G. Nisbet: Ancient Greece in film and popular culture

Cover
Titel
Ancient Greece in Film and Popular Culture.


Herausgeber
Nisbet, Gideon
Reihe
greece and rome live
Erschienen
Anzahl Seiten
XIV, 170 S.
Preis
£ 12,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anja Wieber, Dortmund

Vor geraumer Zeit hatte Maria Wyke eine monographische Abhandlung über griechische Geschichte im Film als Desiderat benannt.1 Nachdem durch eine Neubelebung und Weiterentwicklung unterschiedlicher Subgenres des Antikfilms in Kino und Fernsehen neben die dominierenden Themen des monumentalen Rom und des mythischen Griechenland auch noch Verfilmungen zur griechischen Geschichte getreten sind („Alexander“, USA 2004; „300“, USA 2006 und als Parodie „Meet the Spartans“, USA 2008), erfolgt nun eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Themenkomplexes, wie etwa der soeben erschienene Sammelband „Hellas on Screen“ belegt.2 Mit seinem in der rezeptionsgeschichtlich ausgelegten Reihe „greece and rome live“ erschienenen Band widmet sich Gideon Nisbet ebenfalls jenem Forschungsgebiet, allerdings auch unter Einbeziehung des griechischen Mythos. In den drei Hauptkapiteln des Buches behandelt Nisbet die Gründe für die Marginalisierung Griechenlands im Antikfilm, die Dominanz von Herkules als Kinoheld und dessen Einfluss auf andere Filmsujets sowie zuletzt die Alexanderverfilmungen. Dass das Buch essayistisch ohne Anmerkungen geschrieben ist, mag mit der erklärten Zielgruppe dieser Reihe, nämlich den Studierenden und Unterrichtenden, zusammenhängen, erschwert jedoch das Auffinden etlicher interessanter Details. Hilfreich dagegen sind, insbesondere für den Einstieg in die Thematik der Antikfilme und „cultural studies“, ein Glossar mit hauptsächlich filmischem Fachvokabular (S. 141-147), eine Liste mit Lektüre- und Filmempfehlungen (S. 148-156) und ein sehr ausführlicher Index (S. 157-170).

Im ersten Kapitel (S. 4-44) geht Nisbet der Problematik der ‚Unverfilmbarkeit‘ Griechenlands nach. Anhand der Art, wie der Zeitreisefilm „Bill & Ted’s excellent adventure“ (USA 1989) den Schauplatz Athen in langsamen Nahaufnahmen in gedeckten Farben inszeniert, wird deutlich, dass Griechenland im Mainstreamkino das Etikett des Langweiligen und Intellektuellen anhaftet. Die beiden jungen amerikanischen Haupthelden befreien Sokrates daraus und bieten ihm nach einem Zeitsprung wahrhaftiges Actionkino in einem Wagenrennen à la Ben Hur an der Seite von Billy the Kid. Wie sehr am Bilde Roms kanonisierte Sehgewohnheiten, aber auch Festschreibungen des Filmplots nach dem Vorbild der toga plays (im angloamerikanischen Bereich melodramatische Theaterstücke zur Antike) auch Filme über das antike Griechenland prägten, zeigt Nisbet im Folgenden an drei Klassikern des Genres auf. Dem für sein handwerkliches Geschick, seine Unabhängigkeit und publikumswirksame Verfilmungen verschiedenster Genres bekannte Regisseur Roger Corman gelang es bei seinem einzigen Filmprojekt zur griechischen Antike („Atlas“, USA 1960) nicht, ein glaubwürdiges griechisches Ambiente zu schaffen, obwohl er sogar in Griechenland drehte. Neben Budgetkürzungen hatte er wohl gegen das Problem eines fehlenden visuellen Codes für das antike Griechenland zu kämpfen und so kommt es immer wieder zu Anleihen bei Bildern Roms.

Auch der durch seine späteren ‚Spaghettiwestern‘ berühmte Sergio Leone lässt – trotz seiner langjährigen Erfahrung in der Regiearbeit zu Antikfilmen – in „Il Colosso di Rodi“ (I 1961) kein überzeugendes antikes Griechenland entstehen, besonders der rhodische Tyrann Serse (= Xerxes) gerate zu einem zweiten Nero, zudem zitiere die Inszenierung des dem Film namengebenden Weltwunders eine erst seit der Renaissance belegte Ikonographie. Bei der Verfilmung von „Helen of Troy“ (USA 1956) hält Nisbet zwar die sich teilweise auf antike Tragödien stützende Dramatisierung des Geschehens und die Mykenisierung der griechischen Welt und die Minoisierung Trojas für gelungen, moniert aber die fehlende Passung zwischen dem Paar Helena/Paris und der romantischen Liebe à la Hollywood. Seines Erachtens leiden die in vorchristlicher Zeit spielenden griechischen Liebesgeschichten daran, dass ihnen die im klassischen, auf den viktorianischen toga plays basierenden Römerfilm knisternde Spannung zwischen der abweisenden christlichen Heldin und dem heidnischen Helden fehle. Diese Konzeption der Sexualität im Wartestand habe wie die Kontrastierung heidnischer Sittenverwilderung mit christlichem Anstand lange Zeit trotz der strengen Zensur des Hays Codes einen publikumswirksamen Voyeurismus 3 ermöglicht, den die griechischen Filmerzählungen nicht bedienen konnten. Mit Griechenland dagegen assoziiere man amerikanische Elitekultur und viktorianische Vorstellungen von Homosexualität, zudem fehle auch noch ein eindeutiges urbanes und imperiales Erscheinungsbild wie im Falle Roms.

Das zweite Kapitel (S. 45-86) behandelt die im wahrsten Wortsinne bildfüllende Präsenz des Hercules, für dessen römische Benennung sich Nisbet im Folgenden in Anlehnung an die Filmpraxis entscheidet. Bereits in der Antike war Herkules ein äußerst polymorpher Held, wie Nisbet mit dem Verweis auf die alles andere als kohärenten antiken Herkuleserzählungen und die damals auch übliche Dekonstruktion des antiken Helden beweist, hat doch schon auf einem antiken Papyrus (gemeint ist: P. Oxy. 2331) die Zeichnung eines mit einer Statue eines Löwen und nicht einem echten Raubtier ringenden Hercules dessen beigefügten Bericht über seine Heldentat als Aufschneiderei entlarvt. Daran nähere sich das Spiel mit dem falschen Hercules in dem Fernsehfilm „Hercules and the Maze of the Minotaur“ (USA 1995) genauso wie die erzählerischen Inkonsistenzen in der sich anschließenden Fernsehserie („Hercules: The Legendary Journeys”, USA 1995-1999) durchaus an. Auch die Einschreibung der römischen Geschichte in den Erzählzyklus dieser Fernsehserie und ihres Ablegers, der Serie um die amazonenhafte Kämpferin „Xena“ (USA 1995-2001) 4, hält Nisbet für eine Fortführung antiker Mythenaneignung und -variation, wie sie bereits im Altertum – auch zwischen Griechenland und Rom – betrieben wurde. Ganz unterschiedlich wird jedoch in beiden Sendungen mit der Behandlung des homoerotischen Subtextes verfahren, während in „Xena“ damit gespielt wird, bemüht sich die Herculesserie um dessen Ausblendung, wie an der deutlichen Konzeption des Iolaus als Freund und der völligen Unterschlagung des Geliebten Hylas deutlich wird. Während der moderne Herkules im Gegensatz zu seinem Vorläufer in den 1950er-Jahren, der teilweise in das kulturelle Gedächtnis der Italiener eingeschrieben war, keine Anbindung an das moderne Griechenland aufweist, habe gerade die Produktion „Troy“ von Wolfgang Petersen versucht, moderne Ideen vom antiken Griechenland mit dem Muskelmannimage (so in der Besetzung Achills mit Brad Pitts) zu versöhnen, dabei sei jedoch die halbherzige Aussparung der homosexuellen Beziehung zwischen Achilles und Patroklos und die Fokussierung auf die romantische Liebe nicht tragfähig gewesen.

Die Adaptation des antiken Griechenland im modernen Comic wähle dagegen in dieser Frage andere Wege: Während Eric Shanower in seiner Comicversion des Trojanischen Krieges („Age of Bronze“) die homoerotische Beziehung erwähnt, treten die spartanischen Hauptfiguren in Frank Millers Comic „300“ als Vertreter eines heterosexuellen Machismo auf. Unabhängig davon, ob man Nisbets Überlegungen für das Scheitern der Filmprojekte „Gates of fire“ (ein Film zum Thermophylenroman von Steven Pressfield, der immer noch für 2011 angekündigt ist) und „Hannibal“ (hier als nicht-römisches Filmprojekt mit behandelt) teilt, bleibt doch als wichtige Erkenntnis seiner Darstellung die Intertextualität zwischen Kino und Comic ein beachtenswertes Phänomen. So stellt sich die Frage, ob Wolfgang Petersens Entscheidung gegen Götter als Akteure in „Troy“ nicht auch einen Reflex der zur Filmzeit erschienen Teile von „Age of Bronze“ 5 war. Die inzwischen erschienene Verfilmung des Comics „300“ (USA 2007) belegt jedenfalls mit ihrer deutlichen Absage an die Homosexualität Nisbets Beobachtungen, zeigt aber auch, wie verbale Botschaften von Heterosexualität auf der visuellen Ebene in Inszenierungen des männlichen Körpers unterlaufen werden können.6

Das dritte Kapitel (S. 87-135) zeigt, welche Auswirkung die allgemeine Medienpräsenz des Makedonenkönigs, insbesondere seit den 1990er-Jahren, auf dessen Darstellung im Film hat.7 Der Kampf um die Definition des Alexanderbildes, auch in Zusammenhang mit Fragen der griechischen Nationalidentität, hat sich gewissermaßen den Diadochenkämpfen angenähert. Konsequenterweise behandelt Nisbet dann auch nicht nur die Verfilmung Robert Rossens (USA 1956) und Oliver Stones (USA 2004), sondern auch bisher (?) nicht erfolgreich abgeschlossene bzw. gescheiterte Filmproduktionen, nämlich einen TV-Pilotfilm, das Projekt von Baz Luhrmann/Ridley Scott und ein weiteres von Martin Scorsese, schließlich eine Fernsehserie von Mel Gibson sowie eine Verfilmung neugriechischer Provenienz. Zu den eindeutigen Stärken des Films von 1956 gehörten Rossens Arbeit mit den neuen technischen filmgrammatischen Mitteln (etwa Technicolor und Breitwand), insbesondere aber deren Manipulation (etwa der Bruch der 180-Grad-Regel) sowie der Soundtrack. Rossens Alexander vergleicht sich in einem Selbstgespräch mit Achill und fragt sich, wer nun der zweite Hektor sein werde, den er zu töten beabsichtige. Dass nun gerade sein Gegenspieler Dareus mit demselben Schauspieler besetzt wurde, der in der Robert Wise Verfilmung „Helen of Troy“ den Hektor (ebenfalls 1956) gibt, stellt eine interessante Form der ‚Intertextualität‘ dar. Als „tactical casting“ sieht Nisbet die Besetzung der ambivalenten Rolle des Hephaistion mit dem italienischen Schauspieler Ricardo Vallo an: Dadurch, dass die anderen englischen Theatergrößen diesen an die Wand spielten, werde die Figur des Hephaistion genauso ausgegrenzt und negiert wie seine vermeintlich homosexuelle Beziehung zu Alexander. Ingesamt neige Rossen zu einer Prüderie, die sowohl an der Tabuisierung der Homosexualität als auch an der krampfhaften Vermeidung griechischer Nacktheit deutlich werde – der berühmte Diskuswerfer ist etwa mit dem Gesicht zur Wand dargestellt.

Der Pilotfilm einer im Anschluss nicht realisierten Fernsehserie zu „Alexander the Great“ (USA 1964), in der William Shattner, ein Jahr später Captain Kirk der Sciencefiction-Serie „Raumschiff Enterprise“, den König darstellte, hat inzwischen in der Star-Trek-Fangemeinde Kultcharakter. Nisbet sieht jedoch hinter den fast topischen Kitschelementen eine durchaus interessante Darstellung des zerrissenen Makedonenkönigs und entdeckt in dem lange Zeit als verschollen angesehenen Pilotfilm, der keine Nachfolge fand, eine Annäherung zwischen Darstellung und Dargestellten (der König ohne Nachfolger, nach dessen Grab heute noch gefahndet wird), wie sie in der Filmbranche oft genug gewollt inszeniert wird. Welche Rolle Alexanders Männlichkeit im Verständnis des griechischen Nationalcharakters zukommt, beweisen die im Vorfeld der diversen aktuelleren Filmprojekte besonders von heutigen Auslandsgriechen in Internetforen gerade zu erbittert geführten Debatten über die sexuelle Orientierung Alexanders, dessen Darstellung als homosexuell einer Beleidigung der griechischen Nation gleichzukommen scheint. So erklärt Nisbet manche Schwerpunktsetzung in der Stoneverfilmung gerade vor dem Hintergrund der Diskurse über die unvollendeten Filmprojekte, etwa die bei Stone lediglich angedeutete Beziehung Alexanders zu Hephaistion oder die Beruhigung nationalgriechischer Ängste durch die Einbeziehung des bekannten Oxforder Althistorikers und Alexanderbiographen Robin Lane Fox in die Filmarbeiten. Schließlich favorisiere Fox nicht das makedonische Erbe Alexanders und ermögliche so den Auslandsgriechen, sich mit einem griechischen und nicht-slawischen Film-Alexander zu identifizieren – ein Aspekt, der auch bei dem bereits erwähnten neugriechischen Filmprojekt eine Rolle spielte, für das Investoren, insbesondere auslandsgriechische, mit Hinweis auf ihren möglichen Beitrag zum Erhalt des hellenischen Erbes angeworben wurden.

Nisbet hat dieses Buch mit einer offen eingestandenen Parteilichkeit für die verschiedenen Genre der Populär- und Subkultur, fachkundiger Kenntnis des Mediums Films und zugleich altertumswissenschaftlicher Expertise geschrieben und kann deswegen überraschende Verbindungslinien aufzeigen sowie mannigfache Anregungen für die Rezeptionsforschung, aber auch für den unterrichtlichen Einsatz – etwa in Filmseminaren altertumswissenschaftlicher Fakultäten oder dem Lektüreunterricht der alten Sprachen – liefern. Angesichts der von Nisbet verschiedentlich nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen modernen Männlichkeitsdiskursen und den griechischen Filmhelden ließe sich allerdings das Fazit ziehen: „Neue Männer braucht der Antikfilm!“

Anmerkungen:
1 Maria Wyke, Are you not entertained? Classicists and Cinema, International Journal of the Classical Tradition 9 (2003), S. 430-445, hier 436.
2 Irene Berti / Marta Gracía Morcillo (Hrsg.), Hellas on Screen, Stuttgart 2008.
3 Vgl. auch Ulrich Kittstein, Heidnisches Rom und christlicher Glaube in Quo vadis? Zu den Erzählstrategien des Romans von Henryk Sienkiewicz und der Verfilmung von Mervyn LeRoy, in: Martin Lindner (Hrsg.), Drehbuch Geschichte, Münster 2005, S. 86-105.
4 Vgl. dazu Frances Early/ Kathleen Kennedy, Athena’s daughters, New York 2003, besonders Teil 1, S. 13-52.
5 Dazu die Rezension von Karl M. Petruso, <http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2001/2001-09-43.html>.
6 Vgl. <http://www.cinemademerde.com/Essay-300_Made_Spartans_Straight.shtml>.
7 Zu Alexander im Film vgl. auch Ruth Lindner, Mythos Alexander, in: Lindner, Drehbuch, S. 50-66, sowie die Beiträge in „Hellas on Screen“ (S. 147-201): Anja Wieber, Celluloid Alexander(s): A Hero from the Past as Role Model for the Present?; Ivana Petrovic, Plutarch’s and Stone’s Alexander; Angelos Chaniotis, Making Alexander Fit for the Twenty-first Century: Oliver Stone’s Alexander; Wolfgang Kofler, Antike Geschichte und Antikenfilm im Latein-Unterricht: Alexander der Große bei Oliver Stone, Robin Lane Fox und Curtius Rufus, Latein Forum 58 (2006), S. 21-32.

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