: Das Auge der Partei. Fotografie und Staatssicherheit. Berlin 2004 : Christoph Links Verlag, ISBN 3-86153-342-1 272 S. € 19,90

Hartewig, Karin; Lüdtke, Alf (Hrsg.): Die DDR im Bild. Zum Gebrauch der Fotografie im anderen deutschen Staat. Göttingen 2004 : Wallstein Verlag, ISBN 3-89244-790-x 238 S. € 32,00

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Philipp Springer, Deutsches Historisches Museum

Dass die Fotogeschichte seit jeher der zeithistorischen Forschung in mehr oder minder großem Abstand hinterher hinkt, ist ein bekanntes und häufig beklagtes Phänomen – auch im Fall der Erforschung der DDR-Geschichte war dies nicht anders. Erst langsam beginnen sich Wissenschaftler der unterschiedlichen Disziplinen mit den fotografischen Hinterlassenschaften des vor mittlerweile 15 Jahren untergegangenen Staates und seiner Bewohner zu beschäftigen. Und wie beispielsweise im Fall der Fotogeschichte des Nationalsozialismus geraten Fotografien zunächst meist nur zufällig in den Blick – um dann recht bald als wichtiges und eigenständiges Forschungsfeld erkannt zu werden.

Alf Lüdtke und Karin Hartewig war die im Mai 2003 in Erfurt veranstaltete Tagung „Die DDR im Bild“ zu verdanken, die nun die Grundlage für den gleichnamigen Sammelband bildet.1 Einen „Beitrag zur interdisziplinären Verankerung einer Bildgeschichte der DDR“ (S. 11) soll der Band nach Aussage der Herausgeberin leisten – gemeint ist damit wohl vor allem der Versuch, mit kleinen Ausschnitten die Möglichkeiten einer fotohistorischen Betrachtung der DDR-Geschichte anzudeuten. Zu einer Gesamtaussage kommt der Band dabei nicht, wie Regina Mönch in ihrer äußerst kritischen Besprechung zu Recht anmerkt.2 Doch wäre dies wohl auch zuviel verlangt von einer Publikation, in der 13 sehr unterschiedlich arbeitende AutorInnen auf knapp 240 Seiten erste Konturen eines mehr oder minder neuen Forschungsfeldes aufzeigen. Zumindest die Textformen, die zwischen Essay und wissenschaftlichem Aufsatz wechseln, hätten allerdings einheitlicher gestaltet werden können.

Thematisch dominiert die Analyse der Fotografie „von oben“ und dabei insbesondere die Inszenierung und die Sicherung der Herrschaft mittels Fotografie. So betrachtet Katharina Klotz die „sozialistische Sichtagitation“ in der frühen DDR, also die Bedeutung von politischen Wandanschlägen und Plakaten für die Herrschaftspropaganda der SED. Im Mittelpunkt des Beitrages steht das „Handschlagsymbol“, das auch in den folgenden Jahrzehnten die Erinnerung an den Gründungsakt der SED wach halten sollte. Ist die Fotografie bei Klotz also eher in ihrer „verarbeiteten“ Form Gegenstand der Betrachtung, untersucht Stefan Schweizer in seinem Aufsatz die bildliche Inszenierung der Idee vom „Neuen Menschen“ in den 1950er-Jahren anhand von Pressefotografien der DDR-Radsportlegende Gustav „Täve“ Schur. Dabei weist Schweizer nach, dass die „offizielle Publizistik der Fotografie als Informationsträger“ (S. 71) misstraute und deshalb häufig auf die Bilder bezogene Texte nutzte, um die beabsichtigte Aussage hervorzuheben. Einen weiteren Ansatz bei der Analyse der „Inszenierungsbilder“ wählt Albrecht Wiesener, der den Wandel der „bildlichen Repräsentation“ der DDR auf der kommunalen Ebene am Beispiel der Stadt Halle nachzeichnet. Wieseners Aufsatz, der sich nur einigen, von ihm exemplarisch ausgewählten Aspekten widmen kann, deutet in besonderer Weise die Möglichkeiten einer stadthistorischen Fotogeschichte an. Hervorzuheben ist schließlich Elena Demkes Analyse der bildlichen Inszenierung der Berliner Mauer. Basierend auf in DDR-Zeitungen und Büchern veröffentlichten Fotos unternimmt sie den Versuch einer typologischen Übersicht der eingesetzten Bildmotive. Als eine der wenigen AutorInnen des Bandes stellt sie darüber hinaus auch die schwierig zu beantwortende Frage nach der Rezeption der Aufnahmen.

Fotografie wurde im Rahmen der Herrschaftssicherung bekanntlich jedoch nicht nur als Mittel propagandistischer Inszenierung, sondern auch als „Werkzeug“ der Überwachung genutzt. Beeindruckende Beispiele liefert Axel Dossmann, der den Blick von Polizei und Staatssicherheit auf die Transitautobahnen und ihre Nutzer untersucht. Überraschender und deshalb besonders eindringlich ist das diktatorische Herrschaftssystem der DDR mit Hilfe eines (fotografischen) Dokuments wohl selten belegt worden, als durch das von Dossmann präsentierte Foto einer unscheinbaren Straßenbrücke, die in einer öden Landschaft eine leere Autobahn quert. „Prospektive Tatortfotografie“ (S. 120) nennt Dossmann diese Methode, Orte zu fotografieren, an denen möglicherweise Fluchtversuche gen Westen hätten gestartet werden können. Als Betrachter meint man geradezu den Wunsch des Stasi-Fotografen zu spüren, die gesamte DDR als potenziellen „feindlichen Handlungsraum“ abzubilden.

Während die meisten AutorInnen von einer an die DDR-Geschichte gerichteten Fragestellung ausgehen und zur Beantwortung Fotografien heranziehen, wählt Petra Clemens den umgekehrten Weg. Ihr Ausgangspunkt ist das erhalten gebliebene Bildarchiv des VEB Forster Tuchfabriken, in dem professionelle und autodidaktische Aufnahmen des Betriebes überliefert sind. Clemens’ akribische Recherche über die Hintergründe der Archivgeschichte und über die Bedeutung der vorgefundenen Fotografien unterstreicht nicht zuletzt die Notwendigkeit der fotohistorischen Forschung abseits der Inszenierung „von oben“.

Die genannten Aufsätze deuten an, wie spannend eine noch zu schreibende Fotogeschichte der verschiedenen (und nicht nur zwei, wie Bernd Lindner in seinem Beitrag meint) „Bilderwelten“ der DDR sein könnte. „Die DDR im Bild“ liefert dazu erste Eindrücke. Die von den Herausgebern beabsichtigte „Verankerung einer Bildgeschichte der DDR“ hätte aber sicherlich durch einen Beitrag verstärkt werden können, der überblicksartig einen Stand der gegenwärtigen Forschung zur DDR-Fotogeschichte und mögliche Perspektiven der weiteren Beschäftigung mit dem Thema dargestellt hätte. Dass in dem Band der Bereich der privaten Fotografie deutlich unterbelichtet ist, stellt ein generelles Defizit der Forschung dar und ist den Herausgebern nicht zum Vorwurf zu machen. Auch in diesem Aspekt folgt somit die Erforschung der DDR-Fotogeschichte der übrigen zeithistorischen Fotogeschichtsschreibung.

Mit „Das Auge der Partei – Fotografie und Staatssicherheit“ hat Karin Hartewig eine weitere Publikation zur DDR-Fotogeschichte vorgelegt. Ausgangspunkt der Arbeit ist der „Bilderberg“ (S. 9), den das Ministerium für Staatssicherheit hinterlassenen hat. 1,3 Millionen Fotos, Negative und Dias, dazu 3.750 Filme befinden sich in den Beständen der „Birthler-Behörde“ – schon allein diese Zahlen weisen auf die zentrale Rolle hin, die die Fotografie im Überwachungsapparat spielte. Hartewig beabsichtigt mit ihrer Publikation eine Vorstellung der unterschiedlichen fotografischen Quellen und der Methoden, mit denen sie von den Mitarbeitern der Staatssicherheit angefertigt wurden.

Im Mittelpunkt der reich bebilderten Arbeit steht der Einsatz der Fotografie bei der Überwachung von Oppositionellen. „Die Fotokamera in der Hand des Tschekisten ist eine wichtige Waffe im Kampf gegen den Feind“ (S. 24), fasste ein Dozent der Juristischen Hochschule des MfS im Jahre 1972 die Bedeutung der Fotografie zusammen. Dementsprechend intensiv beschäftigte sich die Staatssicherheit mit der fotografischen Ausbildung ihrer Mitarbeiter, mit fotografischen Techniken und mit der Archivierung der Fotos. Akribisch beschreibt Hartewig die technischen Modernisierungsbemühungen des MfS, die meist auf dem Einsatz westlicher Fotokameras basierten – ein Prozess, der einen „Wandel von einer konventionellen Kriminaltechnik zur Allzweckwaffe der Geheimpolizei“ (S. 29) darstellte. Exemplarisch thematisiert Hartewig den Einsatz der Fotografie gegen einzelne Oppositionelle wie Robert Havemann oder gegenkulturelle Gruppen. Doch nicht nur um die bekannten, verdeckt angefertigten Fotos geht es hier. Vielmehr nutzte das MfS die Methode der offenen Beobachtungsaufnahmen auch gleichsam als psychologisches Druckmittel – weniger das Produkt des Fotografierens als der Akt des Fotografiertwerdens wurde damit zum Machtinstrument. Ähnlich verhält es sich bei Fotos, die von gescheiterten Republikflüchtlingen angefertigt wurden. Offensichtlich der Demütigung diente beispielsweise das Foto von zwei Menschen, die in einer Garage im Schlauchboot hocken (S. 73).

Schließlich geht es Hartewig aber auch darum, fotografische Dokumente zum Innenleben der Staatssicherheit zu präsentieren. Sie zeigen beispielsweise interne Feiern, bei denen sich die Mitarbeiter als die von ihnen Überwachten kostümiert haben (S. 197), oder die öffentliche Inszenierung von MfS-Chef Erich Mielke. Hier gelangt die Analyse mit ihrer Beschränkung auf Fotos aus dem Bestand der „Birthler-Behörde“ jedoch an ihre Grenzen. Denn ein Großteil der Aufnahmen, die Aussagen über den „Sozialraum MfS“ gestatten würden, dürfte sich wohl in privaten Fotoalben befinden. Die Suche nach solchen Aufnahmen, verbunden mit Interviews der betreffenden ehemaligen MfS-Mitarbeiter, könnte ein ertragreiches Forschungsfeld darstellen.

Ohne Zweifel lenkt Hartewigs Arbeit mit ihrer Thematisierung der Fotografie den Blick auf eine bislang zu wenig beachtete Quelle zur Geschichte des DDR-Herrschaftssystems. Eine Fotogeschichte im engeren Sinne stellt die Untersuchung jedoch – trotz des Untertitels „Fotografie und Staatssicherheit“ – nur bedingt dar. Vielmehr hinterlässt die Lektüre in weiten Teilen den Eindruck, es gehe eher um eine generelle Darstellung des MfS, die sich an den hinterlassenen Fotografien orientiert. So dienen in mehreren Kapiteln die Fotografien fast ausschließlich der Bebilderung, beispielsweise in der Darstellung des Einsatzes der Staatssicherheit gegen „Rowdys“, Punks und Skinheads, bei der Thematisierung der Grenzsicherung und bei der Dokumentation eines geplanten Feierabendheims des MfS. In diesen Fällen liefert die Fotografie als Quelle keine über die schriftlichen Dokumente hinausgehenden Erkenntnisse – jedenfalls in der präsentierten Weise. Insgesamt ermöglicht Hartewigs Arbeit nichtsdestotrotz einen fundierten Einstieg in einen wichtigen Bestand zur DDR-Fotografie – künftige Forschungen und Ausstellungsprojekte werden dankbar darauf zurückgreifen.

Anmerkung:
1 Vgl. hierzu den Tagungsbericht von Jens Hüttmann unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=257. Weitere durch die Tagung angeregte Aufsätze sind veröffentlicht in: SOWI 33,1 (2004).
2 Mönch, Regina, Durch die Agitation der Augen. Zwei Bücher behaupten, die Bildwelt der DDR zu rekonstruieren, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.1.2005, S. 35.

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