Title
Theodore Beza and the Quest for Peace in France, 1572-1598.


Author(s)
Manetsch, Scott M.
Series
Studies in Medieval and Reformation Thought 79
Published
Extent
XII + 380 S.
Price
€ 99,00
Cornel A. Zwierlein, Institut für Neuere Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München

Robert M. Kingdon hat mit zwei grundlegenden Monographien die Interdependenz zwischen Genf und dem Mutterland während der französischen Religionskriege für die Zeit zwischen 1555 und 1572 beschrieben, eine Zeit, in der die Schweizer Stadt als "Baumschule" (pépinière) aller französischen reformierten Gemeinden und als Réfuge für so viele Hugenotten fungierte.1 In gewisser Weise stellt Manetschs gründliche Studie die lange fehlende Ergänzung dieser Reihe für die Zeit von der Bartholomäusnacht bis zum Edikt von Nantes dar: Manetsch untersucht die Wahrnehmung der Geschehnisse in Frankreich aus der Genfer hugenottischen Perspektive, v.a. aus der Perspektive des Calvin-Nachfolgers Théodore de Bèze.

Als ungedruckte Hauptquellen benutzt Manetsch einerseits die Korrespondenz des Genfer Reformators der dritten Generation, deren Edition seit 1960 unter der Ägide von Alain Dufour inzwischen bis zum Jahr 1581 vorangeschritten ist (Genève: Droz 2000), andererseits die Registres des Conseils aus dem Genfer Staatsarchiv. Was die Korrespondenz anbelangt, so konnte Manetsch auf die Arbeit Henri Meylans zurückgreifen, der in den 30er und 40er Jahren die Suche nach de Bèze-Briefen in den europäischen Archiven durchgeführt und im Musée historique de la Réformation Transkriptionen niedergelegt hatte.

Seit der ergänzungsbedürftigen Biographie de Bèzes von Geisendorf (1949) hat sich niemand an eine zusammenfassende Studie zu diesem wichtigen Hauptknotenpunkt "Genf / de Bèze" im internationalen calvinistischen Netzwerk herangewagt, vielleicht, weil die Editoren der Korrespondenz hierfür prädestiniert schienen. In seinem straff und doch zugleich mit großer Sympathie für seinen Forschungsgegenstand 2 geschriebenen Buch eröffnet Manetsch so wichtige neue Einblicke auf die französischen Religionskriege aus Genfer Perspektive.

In strikt chronologischer Ordnung fasst er eingangs in Kürze de Bèzes Biographie 1519-1572 zusammen, um dann mit der Bartholomäusnacht und ihren Auswirkungen auf Genf als Ort des Réfuge und als Sammelort für den maßgeblich von de Bèze mitkoordinierten publizistischen und militärischen Widerstand einzusetzen. Bei der hier obligatorischen Darstellung der monarchomachischen Calvinisten behandelt er neben Hotmans "Francogallia" und de Bèzes "De iure magistratuum" als dritten monarchomachischen Triumvir nicht wie üblich die anonyme Schrift "Vindiciae contra tyrannos", sondern den in der Forschung kaum bekannten und noch weniger analysierten 3 Traktat des Lambert Daneau "Ad Petri Carpenterii [...] Petri Fabri responsio" (1575) und zeigt, dass Daneau die Argumente seiner berühmteren Vorgänger viel direkter auf die aktuelle politische Situation anwendet als diese. Für die Zeit 1576-1584 weist Manetsch ein immer stärkeres Bedrohungsgefühl in Genf seit der Bartholomäusnacht nach; während 1560-61 die Hugenotten in ihrer Selbstwahrnehmung euphorisch an die Gesamtreformierung Frankreichs geglaubt hatten, wurde nun, angesichts einer als stark empfundenen Konversionswelle und der erst ab 1577 als ernsthafte Bedrohung wahrgenommenen Jesuiten, die Bestandswahrung des Erreichten zur Parole ("Tege, quod fuit", 139).

Der wohl wichtigste Forschungsbeitrag von Manetschs Studie ist es, die intensive Verbindung zwischen Henri de Navarre (später Henri IV) und de Bèze herausgearbeitet zu haben. Diese Thematik beherrscht mehr oder weniger die Darstellung für die Jahre ab 1585. Bislang unbekannt war, dass de Bèze ab 1585 zu den bezahlten Pensionären de Navarres gehörte, und u.a. deshalb im Gegenzug unter Einsatz seiner großen symbolischen Autorität beim "networking" half, v.a. bei der Werbung bei den protestantischen Fürsten in Deutschland und bei den Schweizer Verbündeten. Misstraute de Bèze noch 1575-1585 dem ihm als unverlässlich und unsittlich bekannten Re-re-Konvertiten als Führer der reformierten Sache, so hielt er im Grunde seit dem Tod des letzten Valois-Thronfolgers François-Hércule, Duc d'Anjou (1584), bis zu seinem eigenen Tod 1605 unverbrüchlich zu Henri de Bourbon. Dieser war mit Anjous Tod zumindest nach Primogenitur-Erbrecht zum nächsten Thronfolger geworden; die für die hugenottische Seite bislang wenig untersuchte, juristisch-polemische Erbfolge-Diskussion zwischen Reformierten (insbes. Hotman) und Ligisten sowie die Konterpolemik gegen die Exkommunikation Henris durch Sixtus V. 1585 beschreibt Manetsch auf S. 150-172.4 Der sich in Geldnöten befindende de Bèze betrachtete sich auch noch nach 1589 als Pensionär des neuen Königs Henri IV; er vertraute dessen konfessioneller Integrität trotz vieler Gerüchte noch bis kurz vor dem berühmten Gang zur Messe in St.Denis (25.7.1593), dabei nach Manetschs Interpretation seiner eigenen überblendenden Glorifizierung Henris erliegend.

Schließlich vertraute de Bèze auch dem katholischen Henri IV weiter und mahnte, ganz im Gegensatz zur Widerstandspolitik der Jahre 1572-1576, die reformierten Kirchen Frankreichs zum Gehorsam gegenüber dem König. In seinem Vertrauen fühlte er sich durch das Edikt von Nantes 1598/99 bestätigt, aus seiner Sicht blieb Henri IV im Herzen ein Protestant, der seine Seele in der Konversion heroisch dem Frieden und Wohl seiner Mitbrüder aufgeopfert hatte, da nur so die Ligisten zu beruhigen waren. Der polemisch-publizistische Kampf richtete sich von Genf aus 1595 ff. nicht gegen den König, sondern gegen die Rekonvertiten in seinem Gefolge, gegen Pierre Victor Palma-Cayet, Jean de Sponde, gegen den Unionisten Jean de Serres. Manetsch beschließt seine Studie mit dem persönlichen Wiedertreffen von Henri IV und de Bèze 1600 in der Nähe von Genf, das den Reformer sehr gerührt haben muss, und auch wieder Anlass zur Bitte um Zahlung ausstehender Pensionsgelder war.

Manetschs Studie ist wichtig gerade für die Jahre ab 1585, denn so gut die Ligue inzwischen für Paris, Rouen, Marseille und andere Städte erforscht ist, so schlecht wusste man eigentlich über die Genfer Aktivitäten in dieser Zeit Bescheid. Vielleicht noch verdienstvoller ist Manetschs Erhellung der Genfer Sicht der Ereignisse nach Henri IVs Re-re-rekonversion 1593: Warum hielten die Protestanten diesmal still, obwohl sie nach einigen Aussagen fanden, dass ihre Position schlechter war als teilweise unter den Valois? - Zu einem Teil wird hier dieses Stillhalten aus de Bèzes stetiger Mahnungs- und Ratarbeit und diese wiederum aus dem nach Frieden sich sehnenden Gedankenhaushalt des übriggebliebenen Greises in Genf erklärt. Mit der Genfer-hugenottischen Perspektive erschließt Manetsch auch den Blick auf die Apostaten-Publizistik ab 1595 neu, insbesondere wird Cayet wiederentdeckt, den seit der Studie Jacques Panniers zur reformierten Gemeinde von Paris (1911) und einem Artikel von Myriam Yardeni (1981) kaum jemand beachtet hat, obwohl er zwischen 1595 und 1610 der Titelanzahl nach der am meisten publizierende Konfessionspolemiker in Frankreich war.5

Bei dem vielen Lob soll ein Hauptkritikpunkt nicht unerwähnt bleiben: Müsste man für die komplexe Interaktionsweise Genf / Frankreich gerade aus der Perspektive de Bèzes heraus nicht die oft trianguläre Interaktion stärker berücksichtigen (Einflussnahme auf Frankreich durch Einfluss von Genf auf Kurpfalz etc.)? - Manetsch hat sich dagegen entschieden, die anderen reformierten Stützpunkte im Netzwerk (England, Niederlande, Emden, Wesel, Heidelberg) tauchen gar nicht oder nur sehr peripher auf. Das scheint zumindest dann verzerrend, wenn der Heereszug unter Fabian von Dohna in der Darstellung fast zu einem Heereszug von de Bèze wird, von Johann Casimir und der Kurpfalz aber kaum die Rede ist (179-183). Hier scheinen mir falsche Gewichtungen vorzuliegen, die aus der Nichtberücksichtigung englischer und deutscher Quellen (Kluckhohns und Bezolds Brief- / Akteneditionen tauchen nicht auf!) herrühren, und die für die Erhellung der kommunikationskoordinierenden, interregional und nicht nur biregional (Frankreich / Genf) operierenden Arbeitsweise de Bèzes unverzichtbar gewesen wären. Dass nicht überall der aktuelle Forschungsstand mitgeführt wird, ist da weniger problematisch. Hingegen hat Manetsch einiges dadurch vergeben, dass das Register sehr unvollständig ist, v.a., was Namensnennungen in den Fußnoten anbelangt. Da er dort aber gerade die ausführlichen Originalzitate aus den ungedruckten Briefen und anderen Quellen führt, entgehen dem Benutzer wichtige Hinweise bei der schnellen Suche.

Insgesamt aber steuert das angenehm lesbare und vorbildlich aufgebaute Buch ein erhebliches Quantum neuer Einsichten zum Verständnis der politisch-konfessionellen Interaktion und zur Publizistik der Zeit bei.

Anmerkungen:
1 Robert M. Kingdon: Geneva and the coming of the Wars of Religion in France, 1555-1563, Genève: Droz 1957; ders.: Geneva and the consolidation of the French Protestant Movement, 1564-1572, Genève: Droz 1967.
2 Manetsch lässt es sich etwa nicht nehmen, französische Verse von de Bèze auch im Englischen versifiziert zu übersetzen, vgl. S. 61, 247 - ob es dann mit dem Reim immer klappt, ist eine andere Frage.
3 Hierbei übersieht Manetsch, wie überhaupt deutschsprachige Literatur, die wichtige Arbeit von Christoph Strohm: Ethik im frühen Calvinismus. Humanistische Einflüsse, philosophische, juristische und theologische Argumentationen sowie mentalitätsgeschichtliche Aspekte am Beispiel des Calvin-Schülers Lambertus Danaeus, Berlin / N.Y. 1996, 353-359.
4 Die ligistische Polemik und Theorie ist bei Baumgartner, Crouzet, zuletzt bei Quin (vgl. die Rezension in dieser Nummer von PERFORM) relativ gut erschlossen.
5 Dies ist auch Manetsch nicht bewusst, der für die Werkbibliographie auf Pannier und die "France protestante" zurückgreift (S. 274); vgl. hingegen: Louis Desgraves, Répertoire des Ouvrages de Controverse entre Catholiques et Protestants en France (1598-1685), 2 Vol., Vol. 1 (1598-1628), Genève: Droz 1984 (Ecole Pratique des Hautes Etudes - IVe Section. Sciences historiques et philologiques. VI. Histoire et Civilisation du Livre, 14).

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