Ordensgeschichte ist meist mittelalterliche Geschichte. Zwar ist unbestritten, dass Orden und Klöster zu dieser Zeit kaum zu überschätzende Kultureinrichtungen waren. Doch sind die geistlichen Gemeinschaften mit dem Mittelalter nicht untergegangen; sie haben sich bis in die Gegenwart über viele Krisen hinweg erhalten. Eine der Krisenzeiten war die Reformation, ausgelöst von einem Mönch, dem Augustinereremiten Martin Luther. Damit aber sind Orden und Klöster für diese Zeit besonders interessante Forschungsgegenstände. Im Rahmen der Schriftenreihe „Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung“ (KLK) werden die Ordensgemeinschaften des deutschen Sprachraumes in einem auf drei Bände angelegten Handbuch mit Blick auf ihre Geschichte in der Zeit von 1500 bis 1700 gewürdigt. Der Zeitraum ist gut gewählt. Die Orden werden am Vorabend der Reformation betrachtet und in ihrer Rolle bei der Reformation und der sich anschließenden Konfessionalisierung untersucht. In den bis jetzt vorliegenden ersten zwei Bänden sind 22 Ordensgemeinschaften bearbeitet worden.
Die Beiträge sind einheitlich aufgebaut. Sie beginnen mit statistischen Angaben über Personalstärke, Ausbildungsorte und bedeutende Persönlichkeiten. Besonders hervorgehoben sei, dass zu jeder Gemeinschaft eine sehr ansprechende und übersichtliche Karte erarbeitet wurde, die alle Niederlassungen der jeweiligen Ordensgemeinschaft im deutschen Sprachraum abbildet. Durch unterschiedliche Symbole wird deutlich, welche Konvente vor der Reformation entstanden sind, welche im Zuge der Reformation aufgelöst wurden und welche später neu gegründet worden sind. Als Anlage zu jeder Karte listet eine Tabelle die einzelnen Konvente mit den relevanten Jahreszahlen auf. Nach diesem informativen Auftakt wird jeweils die Situation der Gemeinschaft vor der Reformation geschildert. Ein besonderes Augenmerk legen die Bearbeiter auf Verfallserscheinungen und Reformbestrebungen innerhalb der Orden. Dem klösterlichen geistlichen und kulturellen Leben bis 1517 ist ein eigener Abschnitt gewidmet. Daran schließt sich eine Darstellung des Verhältnisses der Klöster zur Reformationsbewegung sowie des Schicksals der Orden und ihrer Niederlassungen im Zuge der Durchführung der Reformation an. Es folgen die Auswirkung des Tridentinums. Eine Bibliografie beschließt die einzelnen Beiträge. Diese Gliederung überzeugt. Es lassen sich Entwicklungen in den einzelnen Gemeinschaften vergleichen, und die Bände der Reihe bilden trotz unterschiedlicher Bearbeiter/innen ein geschlossenes Ganzes, eben ein Handbuch. Das ist beabsichtigt und an diesem Anspruch müssen sich die Autoren messen lassen.
Der erste Band behandelt die Benediktiner (Ulrich Faust), die Benediktinerinnen (Anja Ostrowitzki), die Zisterzienser (Hermann Josef Roth), die Zisterzienserinnen (Manfred Eder), den Deutschen Orden (Dieter J. Weiß), die Johanniter (Walter G. Rödel), die Serviten (Karl Suso Frank), die Brigitten (Tore Nyberg), die Brüder vom Gemeinsamen Leben (Hans-Joachim Schmidt), Chorfrauen und evangelische Damenstifte (Annette von Boetticher) sowie die Ursulinen (Anne Conrad). Im zweiten Band wurden die Dominikaner (Klaus-Bernward Springer), die Augustiner-Eremiten, die Augustiner-Eremitinnen (jeweils Michael Klaus Wernicke), die Karmeliten, die Unbeschuhten Karmeliten (jeweils Nicole Priesching), die Klarissen (Karl Suso Frank), die Schottenklöster (Helmut Flachenecker), die Kartäuser (James Hogg), die Kreuzherren (Stefan Bringer), die Jesuiten (Michael Müller) und die Congregatio Jesu (Ursula Dirmeier) bearbeitet. Kritisch angemerkt sei, dass die Bezeichnung „Congregatio Jesu“ für die „Englischen Fräulein“ bzw. das „Institutum B.M.V.“ erst seit dem Jahre 2004 offiziell geführt wird und die Leser/innen einer historisch ausgerichteten Darstellung etwas irritiert.
Blickt man in die Liste der Bearbeiter/innen, so fällt positiv auf, dass einige Autor/innen aus den jeweiligen Ordensgemeinschaften gewonnen werden konnten. Das ist vor dem Hintergrund einer an den staatlichen wie kirchlichen Hochschulen nahezu inexistenten neueren Ordensgeschichte bedeutsam.1 Ist doch das einschlägige Spezialschrifttum meist nur innerhalb der Ordensgemeinschaften gut greifbar und bekannt. Namentlich die Benediktiner, die Zisterzienser, die Augustiner-Eremiten und die Congregatio Jesu haben ordenseigene Bearbeiter/innen gefunden. Mit James Hogg, Helmut Flachenecker und dem Anfang des Jahres verstorbenen Karl Suso Frank konnten überdies fachlich ausgewiesene Spezialisten für Ordensgeschichte als Mitarbeiter gewonnen werden. Im Rahmen der Rezension ist es nicht möglich, alle Beiträge ausführlich zu besprechen. Daher seien nur einige Schlaglichter gesetzt.
Das Ziel, die einzelnen Orden darzustellen, ist dort schwierig, wo ein richtiger Ordensverband nicht existiert, etwa bei den Benediktinern. Hier ist eine Auswahl nötig. Ulrich Faust tut dies, indem er Schwerpunkte setzt, etwa bei der Abtei Ottobeuren oder bei der Gründung der Benediktiner-Universität in Salzburg. Sehr gelungen ist auch seine Darstellung der unterschiedlichen benediktinischen Reformbewegungen (Kastl, Melk und Bursfelde). Bei dem Benediktinerinnen-Artikel sei hervorgehoben, dass dieser sich auch mit dem Themenkreis Lektüre und Bibliothek (Eichstätt!) beschäftigt. Leider sind bei den anderen Artikeln bibliothekarische Aspekte nicht durchgängig berücksichtigt, wenngleich ihre bildungs-geschichtliche Bedeutung nicht hoch genug veranschlagt werden kann. So ist es bedauerlich, wenn in dem Beitrag über die Jesuiten die Saalbibliotheken des Ordens, die durchaus typbildend für das barocke Bibliothekswesen wurden2, keine Erwähnung finden. Die Bearbeitung der Kreuzherren ist solide, doch hätte man sich mehr Literatur gewünscht. In der recht übersichtlichen Bibliografie werden zwei Artikel aus dem LThK (Lexikon für Theologie und Kirche) angeführt, einschlägige Monografien fehlen jedoch.3 Nicole Priesching kennt in ihrem Artikel über die Karmeliten das grundlegende Standardwerk von Smet 4 wohl nur in der deutschen Übersetzung des ersten Bandes.
Hier wird ein Problem sichtbar, das leider mehrere Artikel betrifft. Während die Beiträge recht einheitlich aufgebaut sind, gab es offenbar keine entsprechenden Richtlinien für die Bibliografie. Man kann zu jedem Orden Artikel aus dem LThK oder vergleichbaren Nachschlagewerken anführen. Auch das Handbuch von Max Heimbucher wäre durchgängig zu berücksichtigen.5 Hätte es sich da nicht angeboten, in einem allgemeinen bibliographischen Teil auf diese und weitere Werke zu verweisen, anstatt einmal ohne sie zu zitieren, ein anderes Mal ohne erkennbaren Grund zu übergehen? Uneinheitlich ist auch die Angabe der historischen Zeitschriften der Orden. Bei den Augustinern und Karmeliten fehlen diese, bei den Kreuzherren und Jesuiten werden sie genannt. Gerade für Wissenschaftler/innen, die sich nur am Rande mit Ordensgeschichte befassen, wäre dies eine wichtige Information gewesen.
Die vorstehende Kritik will nicht den Wert der einzelnen Beiträge schmälern. Sie soll mehr als Anregung verstanden werden, dass sich der Anspruch, ein Handbuch zu schreiben, auch und gerade in den bibliographischen Details bewähren muss. Liegen hier doch, vor allem für Wissenschaftler/innen, die (noch) keine Fachleute sind, wichtige Ausgangspunkte für weitere Forschungen. Man darf eine solide und kenntnisreiche Auswahl der Literatur erwarten. Hier sind die Bände insgesamt hinter dem Möglichen zurückgeblieben.
Voll befriedigt haben sie aber durch die einheitliche Struktur der Artikel die Erwartung einer vergleichenden Lektüre der Geschichte der einzelnen Gemeinschaften. Hier sind die Orden von besonderem Interesse, die einen engen Bezug zur Reformation hatten wie die Augustiner oder sogar eigene evangelische Zweige ausgebildet haben wie die Zisterzienser und die Johanniter.
Insgesamt ist das vorliegende Handbuch eine Bereicherung der ordensgeschichtlichen Literatur. Es leuchtet den ansonsten nur in Spezialuntersuchungen behandelten Bereich der frühneuzeitlichen Ordensgeschichte ordentlich aus und gibt hier eine gute und solide Einführung. Als wissenschaftliches Arbeitsinstrument fällt es demgegenüber wegen seiner bibliografischen Uneinheitlichkeit leider etwas ab.
Anmerkungen:
1 Vgl. Haas, R., Ordensgeschichte in der postvatikanischen Priester- und Theologen-Ausbildung, in: ders., Steinhauer, E. W. (Hgg.), „Die Hand des Herrn hat diesen Weinberg angelegt und ihn gepflegt.“ Festgabe für Karl Josef Rivinius SVD, Münster 2006, S. 124 ff.
Volltext unter: <http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=6484>.
2 Vgl. Schmitz, W., Deutsche Bibliotheksgeschichte, Bern 1984, S. 74.
3 Etwa Francino, J., Geschidenis van de Orde der Kruisheren, Utrecht 1947; Vinken, M., The Spirituality of the Crosier Fathers, Syracuse 1958.
4 Smet, J., The Carmelites, 4 Bde., Darien/Ill., 1975-1985.
5 Heimbucher, Max, Die Orden und Kongregationen der Katholischen Kirche, 3. Aufl., Paderborn 1933 (mehrere Nachdrucke), unrichtig daher das Zitat in KLK 66, S. 108: „2. Aufl. 1965“.