M. Berg u.a. (Hgg.): Deutschland und die USA

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Titel
Deutschland und die USA in der Internationalen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Festschrift für Detlef Junker


Herausgeber
Berg, Manfred; Gassert, Philipp
Reihe
Transatlantische Historische Studien 19
Erschienen
Stuttgart 2004: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
598 S.
Preis
€ 54,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Wilfried Loth, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen

Detlef Junker zählt zweifellos zu den tragenden Säulen der deutschen Amerikaforschung – als Autor wie als Wissenschaftsorganisator. Seit seiner Habilitationsschrift über das ökonomische Interesse in der amerikanischen Außenpolitik vom Beginn der Ära Roosevelt bis zum amerikanischen Kriegseintritt Ende 19411 hat er über die Außenpolitik der USA und ihre gesellschaftliche Verankerung publiziert. Als Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Washington (1994 bis 1999) und Herausgeber des auf deutsch wie auf englisch erschienenen zweibändigen Handbuchs „Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges“2 hat er maßgeblich zur Entstehung eines Netzwerks amerikanischer und deutscher Historiker beigetragen, die sich mit den bilateralen Beziehungen der beiden Nationen im 20. Jahrhundert beschäftigen. Schließlich hat er unter Einwerbung beträchtlicher Drittmittel einen Amerika-Schwerpunkt an der Universität Heidelberg aufgebaut, der mit der Curt-Engelhorn-Stiftungsprofessur für Amerikanische Geschichte und dem interdisziplinären Heidelberg Center for American Studies (HCA) unterdessen eine führende Rolle in der deutschen Amerikaforschung beanspruchen kann.

Es ist daher nur folgerichtig, dass Schüler und Kollegen Detlef Junker zu seinem 65. Geburtstag mit einer Festschrift ehren, die vorwiegend Beiträge zur Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen enthält. Nach einem instruktiven Überblick über die politische Emigration deutscher Oppositioneller in die USA im 19. Jahrhundert aus der Feder von Eike Wolgast sind dies sieben Beiträge zu der Zeit vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg und neun Beiträge zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; drei Beiträge sind aktuellen Problemen gewidmet. Hinzu kommen vier Beiträge deutscher Historiker zur amerikanischen Geschichte und – einem weiteren Forschungsschwerpunkt des Jubilars entsprechend – fünf Beiträge zu Theoriefragen der Geschichtswissenschaft.

Vor allem Letztere dürften über den engeren Kreis der Amerika-Historiker hinaus Interesse finden. Gleich einleitend steuert Akira Iriye ein Plädoyer für die Koexistenz von „nationaler Geschichte“, „internationaler Geschichte“ und „globaler Geschichte“ bei. Unter „nationaler Geschichte“ versteht er auch die Geschichte der Außenpolitik und ihrer innenpolitischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Wurzeln, mithin das klassische Feld der Diplomatiegeschichte und seine nationalgeschichtliche Erweiterung. „Internationale Geschichte“ beschäftige sich demgegenüber mit internationalen Beziehungen, Interaktionen auf sozialer, kultureller und intellektueller Ebene über die nationalen Grenzen hinweg und internationalen Phänomenen wie der Weltwirtschaftskrise und dem Jugendprotest der 1960er-Jahre. „Globale Geschichte“ ist für Iriye die Geschichte der Globalisierung, das heißt der zunehmenden weltweiten Vernetzung. Dabei bleibt unklar, von welchem Grad an Vernetzung an es Sinn macht, von „globaler Geschichte“ zu sprechen. Überzeugend ist jedoch das Postulat, dass jeder dieser drei Aspekte eine eigenständige Betrachtung verdient und erst ihre Gesamtsicht ein umfassendes Verständnis der Geschichte jenseits nationaler Grenzen ermöglicht.

Kiran Klaus Patel plädiert demgegenüber dafür, das Feld der „Geschichtswissenschaft jenseits historischer Nabelschau“ (S. 45) nach Studien zur „transnationalen Geschichte“, „internationalen Geschichte“ und „Weltgeschichte“ zu ordnen. Das erscheint mir weniger gelungen – zum einen, weil Phänomene, die „jenseits des Nationalen lieg[en], sich aber auch durch dieses definier[en]“ (S. 46), durchaus als Teil der „internationalen Geschichte“ in der Definition von Iriye verstanden werden können; zum anderen, weil der Begriff der „World History“ inhaltlich doch sehr unbestimmt bleibt. Nicht von ungefähr muss Patel berichten, dass es mit der empirischen Einlösung des Programms von „World History“ in der amerikanischen Geschichtswissenschaft nicht sonderlich weit her ist. Frank Ninkovich glaubt angesichts der aktuellen Globalisierung einen „Verfall alter Paradigmen“ (S. 79) erkennen zu können, einschließlich des zuletzt sehr hoch gehandelten kulturellen Ansatzes in den internationalen Beziehungen: „Jeder Versuch des Verstehens von Globalisierung erfordert Erklärungen in einer Art, die kein einzelnes existierendes Paradigma, kein Entwurf oder Ansatz bereitstellen kann.“ (S. 77) Umso notwendiger wird es sein, da kann man Ninkovich nur zustimmen, den konzeptionellen Pluralismus innerlich zu akzeptieren und den Dialog der unterschiedlichen Ansätze nicht zu verweigern.

Unter den Beiträgen zur amerikanischen Außenpolitik und zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen verdienen zwei besondere Beachtung: Knud Krakau macht in einer Analyse des Gewaltdiskurses in der amerikanischen Außenpolitik deutlich, dass die USA dabei sind, das von ihnen selbst mit Völkerbund und UNO entscheidend mit konstruierte System des bellum legale zu zerstören und das lange zurückgedrängte Prinzip des bellum justum zu rekonstruieren. Dabei werden Aspekte materieller internationaler Gerechtigkeit, „die bei einem wirklich modernen Konzept des bellum justum, das an seine Wurzeln anknüpft, wohl zu berücksichtigen wären“ (S. 155), weitgehend vernachlässigt. Angesichts der einzigartigen Weltmachtstellung der einzig verbliebenen Supermacht ist dies ein beängstigender Befund. Andreas W. Daum zeigt in einer ebenso präzisen wie subtilen Studie, wie die Entfaltung charismatischer Autorität durch den damaligen amerikanischen Vizepräsidenten Lyndon B. Johnson, den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy in den Jahren 1961 bis 1963 entscheidend dazu beigetragen hat, Krisen im westlichen Bündnis zu überwinden und darüber die Vergemeinschaftung der Bundesrepublik mit dem Westen substanziell zu verankern. Daum markiert damit eine Prägung der Westdeutschen, die bis heute spürbar ist. Vor ihrem Hintergrund erweist sich die Erschütterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses im Zeichen des Irak-Krieges 2002/03, über die Klaus Larres kurz berichtet, als noch tiefgreifender, als sie wegen der Hinwendung der USA zum Unilateralismus ohnehin schon erscheint.

Während Krakau ein Beispiel für „nationale Geschichte“ im Zeitalter der Globalisierung bietet, stellt die Studie von Daum ein Stück „internationaler Geschichte“ in ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Erweiterung dar. Insgesamt bietet die Festschrift für Detlef Junker nicht nur eine Reihe informativer Beiträge zur Methodendiskussion sowie zur Geschichte und Gegenwart der deutsch-amerikanischen Beziehungen; sie regt auch zum Nachdenken an. Mehr kann man von einer Festschrift nicht erwarten.

Anmerkungen:
1 Junker, Detlef, Der unteilbare Weltmarkt. Das ökonomische Interesse in der Außenpolitik der USA 1933-1941, Stuttgart 1975.
2 Ders. (Hg.), Die USA und Deutschland im Zeitalter des Kalten Krieges: 1945-1990. Ein Handbuch, 2 Bde., Stuttgart 2001 (rezensiert von Michael Lemke: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/ZG-2002-030>); The United States and Germany in the era of the Cold War: 19451990. A handbook, 2 Bde., New York 2004.

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