K. Hagemann u.a. (Hgg.): Landsknechte, Soldatenfrauen, Nationalkrieger

Titel
Landsknechte, Soldatenfrauen und Nationalkrieger. Militär, Krieg und Geschlechterordnung im historischen Wandel


Herausgeber
Hagemann, Karen; Ralf Pröve
Reihe
Geschichte und Geschlechter 26
Erschienen
Frankfurt am Main 1998: Campus Verlag
Anzahl Seiten
368 S.
Preis
€ 39,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stephan Huck, Militärgeschichtliches Forschungsamt

Lange Zeit galten Militär und Krieg in doppelter Hinsicht als Männerdomäne: Sowohl hinsichtlich ihrer Akteure als auch bezüglich ihrer Chronisten. Hieran änderte sich auch im Zuge der unter dem Schlagwort "New Military History" zu subsummierenden Öffnung der Militärgeschichtsschreibung für sozial-, mentalitäts- und wirtschaftsgeschichtliche Fragestellungen wenig. In bewußter Abkehr von den traditionellen politikgeschichtlichen Fragestellungen wiederum wandte sich auch die historische Frauenforschung zunächst anderen Themenbereichen als der Militärgeschichte zu. Erst durch die Ausweitung zur Geschlechtergeschichte begann mit der Betrachtung der Männlichkeit auch die Thematik Militär und Krieg zu interessieren. Wie die Impulse für die "New Military History" kamen auch hierzu die Anstöße aus dem angelsächsischen Raum, über eine Randstellung ist die Geschlechtergeschichte im Rahmen der Militärgeschichte bislang im deutschen Sprachraum jedoch nicht hinausgelangt.

Diese unproduktive Trennung der beiden Forschungsfelder zu überwinden, gemeinsame Möglichkeiten und wechselweise bestehende Bedingtheiten zu untersuchen, war Ziel des am 7. und 8. November 1997 in Berlin vom "Zentrum für Interdisziplinäre Frauenforschung" und dem "Arbeitskreis Militär- und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e.V." gemeinsam veranstalteten Workshops, dessen Tagungsbeiträge nun ergänzt um sieben weitere Beiträge vorliegen.

Die Gliederung des Bandes orientiert sich am Dualismus der Geschlechter: Der erste und zweite Abschnitt des Bandes betrachten das Verhältnis von Männern, respektive Frauen zu Militär und Krieg, während ein dritter sich dem Einfluß von Militär und Krieg auf die Wechselbeziehungen der Geschlechter zueinander widmet.

Der einleitende Forschungsbericht Karen Hagemanns geht detailliert auf die bislang erschienenen Forschungen ein und zeichnet nach, daß das erwähnte Vorurteil, der Militärgeschichte als doppelte Domäne der Männlichkeit, gerade für die Frühe Neuzeit bereits seit Beginn der achtziger Jahre hätte ausgeräumt sein müssen, wurde doch mehrfach die Bedeutung der Frau für das unmittelbare Funktionieren frühneuzeitlicher Armeen herausgestellt und in mehreren Studien bestätigt, da zudem die Abgrenzung der Armee von der übrigen Gesellschaft erst im Werden begriffen war. Erst das 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der allgemeinen Wehrpflicht und ihrer nationalstaatlichen Legitimation begann, "das Militär [...] als 'frauenfreien' Raum zu konstituieren." (S.24). Allerdings konnten auch diese Massenheere nicht gänzlich auf Frauen, etwa in den Lazaretten zur Verwundetenversorgung, verzichten. Ein Betätigungsfeld, in dem Frauen gerade im Krieg trotz der nun vollzogenen deutlichen Trennung zwischen "Männer-" und "Frauengesellschaft" an gesellschaftlichem Handlungsspielraum und damit Einfluß gewannen.

Den anschließenden Abschnitt, dem Verhältnis von Militär und Männlichkeit gewidmet, eröffnet eine Untersuchung Matthias Roggs über die Konstruktion von Männlichkeit im Soldatenbild des 16. Jahrhunderts. Da es sich bei den untersuchten Bilddarstellungen um frühneuzeitliche Massenware handelte, deren Käuferschicht im städtischen Bürgertum angesiedelt war, transportieren sie weniger die Lebenswirklichkeit der Söldner, als vielmehr die Vorstellungen, die die bürgerliche Käuferschicht mit dem Söldnertum verknüpfte. Auffällig häufig dienten die Abbildungen als Medien der Darstellung physischer Kraft und sexueller Potenz. Ein Bild, das durch Waffentragen, auffällige Kleidung, scheinbare Ungebundenheit, das Bereisen fremder Länder, und die Aussicht auf wirtschaftlichen Zugewinn durch Beute gefördert wurde. Diese Vorstellungen spiegeln sich auch in den Bilddarstellungen des Söldners als Herzensbrecher wieder, die häufig auf kleinformatigen Darstellungen abgebildet wurden. Daß die Wahl des Formats allerdings erfolgte, "um den intimen Charakter zu unterstreichen" scheint weniger wahrscheinlich, als daß es Resultat des Massencharakters dieser Produkte waren. Die im weiteren untersuchten Darstellungen der Partnerschaften in den Armeen der Frühen Neuzeit hingegen, die über diesen Abschnitt des Buches hinausweisen und bereits im dritten Abschnitt zu vermittelnde Ergebnisse vorwegnehmen, zeigen ein anderes Bild als das des sorglosen Söldnerlebens. Sie transportieren ein klassisches Rollenverständnis, in dem die Frau die "Last der alltäglichen Reproduktion zu tragen hatte" (S.62) und zeugen verschiedentlich auch von den "Härte[n] und Entbehrunge[n] des Lebens im Troß" (S.66).

Karen Hagemann widmet sich der Betrachtung von Flugblättern und Flugschriften aus der Zeit der Befreiungskriege, um die Bedeutung von Männlichkeitsbildern im Zuge der Mobilisierung der männlichen Bevölkerung gegen Napoleon zu untersuchen. In diesen fand das bereits aus der Patriotismusdiskussion des ausgehenden 18. Jahrhunderts bekannte Konstrukt des Zusammenhangs von Vaterlandsliebe, Wehrhaftigkeit und Männlichkeit aufgrund der Notwendigkeit, die männliche Bevölkerung zu mobilisieren, erstmals größere Verbreitung. Karen Hagemanns Analyse zeigt auf, daß die Schriften der Befreiungskriege, je nach anzusprechender Klientel, drei Typen des "patriotisch-wehrhaften Mannes" konstruierten: 1.) den "'Staatsbürger' als 'Nationalkrieger'" (S.87), 2.) das "Leitbild des 'teutschen Heldenjünglings'" (S.88), allen voran Theodor Körner und 3.), als am stärksten verbreitete Variante, das "Leitbild des 'Nationalkriegers' als 'Vaterlandsverteidiger'". Hier wurde ein Nationalmythos konstruiert, der zwar noch vage formuliert war, deshalb jedoch aufgrund fehlender Reibungspunkte umso integrativer wirkte. Die deutsche Nation wurde dabei "als Ganzes mit als bürgerlich assoziierten, primär männlich konnotierten Eigenschaften beschrieben", denen allerdings nach innen "weibliche Komplementärtugenden zur Seite gestellt wurden" (S.90).

Die von Hagemann aufgezeigte, in den Befreiungskriegen bereits begonnene Verknüpfung von Männlichkeitskonzeptionen und der durch diese mit der Verpflichtung des Mannes zum Militärdienst legitimierten politischen Partizipation der Männer ist auch Gegenstand der Untersuchung Ralf Pröves über "'Civile' Ordnungsformationen, Staatsbürgerschaft und Männlichkeit im Vormärz", die Aufschluß darüber geben soll, inwieweit es gelang, über diese Ordnungsformationen die vom Militär gewohnten männlichen Vergemeinschaftungen auch in zivile und städtische Lebenswelten zu übertragen. Die Betrachtung der Schilderungen von vier Fahnenweihen zeigt, daß das von Adel und Bildungsbürgertum in den Denkschriften ausgearbeitete Gesellschaftsbild des aktiven, wehrhaften Mannes, dem die passive, häusliche Frau zur Seite stand, durchaus seine Umsetzung im Stadtbürgertum gefunden hatte. Zwar gab es "Reibungsverluste", die auch den Frauen während der Fahnenweihen einen Platz in der Repräsentation der Stadtbürgergesellschaft zubilligten, vom Grundsatz her wurde jedoch die Zugehörigkeit zur Bürgerwehr als Inbegriff von Männlichkeit empfunden. Dies verdeutlicht das demonstrative Tragen von Uniform und Waffe. Weniger geliebt allerdings war der oftmals unbequeme Gardistenalltag. Im Laufe der Zeit suchten die Männer zunehmend, sich diesem zu entziehen und durchbrachen hierzu auch nötigenfalls das klassische dichotome Gesellschaftsbild. Eine Entwicklung, die dazu führte, daß die virile Konnotation der Dienste in der Bürgerwehr allmählich verblaßte.

Die Adaption Theodor Körners unter den Kategorien Kultur, Politik und Geschlecht in der Heldenliteratur des 19. Jahrhunderts thematisiert Rene Schilling. Noch geprägt von den Ressentiments des Bürgertums des 18. Jahrhunderts gegenüber den Kriegen der Landesherrn, beeinflußt durch die seit den 1770er Jahren geführte Patriotismusdiskussion, wurde Körner als Angehöriger der Landwehr vor allem vom liberalen Bürgertum zum für dessen Ziele streitenden "Bürgerhelden" stilisiert. Schilling konstatiert anhand der Biographien Körners sowie der Heldenverehrung von Gefallenen der Befreiungskriege, daß die strikte Trennung von aktiv-männlich gegenüber passiv-weiblich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch nicht festgefügt und der Diskussion entzogen war, vielmehr sei dem "Heldentum ein inklusives geschlechterübergreifendes Moment zu eigen" (S.128) gewesen, wie das Beispiel der in Männerkleidern gefallenen als Heldin verehrten Eleonore Prochaska zeige. Anhand der zu Körners 100. Geburtstag im Jahr 1891 erschienenen Literatur zeigt Schilling eine im Kaiserreich gewandelte Sicht und Instrumentalisierung des Dichters auf. Im Vordergrund stand nicht mehr der "Bürgerheld", vorherrschend war die Betrachtungsweise konservativer und nationalliberaler Kreise, die in Körner, legitimiert durch den "Heldentod" den "Kriegshelden" sah. Auch seine körperlichen Fähigkeiten, deren Betonung in früheren Biographien dazu diente, die Weltgewandheit des Bürgers auch in adeligem Milieu anzudeuten, erfuhr eine Umdeutung und diente nun zur Betonung viriler Qualitäten.

Martin Lengwilers Bestreben ist es, mit der Untersuchung von 88 Hysteriefällen im kaiserlichen Militär vor 1914 einerseits die zeitgenössische medizinische Debatte nachzuzeichnen, andererseits mittels der Analyse der Fälle darin implizierte sozial- und geschlechtergeschichtliche Aspekte zu untersuchen. Er kommt zu dem Schluß, daß sich für die geschlechtergeschichtliche Deutung Elaine Showalters, Hysterie als "Folge eines sozialen Konflikts um geschlechterspezifische Verhaltensmuster" (S.153) zu interpretieren kaum Anhaltspunkte finden lassen. Allerdings haben sehr wohl soziale Konflikte eine Rolle in den betrachteten Hysteriefällen gespielt. Über die implizierte, jedoch nicht näher begründete Annahme, daß die militärischen Ordnungsprinzipien auf einen als männlich konnotierten Verhaltenskodex aufbauen, stelle Männlichkeit in diesen Konflikten eine "zentrale Kategorie" dar. Die geschilderten Fallbeispiele allerdings zeugen von sozialer Überforderung durch die hierarchischen, nicht die geschlechterspezifischen Eigenheiten des militärischen Soziallebens. So ist dieser Aufsatz durchaus geeignet, die Medizinalgeschichte wie auch die Sozialgeschichte des wilhelminischen Militärs zu bereichern, geschlechtergeschichtliche Fragestellungen werden jedoch nur am Rande gestriffen.

Christiane Andersons sich der Methodik historischer Bildbetrachtung bedienender Aufsatz zeichnet Realität und Bild der Frau im Militär des 16. Jahrhunderts nach. Auch sie betont den männlich-bürgerlich geprägten Blickwinkel der Darstellungen von den Söldnerheeren folgenden "Dirnen" und "Metzen". Sie werden als dem Wohlleben und der Wollust ergebene Schönheiten dargestellt. Die soziale und ökonomische Not, die meist zur "Wahl" dieses Lebenswandels geführt haben muß, ist nur selten impliziert und steht in keiner der untersuchten Darstellungen im Mittelpunkt der Bildaussage. Dennoch läßt sich an einzelnen Werken nachvollziehen, daß die Funktion der Frauen im Militär weit über die Befriedigung sexueller Bedürfnisse hinausreichte. Darstellungen von kochenden oder anderweitig ins Lagerleben eingebundenen Frauen verweisen darauf, daß sie für das Funktionieren des Militärs unabdingbar waren.

Die Ausweitung weiblicher Partizipation am öffentlichen Leben ist Gegenstand von Dirk Alexander Reders Untersuchung während der Befreiungskriege gegründeter "patriotischer Frauenvereine". Das Engagement der überwiegend von Frauen aus der Ober- und Mittelschicht getragenen Vereine erstreckte sich zunächst auf die Beschaffung von Ausrüstung, mithin der direkten Unterstützung des Krieges, und das Lazarettwesen, das dem hohen Verwundetenaufkommen der aufeinandertreffenden Massenheere nicht Herr werden konnte, umfaßte später auch die Versorgung Hinterbliebener und Kriegsversehrter. Die Frauen selbst begründeten die Beschränkung ihrer Arbeit auf den unterstützenden und karitativen Sektor mit den tradierten Geschlechterrollen. Nicht zu Unrecht verweist der Autor allerdings in der Einleitung darauf, daß sie zu "einer normierten Sprache und Selbstdarstellung" gezwungen gewesen seien. Inwieweit das Rollenverständnis verinnerlicht worden war, bleibt also offen. De facto verließ ihre Arbeit mit der Ausweitung auf den öffentlichen Sektor den den Frauen überkommenen privaten Bereich, woran sich partiell zeitgenössische Kritik entzündete.

Motivation, Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume kämpfender Frauen in der Revolution 1848/49 sowie den zeitgenössischen Diskurs um diese, das klassische Rollenverständnis durchbrechenden Frauen betrachtet Gabriella Hauch anhand dreier Szenarien: Der spontan die Waffen ergreifenden Frauen aus den Unterschichten, den sichtbar in den bewaffneten Formationen auftretenden Frauen und den unsichtbar in Männerkleidung Beteiligten. Das kämpferische Engagement von Frauen aus den Unterschichten in den Hungerunruhen des Vormärz, das zunächst untersucht wird, erklärt sie gerade aus ihrer tradierten Rolle als Verantwortliche für die Reproduktion, die sie Mangelsituation als erste spüren ließ. In der Ausnahmesituation der Revolution wurde dieses Verhalten zum Teil positiv gedeutet und als Sinnbild von Durchhaltewillen und Kampfbereitschaft, mit deren Hilfe die männliche Bevölkerung ebenfalls zum Kampf aufgefordert werden sollte, postuliert. Andernorts allerdings wurden sie, wie schon im revolutionären Frankreich von 1793, als Ausdruck von Disziplinlosigkeit und Zersetzung, mithin des militärischen Scheiterns der Revolution gesehen. Eine ähnliche ablehnende Deutung von männlicher wie auch weiblicher Seite, selbst aus emanzipatorischen Kreisen, erfuhren die Frauen, die als solche sichtbar zur Waffe griffen. Bedingt durch die Absicht, das eigene Tun zu verbergen, ist die Quellenlage zu Frauen, die ihre geschlechtliche Identität wechselten, um als Männer verkleidet an Kampfhandlungen teilzunehmen, dünn. Weder ihre Motive noch ihre Anzahl wird in diesen greifbar, da nur diejenigen Erwähnung finden, deren wahres Geschlecht sich später aus irgendeinem Grunde offenbarte. Nach der Deutung Gabriella Hauchs ist es jedoch nicht nur als Beleg zur Internalisierung der Geschlechterordnung zu nehmen, sondern diente zugleich zur Einnahme einer "kulturell und sozial anders normierte[n] Rolle" (S.240).

Eingebettet in eine Darstellung der Wohlfahrtsorganisation in der Zeit der Einigungskriege und Reichsgründung untersucht Jean H. Quatärt die Rolle patriotischer Frauenvereine in der staatlichen Wohlfahrtspflege. Die nicht selten von Frauen verfaßten Aufrufe zum Engagement in den patriotischen Frauenvereinen weisen den Frauen im Zuge einer klar umrissenen dichotomen Geschlechterordnung die Rolle der opferfreudig Hilfsbereiten zu, die diese einzunehmen hätten, um vor dem Hintergrund des Krieges ihren nationalen Pflichten nachzukommen. Die Lebenserinnerungen der in diesen Vereinen engagierten adeligen und dem gehobenen Bürgertum angehörenden Frauen zeigen, daß diese Rolle vollständig internalisiert und bereitwillig eingenommen worden war. Quatärt vermag zu zeigen, daß die Ausblendung der Kriegsphasen in der Betrachtung der staatlichen Wohlfahrtspflege zu einer Unterbewertung der Rolle dieser von wohlhabendem Bürgertum und Adel dominierten Vereine gegenüber der Rolle der Reformfeministinnen geführt hat.

Die verschiedenen Beziehungen, in denen Frauen und Männer in der Lagergesellschaft des Dreißigjährigen Krieges zu einander standen, untersucht Bernhard R. Kröner mittels Bildbetrachtungen. Neben der in diesem Band bereits von Rogg und Anderson angemahnten Tatsache, daß oftmals weniger die historische Realität als deren Rezeption durch die männlichen Käuferschichten die Wahl des Motivs beeinflußten, werden die verschiedenen Rollen der Frau in Beziehungen zum Mann während des Krieges deutlich. Allenthalben nehmen sie auf den ersten Blick den passiven Part ein, sei es als still das Leid Duldende oder als bereitwillig der Verführung Erliegende, auf den zweiten Blick zeugen die Darstellungen jedoch von ihrer Notwendigkeit für das Funktionieren der Lagergesellschaft der Heere. Darüber hinaus wird thematisiert, daß diese, von der bisherigen Forschung nur unzureichend beachtet, nicht nur die Söldner und den Troß umfaßte, sondern allerlei sozial Schwache oder Angehörige von Randgruppen anzog und Raum für von der gesellschaftlichen Norm abweichende Paarbeziehungen bot.

Das Ziel Jutta Nowosadtkos ist es, die Entwicklung von Soldatenpartnerschaften und ihrer gesellschaftlichen Rezeption nachzuzeichnen. Gerade im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, als das Militär noch nicht die Wertschätzung der bürgerlichen Gesellschaft genoß, haftete Soldatenpartnerschaften etwas Anrüchiges an. Ging eine Frau eine solche Partnerschaft zeitlich befristet ein, so trug sie allein das Risiko der Folgen, zumal Heiratsbeschränkungen nur eingeschränkt Anlaß zur Hoffnung auf Legalisierung der Beziehung gaben. Der Nutzen einer Beziehung lag für einen Soldaten nicht allein auf der gefühlsmäßigen bzw. sexuellen Ebene, sondern auch auf der materiellen. Da der Sold eines einfachen Soldaten nicht zum Unterhalt der Partnerschaft ausreichte, mußte auch die Frau zum Erwerb mit beitragen, ggf. auch auf unehrliche Weise oder Prostitution, wie dies aus den verwendeten Quellen hervorgeht. Angesichts solcher Aussichten liegt es auf der Hand, daß es vor allem sozial schwache Frauen waren, die bereit waren, eine derartige Beziehung einzugehen, denen die Partnerschaft die Möglichkeit bot, ihre ökonomische Situation zu verbessern.

Vor dem Hintergrund ihres Einsatzes in gemeinsamen Übungen zur Verwundetenversorgung im Krieg und in Friedenseinsätzen untersucht Jakob Vogel Organisation und Abgrenzung der Aufgabenfelder von männlichen und weiblichen Rotkreuzangehörigen am Vorabend des Ersten Weltkriegs und vermag zu zeigen, daß auch hier die Dichotomie der Geschlechterbilder ihre Wirkung zeigte. Sollten die Männer den militärischen Sanitätsdienst beim Rücktransport der Verwundeten von der Front unterstützen, mithin soldatische, also als "männlich" konnotierte Tätigkeit verrichten, war den Frauen im Rahmen der Rollenerwartung "weiblicher Mütterlichkeit" die Pflege in den rückwärtigen Lazaretten zugedacht. Dieses unterschiedliche Rollenverständnis spiegelte sich auch im Auftreten der Organisationen wieder. Demnach wurde von den Angehörigen der männlichen Sanitätskolonnen nicht nur militärisches Auftreten, sondern auch die Beachtung des mit dem soldatischen Männlichkeitsideal verbundenen Tugendkanons erwartet, der sich deutlich von den Erwartungen an die Rotkreuzschwestern unterschied, die sich auf die Erfüllung ihrer weiblich-mütterlichen Rolle richteten.

Die Zusammenfassung Martin Dinges' rundet den Sammelband ab, dem es gelingt, eine Vielzahl von verschiedenen methodischen und inhaltlichen Ansätzen zur Auseinandersetzung mit Geschlechtergeschichte im Rahmen der Militärgeschichte zu präsentieren, ohne daß der inhaltlichen Zusammenhang verloren ginge. Vielmehr gelingt es, eine vom Grundsatz her von sich zum 19. Jahrhundert hin verstärkenden Dichotomisierung der Geschlechterordnung - hier das wehrhaft-männliche, dort das häuslich-weibliche Element - darzustellen, die jedoch nicht frei von Diskontinuitäten ist. Es ist nicht nur eine der Eigenheiten der Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit, daß die Quellenbasis der Beiträge oftmals knapp und vom zumeist bürgerlichen Standpunkt ihrer Autoren geprägt ist, sondern liegt auch daran, daß diese Publikation nicht das Resümee einer lange währenden interdisziplinären Auseinandersetzung darstellt, sondern vielmehr zu dieser erst anregen will. So stellen die in der Zusammenfassung Dinges' formulierten Desiderate auch nicht die Qualität der gesammelten Beiträge in Frage, sondern sind als Anregung zu weiterer Forschungstätigkeit zu verstehen.