G.B. Lanfranchi: Continuity of Empire (?)

Cover
Titel
Continuity of Empire (?). Assyria, Media, Persia


Herausgeber
Lanfranchi, Giovanni B.; Roaf, Michael; Rollinger, Robert
Reihe
History of the Ancient Near East Monographs 5
Erschienen
Padova 2003: Sargon
Anzahl Seiten
XII, 468 S.
Preis
$100.00
ISBN
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Monika Schuol, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Der hier anzuzeigende Band enthält die für die Publikation überarbeiteten Vorträge des internationalen Kongresses "Continuity of Empire: Assyria, Media, Persia" (26.-28. April 2001, Padua) sowie vier zusätzliche Beiträge von Schmitt, Jursa, Henkelman und Stronach. Gegenstand der interdisziplinären Tagung war die Frage nach der Kontinuität der altorientalischen Reiche des ersten vorchristlichen Jahrtausends: Im Zentrum des Interesses stand dabei die Rolle Mediens im Übergang der Vorherrschaft im Vorderen Orient von den Assyrern auf die Achaimeniden. Die besonders intensive Betrachtung Mediens als politische Größe ist nicht neu, sondern knüpft vor allem an mehrere Veröffentlichungen von H. Sancisi-Weerdenburg an, die die Existenz eines "Reiches" der Meder in Frage stellen.1 Inwiefern von einer entwickelten politischen Organisation und Verwaltung Mediens die Rede sein kann, die mit den Reichsbildungen der Assyrer und Achaimeniden vergleichbar ist und die auch ältere Herrschaftspraktiken und verschiedene kulturelle Traditionen übernehmen und weitergeben konnte, wurde auf dem Kongress in Padua diskutiert. Das Fehlen einer eigenen medischen Überlieferung muss die Aufmerksamkeit zwangsläufig auf die assyrischen, babylonischen, altpersischen und griechischen Schriftzeugnisse (also auf die indirekte Überlieferung und Fremdwahrnehmung) sowie auf den archäologischen Befund lenken. Genau diese Quellen, ihre Glaubwürdigkeit und ihre Aussagekraft, sind das Thema der einzelnen Beiträge, deren AutorInnen in der Assyriologie, Semitistik, Vergleichenden Sprachwissenschaft, Vorderasiatischen Archäologie oder in der Alten Geschichte fachlich beheimatet sind. Die Anordnung der Beiträge im Tagungsband entspricht der Reihenfolge der Vorträge des Kongresses.

Einen ersten Überblick über das Quellenmaterial, das im Einzelnen in den folgenden Beiträgen behandelt wird, bieten Liverani („The Rise and Fall of Media“, S. 1-12) und Roaf („The Median Dark Age“, S. 13-22). Liverani übt in der Auswertung der Quellen große Zurückhaltung, schreibt den Medern aber eine gewisse Bedeutung für die Übermittlung altorientalischer Traditionen an die Achaimeniden zu: Weder aus den archäologischen Quellen noch aus den Schriftzeugnissen lasse sich erkennen, ob Medien in der Zeit zwischen 750 und 550 v.Chr. ein zumindest zeitweilig - etwa angesichts außenpolitischer Erfordernisse (Bekämpfung der Assyrer und Fall von Ninive 612) - geeintes Reich (z.B. mit Kyaxares als König) war oder immer eine Stammeskonföderation blieb, deren Oberhaupt keineswegs eine unumschränkte Machtposition hatte. Feststellbar sei, dass die Meder zwar in ständiger Bedrohung durch die Assyrer lebten, aber dennoch insbesondere als Zwischenhändler im assyrischen Fernhandel mit Zentralasien von dieser Nachbarschaft profitierten. Liverani und Roaf stellen übereinstimmend fest, dass der Zeitraum von 612 bis 550 v.Chr. als "dark age" Mediens gelten kann. Insgesamt gelangt Roaf bei der Durchsicht der Quellen jedoch zu einer ganz anderen Schlussfolgerung, nämlich dass die Meder mit Monumentalbauten, einer Reichsverwaltung und der Ausbildung eines Hoflebens sehr wohl über ein gut durchorganisiertes Staatswesen verfügt hätten. Schmitt („Die Sprache der Meder - eine grosse Unbekannte“, S. 23-36) durchsucht sowohl die keilschriftliche als auch die griechische Überlieferung nach medischen Lehnwörtern, Namen und Ämterbezeichnungen, die Hinweise auf die politische Organisation der Meder geben könnten; er gesteht aber ein, abgesehen von zwei juristischen Termini und dem Satrapen-Titel nicht so recht fündig geworden sein.

Die folgenden vier Beiträge beschäftigen sich mit den assyrischen Quellen zu Medien. Radner („An Assyrian View on the Medes“, S. 37-64) wertet die Erwähnungen der Meder in neuassyrischen Inschriften aus: Kennzeichnend für die medisch-assyrischen Beziehungen seien die Eroberungszüge der Assyrer in medisches Gebiet und die Betätigung der Meder als Händler, während deren kulturelle Identität (etwa die Religion) im Dunkeln bleibe. Greco („Zagros Pastoralism and Assyrian Imperial Expansion: A Methodological Approach“, S. 65-78) zeigt die - überwiegend positiven - Auswirkungen der assyrischen Expansion auf die Entwicklung von Transhumanz und Pastoralismus im Zagros. Die Folgen der assyrischen Machtausdehnung in das Zagros-Gebiet für die lokalen Eliten, die in die assyrische Provinzialverwaltung integriert werden, arbeitet Lanfranchi („The Assyrian Expansion in the Zagros and the Local Ruling Elites“, S. 79-118) heraus. In einem zweiten Beitrag stellt Radner („A Median Sanctuary at Bit Ištar“, S. 119-130) eine Bronzeplakette aus der Region von Hamadan vor, die sie mit dem medischen Herrscher von Bit Ištar in Verbindung bringt und in den Zeitraum zwischen ca. 835 und 739 v.Chr. datiert.

Fales („Evidence for West-East Contacts in the VIIIth Century BC: The Bukan-Stele“, S. 131-147) behandelt die aramäische Inschrift auf der Bukan-Stele und ihre Hinweise auf politische und kulturelle Kontakte zwischen dem westlichen Iran und Nordsyrien. Die nächsten drei Beiträge wenden sich Mesopotamien zu: Reade („Why did the Medes invade Assyria?“, S. 149-156) stellt als Motiv der medischen Invasion in Assyrien die alte Feindschaft fest: Ein Interesse am assyrischen Kernland hätten die Meder jedoch nicht gezeigt; vielmehr hätten sie die Westexpansion bis in den Osten Anatoliens (Urartu) vorangetrieben. Die politischen Verhältnisse des assyrischen Kernlandes in der Zeit von 612 bis 539 v.Chr. arbeitet Curtis („The Assyrian Heartland in the Period 612-539 BC“, S. 157-167) anhand des archäologischen Befundes in den wichtigsten assyrischen Städten (z.B. Ninive, Nimrud, Chorsabad, Assur) und der Keilschrifttexte heraus. Jursa („Observations on the Problem of the Median "Empire" on the Bais of Babylonian Sources“, S. 169-179) stellt fest, dass die Meder und Medien in der neubabylonischen Überlieferung nur sehr schwach bezeugt seien und diese Quellen keinerlei Anhaltspunkte für die Funktion der Meder als Vermittler assyrischer Herrschafts- und Verwaltungspraxis an die Achaimeniden bieten würden.

Die Rolle von Elam in der Reichsbildung der Achaimeniden und das Problem der Kontakte zwischen Elam und Medien diskutiert Henkelman anhand einiger "Elamo-Iranica" („Persians, Medes and Elamites: Acculturation in the Neo-Elamite Period“, S. 181-231). Die folgenden vier Beiträge haben die neuere archäologische Forschung im heutigen Iran zum Gegenstand: Stronach („Independent Media: Archaeological Notes from the Homeland“, S. 233-248) berichtet vor allem über die Ausgrabungstätigkeit im medischen Kernland (Hamadan, Godin Tepe, Nush-i Jan, Tepe Ozbaki), um dessen Ausdehnung abzustecken, aber auch anhand des archäologischen Befundes (Architektur, Keramik) eine kulturelle Identität der Meder heraus zu arbeiten. Gopnik („The Ceramics from Godin II in the Late 7th to early 5th Centuries BC“, S. 249-267) weist für das 7. und 6. Jahrhundert im Zentral- und Südwestiran zwei Zentren der Keramikproduktion und -verbreitung nach, nämlich den elamischen Einflussbereich und das neu entstandene medische Staatswesen, ohne dabei unmittelbare Auswirkungen der Eroberung Mediens durch Kyros 550 v.Chr. auf die materielle Kultur des medischen Kernlandes festzustellen.

Über die archäologische Arbeit in den nördlichen Stadtbezirken von Hamadan (Tepe Ekbatana), der Hauptstadt der medischen Könige und Sommerresidenz der Achaimeniden, berichtet Sarraf („Archaeological Excavations in Tepe Ekbatana [Hamadan] by the Iranian Archaeological Mission between 1983 and 1999“, S. 269-279): Planmäßig angelegte Regierungsviertel, eine neun Meter dicke Umfassungsmauer von zehn Metern Höhe und mächtige, zur Stadtbefestigung gehörige Türme versteht er als Hinweise auf die besondere Bedeutung dieses Ortes; die architektonischen Überreste könnten jedoch nicht mit dem medischen Ekbatana identifiziert werden, da genau datierbare Funde bislang fehlten. Mit der Frage nach der Ausstrahlung medischer und achaimenidischer Kultur beschäftigt sich Kroll („Medes and Persians in Transcaucasia? Archaeological Horizons in North-western Iran and Transcaucasia“, S. 281-287): Zweifelsfrei nachweisbar für den Nordwestiran und Transkaukasien sei achaimenidischer Einfluss in der Architektur, Metallverarbeitung und in der Keramik; nicht zu bestimmen wäre hingegen die Identität der Eroberer des Königreiches Urartu, die vielleicht medischer Herkunft seien, möglicherweise aber auch den Kimmeriern oder Skythen zugerechnet werden müssten.2

Die letzten sechs Beiträge des Tagungsbandes kreisen um die Darstellung der Meder und Mediens in der späteren Überlieferung. Rollinger („The Western Expansion of the Median "Empire": A Re-examination“, S. 289-319) untersucht auf der Grundlage der mesopotamischen und griechischen Quellen sowie der archäologischen Zeugnisse die Westausdehnung des "Mederreiches" und stellt dabei fest, dass der Halys als Grenze zwischen medischer und lydischer Einflusssphäre ein sehr viel späteres Konstrukt sei. In seinem zweiten Beitrag („Kerkenes Dag and the Median "Empire"“, S. 321-326) setzt sich Rollinger mit Summers' Hypothese auseinander, dass die Bergfestung vom Kerkenes Dag in Zentralanatolien mit Herodots Pteria (Hdt. 1,72) gleichzusetzen und eine medische Gründung sei; die 2003 auf dem Kerkenes Dag gefundenen phrygischen Inschriften sprechen eher für die von Rollinger mit Vorsicht geäußerte Vermutung, dass der Ort auch die Gründung einer lokalen politischen Macht, etwa der Phryger oder Lydier, sein könne. Panaino („Herodotus I, 96-101: Deioces' Conquest of Power and the Foundation of Sacred Royality“, S. 327-338) untersucht Herodots Erzählung vom Aufstieg und der Königsherrschaft des Deiokes vor dem Hintergrund orientalischer und griechischer Herrschaftskonzeptionen. Parpola („Sakas, India, Gobryas, and the Median Royal Court: Xenophon's Cyropaedia through the Eyes of an Assyriologist“, S. 339-350) wertet die Informationen in Xenophons Anabasis über den medischen Königshof aus und zieht vergleichend auch die Keilschrifttexte heran, um die Frage nach den Quellen Xenophons und der Fortführung einer älteren einheimischen Tradition zu beantworten. Das Bild Mediens in den Werken Xenophons untersucht auch Tuplin („Xenophon in Media“, S. 351-389). Wiesehöfer („The Medes and the Idea of the Succession of Empires in Antiquity“, S. 391-396) beschäftigt sich mit der Vorstellung von der Weltgeschichte als eine Abfolge der Großreiche vor allem bei Herodot und Ktesias, im Daniel-Buch sowie bei Velleius Paterculus und arbeitet dabei die Bedeutung Mediens heraus, die in der späteren Überlieferung mit der Erweiterung der sich ablösenden Reiche von drei auf fünf immer geringer veranschlagt wird.

In ihrem Schlusswort (Afterword, S. 397-406) skizzieren die Herausgeber dieses Bandes unter Berücksichtigung der Tagung in Padua den aktuellen Stand der Forschung über die Existenz eines "Reiches" der Meder: Sie stellen fest, dass ein Konsens in dieser Frage zwar nicht erreicht werden konnte, dass aber eine erneute kritische Durchsicht der Quellen und die Auswertung der neueren Forschung zu neuen Interpretationen anregte; auch sei noch einmal deutlich vor Augen geführt worden, wie ungünstig sich die Quellenlage darstelle und sich demzufolge die Funktion Mediens als Bindeglied zwischen Assyrien und Persien schwer bestimmen lasse. Ein Literaturverzeichnis (S. 407-448) schlüsselt die bibliografischen Abkürzungen auf. Indices (S. 449-468) erschließen die Beiträge.

Der vorliegende Tagungsband bietet einen umfassenden Überblick über die neuere Forschung zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedeutung der Meder für den Vorderen Orient, wenngleich die damit verbundenen Fragen nicht vollständig geklärt werden können, wie in vielen Beiträgen und auch von den Herausgebern selbst eingeräumt wird. In neueren Darstellungen der Geschichte des mesopotamischen Raumes liegt der Schwerpunkt bei der Betrachtung der politischen Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des Assyrerreiches eindeutig auf den Reichsbildungen der Chaldäer und Achaimeniden; die Meder werden weder als politische noch als ethnische Größe ausführlicher behandelt.3 Um so mehr sind die Ergebnisse des Kongresses in Padua als zweifellos wichtige Beiträge zur Erforschung der altorientalischen Geschichte, aber auch als wegweisend für die zukünftige Methodendiskussion zu beurteilen.

Anmerkungen:
1 Sancisi-Weerdenburg, H., Was there ever a Median Empire?, in: Sancisi-Weerdenburg, H.; Kuhrt, A. T. (Hgg.), Method and Theory. Proceedings of the London 1985 Achaemenid History Workshop (Achaemenid History III), Istanbul 1988, S. 197-212; Dies., The Orality of Herodotos' Medikos Logos: The Median Empire revisited, in: Sancisi-Weerdenburg, H.; Kuhrt, A. T.; Root, M. C. (Hgg.), Continuity and Change. Proceedings of the last Achaemenid History Workshop, April 6-8, 1990 - Ann Arbor, Michigan (Achaemenid History VIII), Leiden 1994, S. 39-55; Dies., Medes and Persians in Early States?, in: van Bakel, M. A.; Oosten, J. G. (Hgg.), The Dynamics of the Early State Paradigm, Utrecht 1995, S. 87-104. Skeptisch hinsichtlich der Existenz eines "Reiches" der Meder äußert sich z.B. auch Kuhrt, A., The Ancient Near East c. 3000-330 BC, Bd. 2, London 1998, S. 652-658.
2 Zu der Zerstörung des Königreichs Urartu vgl. Rollinger, R., The Median "Empire", the End of Urartu and Cyrus' the Great Campaign in 547 B.C. (Nabonidus Chronicle II 16), in: Proceedings of the 1st International Conference on Ancient Cultural Relations Between Iran and West Asia, Tehran 2004 (in Druck), vorab ins Netz gestellt: <http://www.achemenet.com/ressources/souspresse/annonces/annonces.htm>.
3 Veenhof, K. R., Geschichte des Alten Orients bis zur Zeit Alexanders des Großen (ATD Ergänzungsreihe 1), Göttingen 2001, S. 272, 284; Hrouda, B., Mesopotamien. Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigris, 3. Aufl., München 2002, S. 50-53; Cancik-Kirschbaum, E., Die Assyrer. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, München 2003, S. 96-100; Edzard, D. O., Geschichte Mesopotamiens von den Sumerern bis zu Alexander dem Großen, München 2004, S. 220, 226, 235, 241, 242, 247; van de Mieroop, M., A History of the Ancient Near East, ca. 3000-323 BC (Blackwell History of the Ancient World 1), Oxford 2004, S. 253-258.

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