Die jüngsten Veröffentlichungen zur Bankengeschichte im Nationalsozialismus sowie neuere Biografien, etwa zu Hermann Josef Abs und Oscar Wassermann, haben offenbar den Gedanken einer vergleichenden Untersuchung über Persönlichkeiten des Bankwesens nahe gelegt. Unter dem griffigen Titel „Bankiers unterm Hakenkreuz“ fragt Christopher Kopper nach ihren Handlungsmöglichkeiten im „Dritten Reich“, nach den Gründen politischer und moralischer Schuld wie auch nach strukturellen Voraussetzungen und individuellen Handlungsmustern (S. 6).
Kopper hat mit seiner 1995 erschienen Studie zur „Bankenpolitik im ‚Dritten Reich’“ der bankhistorischen Forschung wesentliche Impulse gegeben. Kenntnisreich skizziert er in seinem neuen Werk zunächst die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, behandelt dann die verhängnisvolle Refinanzierung der deutschen Banken im Ausland und analysiert schließlich die Folgen der Bankenkrise, die durch Stützungsmaßnahmen des Reichs in Form von staatlichen Beteiligungen sowie durch zwei bedeutende Fusionen überwunden wurde. Neben ihrer wirtschaftlichen Schwächung sahen sich die Banken zudem manchen Vorbehalten als „verjudete Banken“ seitens einiger nationalsozialistischer Kreise sowie zeitweiligen Sozialisierungsforderungen ausgesetzt.
Vor diesem Hintergrund bietet Kopper anschließend einen Mix aus Einzel- und Gruppenbiografien. Leider verzichtet er darauf, seine Auswahlkriterien klar zu benennen. Auf die Unterscheidung zwischen selbstständigen Bankiers und angestellten Bankvorständen geht er kurz ein, benutzt aber vermutlich aus sprachlichen Gründen durchgehend den Begriff „Bankiers“. Inhaltlich werden gleichsam als Fallstudien recht unterschiedliche Lebensläufe erkennbar, vom jüdischen Privatbankier (Max Warburg) über nationalsozialistische Karrieristen (Emil Meyer und Karl Rasche), willkommene „Feigenblätter“ zur Abwehr weiterer externer Einflussnahmen (Emil Georg von Stauß und Ritter Karl von Halt) und geschmeidige Opportunisten mit Kontakten zum Widerstand (Hermann Josef Abs und Karl Blessing) bis hin zur schweigenden Mehrheit im Vorstand der Dresdner Bank. Demgegenüber vermisst man jedoch beispielsweise eigene Kapitel über Hjalmar Schacht oder auch über den einige Male erwähnten Kurt von Schröder.
Das Buch überzeugt durch eine nüchterne, differenzierte Darstellung, die nicht auf Sensationen und effekthascherische Enthüllungen aus ist. Kopper gelingt es dennoch, eine Vielzahl interessanter Details spannend zu präsentieren. Seine Ausführungen unterstreichen einmal mehr, wie wenig Solidarität und Unterstützung die jüdischen bzw. als solche stigmatisierten Bankiers von ihren nichtjüdischen Berufskollegen erfuhren. Die von ihm angeführten (hier: nichtjüdischen) Bankiers bewegten sich in einem Spannungsfeld zwischen eigener Karriere, den Gewinn- und Expansionsinteressen „ihrer“ Banken, geschäftspolitischen Gepflogenheiten und einem wachsenden Druck durch das nationalsozialistische System. Kopper vertritt – eher implizit als explizit – die These, dass die meisten Bankiers mehr oder weniger Opportunisten waren, die sich nach allen Seiten absicherten, während nur eine Minderheit als überzeugte Nationalsozialisten betrachtet werden kann; von aktivem Widerstand ist nicht die Rede. Die divergierenden Rahmenbedingungen und Zielsetzungen führten unter anderem dazu, dass teilweise widersprüchliche Handlungsoptionen wahrgenommen wurden. So trat Karl Blessing einerseits in den Vorstand der Kontinentalen Öl AG ein, die die sowjetischen Erdölvorkommen ausbeuten sollte, und arbeitete Pläne für das Rüstungsministerium aus, während er andererseits Kontakte zum Widerstand pflegte und nur durch die Fürsprache des Wirtschaftsministers Funk vor dem Volksgerichtshof gerettet wurde. Ähnliches gilt für Abs, dessen „Annäherung an das NS-System“ und „Verstrickung“ im Übrigen von Lothar Gall durchaus deutlicher konturiert worden ist. Insgesamt wäre in vergleichender Perspektive zu fragen, ob die beschriebenen Handlungsmuster einen Spiegel der Gesamtgesellschaft darstellten oder ob die Bankiers eine spezifische Berufsgruppe mit eigenen Verhaltensformen bildeten.
Neben Bankiers im aktiven Geschäft wird Otto Christian Fischer, Vorstandsmitglied der Reichs-Kredit-Gesellschaft, als Beispiel eines Verbandsfunktionärs vorgestellt. In diesem Kapitel behandelt Kopper zugleich die Rolle der neu geschaffenen Reichsgruppe Banken und ihrer Untergliederungen, nicht zuletzt im Hinblick auf die Mitwirkung der Banken an der Entziehung jüdischer Vermögen durch das Reich. Er bringt dabei die Tendenz der aktuellen Forschung auf den Punkt. Banken, Sparkassen und Verbände des Kreditwesens waren zwar nicht „in die Radikalisierung der antisemitischen Rassenpolitik einbezogen“, aber sie „führten die Anweisungen für die Beschlagnahme jüdischen Eigentums zuverlässig und ohne erkennbaren Widerstand aus“ (S. 220).
Methodisch stützt sich Kopper, abgesehen von einigen Quellenverweisen, überwiegend auf die vorliegende Literatur. Dies hat zweierlei zur Folge. Zum einen gibt er die bekannten „Highlights“ der bankhistorischen Forschung wider, zum anderen konzentriert er sich auf die Großbanken und vernachlässigt somit die Vertreter der Privat- und Regionalbanken wie auch der Sparkassen. Darüber hinaus wird manche Ungenauigkeit aus der Literatur fortgeschrieben. Die „spezielle Arisierungsabteilung“ der Dresdner Bank stellte eine bankintern so genannte Unterabteilung der Konsortial-Abteilung dar. Bei der Commerzbank musste keineswegs die Hälfte der Vorstandsmitglieder infolge der Bankenkrise 1931/32 gehen; vielmehr schieden Vorstände durch Tod, aufgrund ihres Alters oder infolge eines Wechsels zu einer anderen Bank aus, während lediglich Curt Sobernheim als wirkliches Krisenopfer angesehen werden kann. Ein Arbeitsausschuss des Aufsichtsrats leitete zwar die Geschicke der Dresdner Bank bis zur Fusion mit der Danat-Bank, hingegen existierte eine solche Einrichtung bei der Commerzbank bereits seit Mitte der 1920er-Jahre. Zu Recht führt Kopper im Einklang mit neueren Studien wiederum aus, dass die Dauer des Verbleibs jüdischer Direktoren und Angestellter in den Banken nicht zuletzt auch von ihrem Know-how und ihrem Nutzen, d.h. von betriebswirtschaftlichen Gründen abhing.
Im Abschnitt „Schuld ohne Sühne?“ behandelt Kopper exemplarisch die Kontinuitäten unter den Vorstandsgremien der Deutschen Bank und der Dresdner Bank in der Nachkriegszeit, wobei der Bruch bei der „stärker belasteten“ Dresdner Bank naturgemäß größer ausfiel. Bei diesem bislang wenig erforschten Thema verhehlt Kopper nicht seine Kritik an der Entnazifierungspraxis, die auf einige prominente Fälle beschränkt blieb und im Übrigen vom gesellschaftlichen Konsens einer „Schlussstrich-Mentalität“ bald abgeschlossen wurde. Es folgt ein Abschnitt mit Abs’ Rolle in der Nachkriegszeit bis zu seiner Wiedereinsetzung als Deutsche Bank-Vorstand. Dem bedeutendsten deutschen Bankier des 20. Jahrhunderts sollten wohl zwei Kapitel zugedacht werden, allerdings wird kaum etwas Neues geboten. Damit endet das Buch abrupt – und dies ist das größte Manko der Publikation. Kopper verzichtet auf ein Schlusskapitel, in dem er seine Eingangsfragen hätte systematisch aufarbeiten und Erklärungsansätze vertiefen können, sodass der Eindruck einer eher lockeren Zusammenstellung unterschiedlicher, zweifellos interessanter Biografien überwiegt. Das Buch weist in mehrfacher Hinsicht Merkmale eines Zwitters auf: Für eine innovative Untersuchung kommt es zu spät, da manches schon gesagt wurde; für eine abschließende Darstellung erscheint es zu früh, da noch einige Studien zu diesem Komplex zu erwarten sind. Der Stil der Veröffentlichung schwankt ferner zwischen wissenschaftlicher und essayistischer Perspektive. Alles in allem handelt es sich um einen guten Überblick, der einen leicht lesbaren Einstieg in einen wichtigen Abschnitt der deutschen Bankiersgeschichte mitsamt ihren politischen Verflechtungen bietet, aber indirekt auch offene Fragen der bankhistorischen Forschung dokumentiert.