Militärische und politische Kreise Belgrads, die mit der britischen Regierung in Verbindung standen, stürzten am 27. März 1941 mit Hilfe massiven Drucks von der Straße die jugoslawische Regierung, die zwei Tage zuvor einen Beistandsvertrag mit dem Deutschen Reich unterzeichnet hatte. Am gleichen Tag gab Reichskanzler Adolf Hitler den Befehl, den Russlandfeldzug zu verschieben und Jugoslawien als „Staatsgebilde“ zu zerschlagen. Am 6. April 1941 begann der Angriff, bereits elf Tage später kapitulierte Jugoslawien und wurde aufgeteilt. Der Norden, das Gebiet des heutigen Slowenien, kam unter italienische, ungarische und deutsche Besatzung. Die Politik aller drei Besatzungsregimes zielte auf die Auslöschung alles Slowenischen. Der östliche Landesteil jenseits des Flusses Mura wurde im Dezember 1941 formalrechtlich Ungarn angeschlossen und gezielt sprachpolitisch magyarisiert. Nach dem Zusammenbruch des italienischen Besatzungsgebietes, der „Provincia di Lubiana“, im September 1943 waren in diesem westlichen Landesteil auf slowenischer Seite etwa 6.000 Tote zu beklagen, 15.000 Personen kamen ins KZ, über 200.000 wurden inhaftiert oder deportiert. Die „Einsatzstelle Südost“ des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS unterzog etwa 73 Prozent der slowenischen Vorkriegsbevölkerung des deutschen Besatzungsgebietes der entwürdigenden Tortur einer „rassischen Musterung“, mehr als in jedem anderen deutschen Besatzungsgebiet. Rund 80.000 Menschen wurden zwangsdeportiert. Das Institut für Zeitgeschichte in Slowenien geht derzeit davon aus, dass von April 1941 bis Mai 1945 insgesamt etwa 40.000 SlowenInnen in Folge des Krieges und der Okkupation gestorben, für immer außer Landes gebracht worden oder geflohen sind.
Gegen die eliminatorische Besatzungspolitik entwickelte sich Widerstand, der nicht nur die Okkupanten, sondern auch die slowenischen Vorkriegseliten bekämpfte. Die von der Kommunistischen Partei Sloweniens (KPS) dominierte „Befreiungsfront“ schloss sich Ende 1942 den Tito-Partisanen an, die im Juni 1944 von den Alliierten offiziell als Vertretung Jugoslawiens anerkannt wurden. Dem Sieg und der Machtübernahme im Mai 1945 folgte eine gnadenlose Abrechnung mit allen, die unter dem Verdacht der Kollaboration standen und die kommunistische Herrschaft nicht anerkennen wollten. Von Mai 1945 bis Februar 1946 haben Partisanen 13.000 bis 18.000 „Kollaborateure“ ohne Prozess umgebracht, über 30.000 SlowenInnen flohen vor der neuen Macht. 1
Der im Süden Sloweniens gelegene Hornwald (Kocevski rog), in dessen Karstschluchten tausende tote und lebende Opfer hinab gestoßen wurden, war bis 1990 Sperrgebiet. Erst seit der Selbstständigkeit Sloweniens beginnt eine zögerliche Thematisierung der traumatischen Vergangenheit. Noch heute ist in den Familien, vor allem auf dem Land, bewusst, wer auf der Seite der Partisanen stand, wer sich der – von den Faschisten unterstützten – „Freiwilligen Antikommunistischen Miliz“ und der „Slowenischen Landeswehr“, den so genannten Domobranci, angeschlossen hatte.
Tamara Griesser-Pecar hat sich als erste der so lange verdrängten Vergangenheit in einer umfangreichen wissenschaftlichen Studie angenommen. Der Anspruch der 1947 in Ljubljana geborenen, in Slowenien, New York, Paris und Wien ausgebildeten Historikerin lautet: „Ein wahrheitsgetreues Bild von Wesen, Zielen und Praxis der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Kräfte jener Zeit“ zu liefern (S. XI). Sie bietet in der Tat eine beachtenswerte Grundlagenforschung für die Auseinandersetzung mit dem jahrzehntealten Tabuthema, das viele Menschen in Slowenien mehr denn je aufwühlt.
Bevor sie zum eigentlichen Thema kommt skizziert Griesser-Pecar die politische Situation in Jugoslawien bzw. in der slowenischsprachigen Draubanschaft am Vorabend des Krieges, wobei sie sich auf die Charakterisierung der politischen Parteien konzentriert: der nationalkonservativen Slowenischen Volkspartei, der nationalliberalen Jugoslawischen Nationalen Partei, der sozialdemokratischen Sozialistischen Partei Jugoslawiens und der Kommunistischen Partei Jugoslawiens bzw. ihrer seit 1937 selbstständigen Sektion in der Draubanschaft, der KPS. Danach stellt sie differenziert die eliminatorische Besatzungspolitik in den drei Okkupationsgebieten dar.
Im ersten der beiden großen Hauptkapitel geht es um die Spaltung der politischen Kräfte der Draubanschaft angesichts der Okkupation. Eine einheitliche Haltung war unmöglich, da die bürgerlichen Kräfte die Zusammenarbeit mit der KPS ablehnten und diese in der Widerstandsbewegung die Führung beanspruchte. Ohnehin setzten die bürgerlichen Kräfte weniger auf Widerstand als vielmehr auf Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten. Im italienischen Besatzungsgebiet sprachen die alten Eliten Kaiser Victor Emanuel III. und Benito Mussolini am 3. Mai 1941 die Loyalität aus. Auf die Vernichtungspolitik reagierte Ban Marko Natla?en mit Petitionen, worauf Griesser-Pecar ausdrücklich hinweist, um den im Oktober 1942 von Partisanen als „Verräter“ Ermordeten von eben diesem Vorwurf zu befreien. General Leon Rupnik, dem „jede Distanz zur Besatzungsmacht“ fehlte (S. 84), wurde im Juni 1942 Bürgermeister von Ljubljana und im September 1943 Präsident der nun von den Deutschen besetzten Laibacher Provinz. Zudem war er Mitbegründer und Organisator der Landeswehr, die von der SS ausgestattet, trainiert und im Kampf gegen die Partisanen faktisch geführt wurde. Der Eid, den Domobranci symbolträchtig am 20. April 1944 und am 31. Januar 1945 leisteten, besagte, den Kampf zusammen mit der Wehrmacht und SS unter Hitlers Befehl gegen den Kommunismus und seine Verbündeten (also die Alliierten) zu führen. Rupniks Verurteilung zum Tode im Sommer 1946 hält Griesser-Pecar nicht für gerechtfertigt, da er sich keiner Kriegsverbrechen schuldig gemacht habe und der Prozess nicht nach international anerkannten Rechtsnormen geführt worden sei.
Bei der detaillierten Darlegung der Aktivität der Partisanen und ihrer Teilorganisationen hebt Griesser-Pecar hervor, die KPS habe bis zum 22. Juni 1941 die Faschisten nicht bekämpft, von Beginn des Krieges an die Machtübernahme in Slowenien vorbereitet, und die von der KPS dominierte, seit dem 11. Juli 1941 aktive Befreiungsfront habe im September 1941 den Bürgerkrieg begonnen. Die Repräsentanten der katholischen Kirche sieht Griesser-Pecar aufgrund der Spaltung der politischen Kräfte in einem Dilemma und bis heute einem verzerrten Geschichtsbild ausgesetzt. Bischof Gregorij Rožman, der im August 1946 in Abwesenheit zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, und der Theologieprofessor Lambert Ehrlich, den Partisanen am 26. Mai 1942 ermordeten, hätten sich keiner strafrechtlichen Vergehen und auch nicht der Kollaboration schuldig gemacht, sondern versucht, die Bevölkerung vor Repressionen zu schützen und den Gläubigen eine Stütze zu sein.
Das mit 220 Seiten längste Kapitel ist den Milizen, Polizeieinheiten und Nachrichtendiensten der bürgerlichen und der kommunistischen Kräfte gewidmet. Noch einmal wird deutlich, wie zersplittert das konservative Lager war. Die Absicht von Griesser-Pecar ist offenkundig zu zeigen, dass die Kommunisten weder die ersten noch die einzigen Widerständler gewesen seien; Ortswehren, Legionen und andere antikommunistische Organisationen seien aus reiner Selbstverteidigung entstanden und es sei ihnen kein anderer Weg als die zumindest „taktische Kollaboration“ geblieben. Der Befreiungsfront hingegen habe jede Legitimation gefehlt. Die Partisanenarmee und ihre paramilitärischen Organisationen hätten ausschließlich der kommunistischen Machtübernahme gedient, ja sie hätten die Okkupanten gar nicht bekämpft, sondern lediglich zu Repressionen gegen die Zivilbevölkerung provoziert. Auf Opfer unter den Zivilisten sei keine Rücksicht genommen worden – eine Behauptung, die sich angesichts anders lautender interner Diskussionen der Partisanen nicht halten lässt (vgl. S. 396). In der Ermordung von mindestens 554 politischen Gegnern im Umfeld der Partisanenversammlung in Gottschee (Kocevje) im Oktober 1943 sieht Griesser-Pecar das Muster für die Schauprozesse nach dem Krieg.
In Mittelpunkt der letzten drei Kapitel steht die eingangs angesprochene Abrechnung der Kommunisten mit ihren innenpolitischen Gegnern und die Machtübernahme. Für die Massaker macht Griesser-Pecar neben den Tätern und ihren Befehlsgebern auch die britischen Militärs sowie die zivile und militärische Führung der Slowenen in Kärnten verantwortlich. Die Briten hätten wissen müssen, was mit den Zigtausenden, die sie vom Gefangenenlager bei Viktring in Kärnten an die Jugoslawen auslieferten, passieren wird; die slowenischen Oberhäupter der Landeswehr ignorierten alle Warnungen und bemühten sich nicht wirklich um die Rettung ihrer Schutzbefohlenen.
Griesser-Pecar hat sich in ihrer umfassenden und detaillierten Studie auf eine breite Basis von Quellen aus dem Staatsarchiv Slowenien und anderer Archive, auf Periodika sowie eine Vielzahl gedruckter Quellen und Literatur gestützt. Ihre Studie bildet vor allem aufgrund der Einblicke in die Organisationsstruktur aller politischen Kräfte eine wichtige Grundlage für weitere Diskussionen und Forschungen. Hoch anzurechnen ist, dass alle Zitate zweisprachig wiedergegeben werden. Das Buch krankt jedoch an dem Widerspruch, dass eine „völlig ergebnisoffen durchgeführt[e]“ Untersuchung proklamiert wird (S. XII), während durchgehend evident ist, dass es um die Verurteilung „der Kommunisten“ geht. So werden entsprechende Bewertungen von Juristen und Politikern Sloweniens aus jüngster Zeit im Rahmen der historischen Quellenanalyse zitiert als handele es sich um stichhaltige Beweise, nicht um Meinungsäußerungen. Tamara Griesser-Pecar zeigt beim Umgang mit den bürgerlichen Kräften große Empathie. Irgendein Dilemma findet sich immer, das eine zumindest taktische Kollaboration unvermeidbar erscheinen lässt. Kein einziges Mal fragt sie, in welchen Dilemmata sich die Frauen und Männer befunden haben mögen, die sich den Partisanen angeschlossen haben. Es raubt einem den Atem, mit welcher Direktheit sie die Partisanen für die „Partisanenausrottung“ (Heinrich Himmler) durch SS und Wehrmacht verantwortlich macht, als trage nicht die Okkupationsmacht, sondern der Widerstand die Verantwortung für diese Verbrechen. Es ist bezeichnend, dass in dem Buch die SS-Karstwehr, die sich unter ihren Kommandanten Hans Brand und Josef Berschneider der grauenhaftesten Vergehen an der Zivilbevölkerung und an Partisanen in der Alpen-Adria-Region schuldig gemacht hat, nicht erwähnt wird.2
Anmerkungen:
1 Darüber hinaus fielen etwa 30.000 Tito-Gegner aus Kroatien dem Massenmord zum Opfer.
2 Siehe dazu: Engelbrecht, Peter, Die Verbrechen der Pottensteiner SS-Karstwehr in Slowenien und Italien 1943-1945, in: nurinst. Jahrbuch des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhunderts (2004), S. 148-164; Entrechtung, Vertreibung, Mord. NS-Unrecht in Slowenien und seine Spuren in Bayern 1941-1945, hg.v. Gerhard Jochem und Georg Seiderer im Auftrag des Stadtarchivs Nürnberg und der Stiftung „Nürnberg – Stadt des Friedens und der Menschenrechte“ in Zusammenarbeit mit der Slowenischen Vereinigung der Okkupationsopfer 1941-1945, Kranj (Združenje Žrtev Okupatorjev 1941-1945, Kranj), Berlin 2005.