschienen
Anzahl Seiten
XIII, 237 S.
Preis
£ 80.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joseph Ben Prestel, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

In jüngster Zeit sind mehrere neue Publikationen zur deutsch-israelischen Beziehungsgeschichte erschienen. Neben verschiedenen Zeitschriftenbeiträgen beschäftigen sich nicht weniger als drei seit 2019 veröffentlichte Monographien mit dem Thema.1 Hierzu gehört Lorena De Vitas Buch Israelpolitik. German-Israeli Relations, 1949–69, das auf einer Dissertation an der Aberystwyth University in Wales beruht.

De Vitas Buch hebt sich von anderen Untersuchungen ab, da es die Beziehungen zwischen Israel und den beiden deutschen Staaten in den Blick nimmt, anstatt lediglich auf Westdeutschland zu fokussieren. Der Untersuchungszeitraum wird dabei durch die Gründung der Bundesrepublik und der DDR 1949 sowie den Regierungsantritt der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt 1969 bestimmt. In der sehr knappen Einleitung, die nur acht Seiten umfasst, erklärt die Autorin die zeitliche Eingrenzung mit dem Argument, dass diese zwei Jahrzehnte „einzigartig“ und prägend (S. 5) für die Beziehungen zwischen Israel und den beiden deutschen Staaten gewesen seien. Die Periodisierung spiegelt auch den zentralen Ansatz des Buches wider: Die Untersuchung fußt vor allem auf einer klassischen Diplomatiegeschichte. Alternative Zugänge, die sich etwa aus der Kultur- oder Sozialgeschichte ergeben, treten dagegen in den Hintergrund. So liegt beispielsweise das Ende des Untersuchungszeitraumes quer zur Periodisierung einer Geschichte der Sozialen Bewegungen, bildete sich doch seit 1967 eine neue Solidaritätsbewegung mit Palästinensern in Westdeutschland heraus.

Auch die insgesamt acht Kapitel folgen dem Rhythmus der Diplomatiegeschichte. Das erste Kapitel setzt ein mit frühen Kontakten zwischen jüdischen Vertretern und Repräsentanten der Bundesrepublik, die einen Grundstein für spätere Verhandlungen bildeten, wie dem Treffen zwischen Konrad Adenauer und Nahum Goldmann, dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, 1951 in London. De Vita argumentiert überzeugend, dass sich hier bereits ein Unterschied zwischen den beiden deutschen Staaten abzeichnete, da es zu keinen vergleichbaren Treffen mit der DDR kam. Der Austausch zwischen Israel und der Bundesrepublik mündete schließlich im Luxemburger Abkommen von 1952 über Zahlungen der Bundesrepublik an Israel, dessen Zustandekommen im zweiten Kapitel diskutiert wird. Die Autorin zeigt hier, dass israelische Bemühungen um ein ähnliches Übereinkommen mit der DDR kaum vorankamen. Den Grund dafür sieht De Vita vor allem in der zunehmend anti-israelischen Haltung Moskaus sowie den hohen Reparationszahlungen, welche die DDR an die Sowjetunion leistete.

Arabische Staaten mobilisierten schnell Widerstand gegen das Luxemburger Abkommen. Im dritten Kapitel stellt De Vita detailliert die Opposition gegen die frühen westdeutsch israelischen Beziehungen nach 1952 dar. Sie zeigt dabei, wie stark die diplomatischen Bemühungen durch den Kalten Krieg und die deutsch-deutsche Geschichte geprägt wurden. Besonders die seit 1955 bestehende Hallstein-Doktrin bestimmte den Gestaltungsspielraum der Bundesrepublik: Eine diplomatische Anerkennung Israels drohte aus Sicht der westdeutschen Regierung arabische Staaten zur Anerkennung der DDR zu bewegen, was wiederum zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit diesen Staaten seitens der Bundesrepublik geführt hätte.

Das vierte und das fünfte Kapitel thematisieren die Entwicklungen der späten 1950er-Jahre, wobei insbesondere die Suez-Krise von 1956 in den Blick rückt. De Vita betont die verhalten pro-israelische Haltung der Bunderepublik während der Krise und die Versuche der DDR, die Regierung in Bonn als kriegstreibende Kraft im Nahen Osten darzustellen. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus konnte immer wieder zum bestimmenden Thema der Beziehungen zwischen den drei Staaten werden, wie unter anderem das sechste Kapitel verdeutlicht. Mit dem Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961 befürchtete die Bonner Regierung, dass personelle Kontinuitäten zwischen dem NS-Staat und der Bundesrepublik hervortreten könnten. Die DDR wiederum hoffte, eben jenes Thema für sich nutzen zu können, war doch mit Hans Globke ein Verfasser der antisemitischen Gesetzgebung der NS-Zeit Staatsekretär im Bonner Bundeskanzleramt. De Vita zeigt hier, wie der deutsch-deutsche Konflikt 1961 in Israel zutage trat: Vertreter Westdeutschlands versuchten auf die israelische Seite einzuwirken, damit die Bundesrepublik nicht zum Ziel der Kritik im Prozess wurde, während sich der Ost-Berliner Rechtsanwalt Friedrich Karl Kaul darum bemühte, im Sinne der DDR vor Ort öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten.

Die Kapitel sieben und acht widmen sich den Ereignissen, die schließlich Mitte der 1960er-Jahre zur Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik führten. De Vita beschreibt, wie Waffenlieferungen zwischen den beiden Staaten seit 1957 kontinuierlich ausgebaut wurden und nach einer Phase der Geheimhaltung an die Öffentlichkeit kamen. Ägypten lud daraufhin Ulbricht zu einem offiziellen Staatsbesuch im Februar 1965 ein, wobei es Nasser verstand, die Frage der Anerkennung der DDR auszuklammern. Bonn fror im Gegenzug Wirtschaftshilfen an Ägypten ein und suchte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel, die noch im gleichen Jahr erfolgte. Als Reaktion brachen mehrere arabische Staaten die diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik ab, ohne jedoch die DDR im Gegenzug anzuerkennen. De Vita argumentiert, dass die Ereignisse von 1965 sich im Grunde als eine Krise im deutsch-deutschen Kalten Krieg lesen lassen. Aus ihrer Sicht zementierten wichtige Ereignisse der folgenden Jahre wie der Sechstagekrieg von 1967 lediglich die Grundpositionen, die sich bereits herausgebildet hatten: Während die Bundesrepublik enge Beziehungen zu Israel unterhielt, nahm die DDR eine anti-israelische Haltung ein und versuchte sich als Unterstützer arabischer Staaten zu profilieren. Besonders an dieser Stelle wäre eine explizite Auseinandersetzung mit den Thesen Jeffrey Herfs spannend gewesen, dessen Studie sich mit Einstellungen in beiden deutschen Staaten gegenüber Israel nach 1967 beschäftigt.2

Im Fazit resümiert die Autorin, dass sich die Entstehung dieser ganz unterschiedlichen Beziehungen zu Israel im Zusammenhang des Kalten Krieges erklären lasse. Gleichzeitig sei im Kontakt mit dem jüdischen Staat immer wieder die Frage des Umgangs mit der deutschen Vergangenheit in den Vordergrund getreten, wodurch sich das Erbe des Nationalsozialismus und der Kalte Krieg auf besondere Weise überlagerten. Schließlich, so fügt De Vita hinzu, habe die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz bereits seit den frühen 1950er-Jahren auch zu einer Polarisierung im Nahen Osten entlang der Konfliktlinien des Kalten Krieges beigetragen.

De Vitas Untersuchung ist quellengesättigt und stellt ein eindrückliches Porträt der Dreieckskonstellation zwischen der Bundesrepublik, der DDR und Israel dar. Das Buch zeigt deutlich, wie anschaulich die Beziehungsgeschichte mit Israel erscheint, sobald man beide deutsche Staaten einbezieht, denn die Handlungen der drei Staaten verwiesen häufig aufeinander. Gerade mit Bezug auf die DDR treten dabei auch wichtige Ambivalenzen zutage. Wenngleich De Vita deutlich die Entstehung einer anti-israelischen Position herausarbeitet, wirft sie ebenso ein Licht auf gegenläufige Tendenzen. So beschreibt sie beispielsweise Verbindungen zwischen der israelischen kommunistischen Partei (Maki) und der DDR, etwa im Rahmen des Besuches der Maki-Politikerin Esther Vilenska 1958 in Ost-Berlin (S. 109).

Ein Mangel, den das Buch mit anderen Darstellungen der deutsch-israelischen Beziehungsgeschichte teilt, liegt in der Analyse arabischer Staaten. Wie De Vita hervorhebt, spielte insbesondere Ägypten eine prominente Rolle in den deutsch-israelischen Beziehungen. Obgleich ägyptische Politik somit immer wieder im Zentrum der Untersuchung steht, werden so gut wie keine ägyptischen oder arabischsprachigen Quellen ausgewertet. Die Darstellung arabischer Positionen beruht fast ausschließlich auf deutschen und US-amerikanischen Dokumenten. De Vita zieht zwar etwa arabische Pressestimmen heran, die Fußnoten legen jedoch nahe, dass diese auf der Auswahl und den Übersetzungen des Auswärtigen Amtes beruhen (S. 119, S. 173). Vor diesem Hintergrund lässt sich auch der Hinweis erklären, dass ehemalige Wehrmachtssoldaten, welche in den frühen 1950er-Jahren als Militärberater in Ägypten arbeiteten, dort als „Alemanni“ (S. 48) bekannt gewesen seien. Vermutlich beruht diese Transkription auf einer zeitgenössischen deutsch- oder englischsprachigen Quelle und weist darauf hin, dass die Militärberater als Deutsche bezeichnet wurden.

Die Untersuchung hätte auch von einer stärkeren Einbeziehung der neueren Forschungsliteratur zur ägyptischen und palästinensischen Geschichte sowie der arabisch-deutschen Beziehungsgeschichte profitiert. So fehlen etwa Benjamin Brendels Aufsatz zu Nationalsozialisten in Ägypten und Lutz Maekes Monographie zu den Beziehungen zwischen DDR und PLO.3 Im Buch fallen auch Passagen auf, die nicht den Forschungsstand zur Geschichte des Nahen Ostens abbilden. Die Autorin schreibt beispielsweise von einem Aufstieg der Fatah 1958/59, die in diesen Jahren „begann[,] immer mehr Anhänger zu gewinnen“ (S. 113). Die Fatah wurde jedoch erst 1959 gegründet und nahm vor Mitte der 1960er-Jahre keine entscheidende Rolle innerhalb der palästinensischen Politik ein.4 Angesichts solcher Ungenauigkeiten und dem Fehlen arabischer Quellen kann die These einer zunehmenden Polarisierung im Nahen Osten durch die deutsch-deutsche Systemkonkurrenz nur wenig überzeugen.

Der größte Beitrag des Buches liegt somit im Einbezug der DDR und einer Verflechtungsgeschichte beider deutschen Staaten mit Israel. Dabei erscheint mit Blick auf die existierende Forschungsliteratur nicht alles neu. Doch bietet De Vitas Buch eine wichtige Ergänzung, um zu veranschaulichen, wie eng Entwicklungen im jeweiligen Verhältnis der beiden deutschen Staaten zu Israel aufeinander bezogen waren.

Anmerkungen:
1 Carole Fink, West Germany and Israel. Foreign Relations, Domestic Politics, and the Cold War, 1965–1974, Cambridge 2019; Daniel Marwecki, Germany and Israel. Whitewashing and Statebuilding, London 2020. Siehe auch Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 16 (2019), Heft 3: Israel, Palästina und die deutsche Zeitgeschichte, https://zeithistorische-forschungen.de/3-2019 (19.04.2021).
2 Jeffrey Herf, Unerklärte Kriege mit Israel. Die DDR und die westdeutsche radikale Linke 1967–1989. Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Göttingen 2019. Die Originalausgabe erschien 2016 bei Cambridge University Press.
3 Benjamin Brendel, Experten von Krieg, Hass und Gewalt. Deutsche Nationalsozialisten im Ägypten der 1950er und 1960er Jahre im Blick von AA und CIA, in: Geschichte und Gesellschaft 44 (2018), S. 526–553; Lutz Maeke, DDR und PLO. Die Palästinapolitik des SED-Staates, Berlin 2017.
4 Yezid Sayigh, Armed Struggle and the Search for State. The Palestinian National Movement, 1949–1993, Oxford 1997, S. 95.

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