E. Jarnut u.a. (Hgg.): Acta Pacis Westphalicae

Jarnut (+), Elke; Rita Bohlen (Hrsg.): Acta Pacis Westphalicae. Ser. II, Abt. B: Die franzoesischen Korrespondenzen, Band 3, 1. Teil: 1645-1646, 2. Teil: 1646. Muenster 1999 : Aschendorff Verlag, ISBN 3-402-04990-2 LXXXII + 1246 S. € 239,30

Kelch-Rade, Clivia; Anuschka Tischer (Hrsg.): Acta Pacis Westphalicae. Ser. II, Abt. B: Die franzoesischen Korrespondenzen, Band 4: 1646. Muenster 1999 : Aschendorff Verlag, ISBN 3-402-04991-0 LXXI + 975 S. € 158,50

Michael Kaiser, Historisches Seminar, Universitaet Köln

Ganz unbeirrt von der Konjunktur historischer Jubilaeen ist die franzoesische Verhandlungsdelegation auf dem Westfaelischen Friedenskongress noch ein gutes Stueck davon entfernt, den Abschluss des Vertragswerkes bejubeln zu koennen; sie befindet sich immer noch im Jahre 1646 und debattiert (unter anderem) ueber die Elsassproblematik: Dies ist jedenfalls der Stand des Editionsunternehmens der Acta Pacis Westphalicae, was fuer derartige wissenschaftliche Grossprojekte nichts Ungewoehnliches ist. Denn Editionen verlangen vor allem Geduld. So wie sich das Warten bislang immer gelohnt hat, ist dies auch jetzt der Fall. Mit zwei hier vorzustellenden Baenden, von denen einer aus zwei Teilen besteht, kann das Unternehmen die Ernte jahre- und jahrzehntelanger Vorarbeiten mehrerer am Projekt beteiligter Forscher einfahren. Und die Fruehneuzeithistoriker koennen den franzoesischen Gesandten fuer eine weitere Phase der Verhandlungen in Westfalen gleichsam ueber die Schulter schauen.

Die neuerschienenen Baende der franzoesischen Korrespondenzen stellen auf ueber 2.200 Seiten 308 (Bde. 3/1 u. 3/2) und 270 (Bd. 4) Einzelstuecke vor; hinzu kommen weitere acht Dokumente im Anhang von Bd. 3/2, darunter auch die faksimilierte Elsasskarte Specklins, die der franzoesischen Seite zur Orientierung diente. Gemessen daran, dass der Berichtszeitraum sich gerade einmal vom 25. November 1645 bis zum 23. November 1646 erstreckt, ist eine verhaeltnismaessig kleine Zeitspanne durch eine sehr dichte Quellendokumentation erschlossen. Dass dies immer noch eine strenge Auswahl aus dem Gesamtcorpus der einschlaegigen Korrespondenz darstellt, zeigt das Register, das in chronologischer Reihung die edierten und die anderweitig erwaehnten Dokumente auflistet und gleichzeitig einen vorzueglichen Ueberblick ueber den Korrespondenzfluss bietet. Hauptsaechlich sind dies Schreiben, die zwischen den franzoesischen Botschaftern Longueville, d'Avaux und Servien einerseits und Mazarin, dessen Sekretaer Lionne und dem Staatssekretaer Brienne andererseits gewechselt wurden.

Die Edition der Dokumente selbst ist in der lange bewaehrten Art und Weise eingerichtet: Jedes Schriftstueck ist durch Ziffern, durch die der Bezug auf fruehere und spaetere Briefe verdeutlicht wird, nochmals in den speziellen Kontext des Briefverkehrs eingeordnet. Den Absender- und Adressatenangaben sowie der Orts- und Datumszeile folgen reichhaltige archivalische und Drucknachweise, darauf dann ein Regest, das stichwortartig den Inhalt des Dokuments umreisst und gerade fuer die laengeren Einzelstuecke eine unverzichtbare Orientierungshilfe darstellt. Ein kritischer Apparat bietet Lesarten und weitere Details zur Textgestaltung; Fussnoten warten mit inhaltlichen Erlaeuterungen zu den im Text genannten Personen, Ereignissen und Sachverhalten auf. Die Dokumente sind fast immer komplett im Originalwortlaut ediert, lediglich wenige Passagen sind auf Deutsch paraphrasiert, und nur geringe Kuerzungen sind zu konstatieren (wobei allerdings nicht klar ist, welchen Kriterien zufolge an diesen Stellen vom Prinzip einer Edition im Wortlaut abgewichen wird).

Zur weiteren Erschliessung des Textcorpus findet sich am Ende ein Register, das in bekannter Manier die Namen unter vielfaeltigen Stichworten auffaechert und somit punktuell sehr praezise Zugriffe ermoeglicht. Darueber hinaus bieten die Baende selbst sehr gediegene thematische Erschliessungen durch die jeweils vorangestellten Einfuehrungen. Hier ist besonders auf die Einleitung zu Bd. 3 zu verweisen, die Franz Bosbach beigesteuert hat, der als Bearbeiter des Vorgaengerbandes [APW Ser. II Abt. B, Bd. 2, Muenster 1986] dazu bestens praedestiniert gewesen ist. Das Kernstueck seiner Ausfuehrungen mit ueber 30 Seiten (S. XXXVII-LXX) ist die Darstellung der Verhandlungen ueber das Elsass, das fuer die franzoesische Seite als Territorialsatisfaktion gefordert wurde. Welche Antworten auf die in der Forschung lange kontrovers behandelten Fragen moeglich sind (etwa nach der franzoesischen Verhandlungsfuehrung, nach dem Kalkuel bei den terrritorialen Forderungen und dem Kenntnisstand ueber die diffizile herrschaftsrechtliche Situation in den praetendierten Gebieten; dazu kommt noch die Einschaetzung der bayerischen Rolle in diesen Verhandlungen als moeglicher Katalysator zugunsten der franzoesischen Krone und zu Lasten Habsburgs, was Bosbach aber eher relativiert), ist hier so behutsam wie klar dargelegt - eine angesichts der komplexen Materie hoechst dankenswerte Unternehmung.

Die Elsassverhandlungen mit den Kaiserlichen stellen den Schwerpunkt des diplomatischen Geschaefts in dieser Phase dar. Einen Abschluss fanden diese Bemuehungen dann in den sog. Septemberartikeln 1646 (vgl. Bd. 4, S. LIV ff. und S. 449 Anm. 1). Diese Regelung schrieb die (weitgehenden) franzoesischen territorialen Ansprueche zunaechst nur vorlaeufig fest, fand dann aber in dieser Form in das Vertragswerk von 1648 Eingang. Somit stellt dieser Vorgang das bedeutsamste Ereignis in dem hier abgesteckten Verhandlungszeitraum dar. Im Ergebnis weit weniger ergiebig stellten sich die Verhandlungen mit Spanien dar; ein weiteres konstantes Thema in den Korrespondenzen sind die oftmals schwierigen Beziehungen zu den Verbuendeten, den Generalstaaten und Schweden. Vor allem der sich immer deutlicher abzeichnende Ausgleich zwischen den Generalstaaten und Spanien belastete die franzoesische Kongressdiplomatie.

Neben diesen grossen Sujets faellt bei der Lektuere derartiger diplomatischer Korrespondenzen immer wieder auf, wie vielfaeltig der hier zur Sprache kommende Themenkreis ist. Da ist einmal das weite Feld der allenthalben kolportierten Geruechte und Beobachtungen, die wie willkuerlich eingestreute Informationssplitter das Bild dieser Berichte mitpraegen. Nach welchen Wahrnehmungsmustern Informationen als relevant eingestuft und dann berichtet, aber auch entsprechend aufgenommen und weitergetragen wurden, ist jedenfalls eine Frage, die sich angesichts derartiger Quellen rasch stellt. Weiterhin spielen in den Korrespondenzen immer wieder vielfaeltige Ausfuehrungen zu verschiedensten Persoenlichkeiten eine Rolle. Wie man andere Diplomaten einschaetzte, wie diese sich verhielten und von anderen wahrgenommen wurden, laesst neben der eigentlichen politischen Materie deutlich die Praxis der Diplomatie erkennen. Da der Blick der franzoesischen Gesandten auch auf die eigene Verhandlungsdelegation fiel - hier belauerte man sich natuerlich mit grosser Intensitaet wechselseitig - gewinnt man Einblick in die verschiedenen Klientelstrukturen und Netzwerke, im uebrigen ein Erkenntnisinteresse, das Anuschka Tischer, die Mitbearbeiterin von Bd. 4, auch ihrer Dissertation zugrunde gelegt hat. Zeitgleich mit ihr hat Derek Croxton sein Werk zur Friedenspolitik Mazarins praesentiert (vgl. zu beiden: Perform 1 (2000), Nr. 5), so dass das hier edierte Material bereits ersten Untersuchungen zugute gekommen ist. Der Reichtum dieser gewichtigen Quellenedition ist freilich damit keineswegs erschoepft.

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