P. F. Mittag: Antiochos IV. Epiphanes

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Titel
Antiochos IV. Epiphanes. Eine politische Biographie


Autor(en)
Mittag, Peter Franz
Reihe
Klio-Beihefte N.F. 11
Erschienen
Berlin 2006: Akademie Verlag
Anzahl Seiten
352 S.
Preis
€ 69,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Körner, Historisches Institut, Universität Bern

"Antiochos mit Beinamen Epiphanes erhielt aufgrund seines Verhaltens den Namen Epimanes", schreibt Polybios (26,1,1): Der Seleukidenherrscher Antiochos IV. Epiphanes (175-164 v. Chr.) erscheint in antiken Quellen oft als Inbegriff des Tyrannen. Besonders negativ ist naturgemäß sein Bild in den jüdischen Quellen, die die Vorgeschichte des Makkabäeraufstands schildern. Peter Franz Mittag hinterfragt in seiner Habilitationsschrift (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg 2004) dieses Bild im Hinblick auf die politischen Leistungen Antiochos' und legt damit eine umfassende Untersuchung zu dessen Herrschaft vor. Wie bereits der Untertitel zeigt, liegt angesichts der Quellenlage der Fokus der Arbeit naturgemäß auf politischen Fragen.1

Der kurze Forschungsüberblick (S. 11-16) zeigt, wie sich das Bild des Königs durch neue orientalische Quellen und Neuinterpretation der bekannten Zeugnisse im Verlauf des 20. Jahrhunderts gewandelt hat. Ein ausführlicher Überblick über die Quellen (S. 18-31) verdeutlicht die Abhängigkeiten der griechisch-lateinischen Tradition (der antiochoskritische Polybios, Diodor, Livius, Pompeius Trogus, Appian) und geht detailliert auf die jüdische Tradition ein (Buch Daniel, Makkabäerbücher, Flavius Josephus), die hinsichtlich ihrer Aussagekraft kritisch beurteilt werden muss. Auch die nicht-literarischen Quellen (unter anderem auch die Keilschrifttexte aus Babylonien) werden gewürdigt.

Zwei einleitende Kapitel dienen als Grundlage für die eigentlichen Untersuchungen: Zunächst geht Mittag auf die Zeit vor dem Herrschaftsantritt ein (S. 32-48); interessant ist hierbei der zehnjährige Aufenthalt des Antiochos als Geisel in Rom, wo er Einblicke in die dortigen innenpolitischen Mechanismen gewinnen konnte. Das Kapitel endet mit einer Analyse der Machtübernahme. Im Folgenden werden in einem breit angelegten Panorama die geografischen und strukturellen Rahmenbedingung des Seleukidenreiches in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr. umrissen (S. 49-96). Dabei zeigt sich die strategische Bedeutung Pelusions, Zyperns und Armeniens für die Sicherung des seleukidischen Kernlandes. Im Zentrum der Analyse der inneren Rahmenbedingungen stehen die Probleme der Reichsverwaltung (hervorzuheben ist hier eine prosopografische Zusammenstellung der philoi und der militärischen und zivilen Würdenträger, die namentlich bekannt sind, S. 63ff.) und die heterogenen inneren Strukturen mit griechischen poleis, indigenen Städten, Tempelstaaten und ethne. Besonders wichtig ist für Mittag die Frage nach dem finanziellen Spielraum, über den ein Seleukidenherrscher verfügte (S. 70-89).2 Der außenpolitische Rahmen wurde durch den Vertrag von Apameia abgesteckt, so dass seleukidische Politik gegen Westen sich fast nur noch in der Form von Diplomatie und Euergesie äußern konnte. Das Verhalten eines jeden hellenistischen Monarchen orientierte sich an der griechischen Öffentlichkeit und ihren Werten (wobei Mittag zurecht einschränkt, dass vor allem Quellen aus diesem Kulturkreis erhalten sind).

Die Anfänge der Regierungszeit (S. 97-151) sind entsprechend geprägt von Gesandtschaften (auch an Rom, S. 99f.) und Spenden in griechischen Poleis, wobei sich hier Prestigebedürfnis, wirtschaftliche und politische Motive ausdifferenzieren lassen (S. 103-118, aufschlussreich ist hierbei der Vergleich mit Eumenes II., den Ptolemäern und Perseus). Ausführlich wird auf die Forschungsdiskussion um die Münzreform in Antiocheia eingegangen (S. 118-127); dabei kommt Mittag zum Ergebnis, dass die Gewichtsreduktion der Silbertetradrachmen in der Prägestätte Antiocheia wohl der Konvertibilität mit den leichteren nicht-seleukidischen Tetradrachmen der kleinasiatischen Städte diente. Auch die spätere Reform der städtischen Kleingeldmünzprägung 169/68 v. Chr. dürfte von Antiochos ausgegangen sein, der auf diese Weise den Handel intensivieren wollte (S. 182-191). Von Bedeutung für die monarchische Stellung war die Annahme der Epitheta theos und epiphanes: Nach Mittag (S. 128-139) begrüßten die Antiochener Antiochos 175 als epiphanes, "erscheinenden" legitimen König (nach der Ermordung Seleukos' IV. hatte dessen Mörder Heliodor versucht, Einfluss auf die Regierung zu nehmen), doch durch die Kopplung mit theos löste Antiochos den Begriff von seiner konkreten Ausgangssituation und erhob sich somit in eine überirdische Sphäre. In dieselbe Richtung deuten auch die Sterne auf seinen Münzporträts.

Von großer Bedeutung für die Regierungszeit Antiochos' ist der 6. Syrische Krieg, dessen zwei Feldzüge ausführlich analysiert werden. Im ersten Feldzug (169 v. Chr.) gelingt es Antiochos, wie Mittag zeigt (S. 159-181), sich eine gute Ausgangsbasis im Ptolemäerreich zu schaffen: Antiochos kann Pelusion halten und wird in der problematischen Regierungssituation der Geschwisterherrschaft zum Patron Ptolemaios' VI. Diskutiert wird die Frage, ob Antiochos IV. sich selbst zum Pharao krönen ließ – während Mittag zurecht einräumt, dass die Indizien leicht zu widerlegen sind, geht er dennoch von einer solchen Krönung aus, möchte sie aber in den zweiten Feldzug datieren, in dem Antiochos eine stärkere Kontrolle über das Ptolemäerreich anstrebte (S. 171ff.). Dieser zweite Feldzug endete jäh mit dem "Tag von Eleusis" (S. 214-224), der in der Wahrnehmung des Polybios zusammen mit dem römischen Sieg bei Pydna eine fundamentale Wende im griechisch-römischen Verhältnis bedeutete. Trotz einer Stilisierung der Details durch Polybios muss die Kernaussage der Darstellung korrekt sein. Mittag kann aufzeigen, dass die Persönlichkeit und die Karrieresituation von C. Popilius Laenas, der unter innenpolitischem Erfolgsdruck stand, verantwortlich für dessen schroffes Auftreten waren. Antiochos wiederum scheute sich, Risiken im Umgang mit Rom einzugehen und gab nach. Entsprechend profitierte er im Folgenden vom Vertrauen Roms, das er durch sein Entgegenkommen gewonnen hatte.

In den jüdischen Quellen nehmen die Ereignisse in Judaia einen zentralen Raum ein.3 Ihre Bedeutung für Antiochos' Herrschaft wird nach Mittag aber überschätzt (S. 228f.). Ausdrücklich geht Mittag auf die beiden Hohenpriester Jason und Menelaos ein. Die "Hellenisierungsmaßnahmen" Jasons sieht er als Versuch von Teilen der jüdischen Bevölkerung, Anschluss an die hellenisierten Gebiete im Seleukidenreich zu gewinnen unter gleichzeitiger Beibehaltung der jüdischen Identität; auch sei Jerusalem nicht zu einer griechischen polis umgewandelt worden (S. 235-247). Erst unter Menelaos sei es zu einer Eskalation gekommen, wobei hierbei der Raub des Tempelschatzes die zentrale Rolle gespielt habe (S. 247-252). Zu einer Verschärfung kam es mit dem Putschversuch Jasons auf ein Gerücht von Antiochos' Tod hin (168 v. Chr.). In diesen Zusammenhang gehört auch das so genannte "Religionsedikt". Durch eine sorgfältige Quellenanalyse, verbunden mit der Frage nach möglichen Motiven der drei beteiligten Akteure Menelaos, Antiochos und seleukidische Administration, versucht Mittag, die Hintergründe des "Edikts" herauszuarbeiten (S. 256-268). Die jüdischen Quellen sind in ihrer Darstellung der Ereignisse recht problematisch; zumindest lässt sich die These nicht halten, Antiochos habe eine systematische Hellenisierung des jüdischen Kultes angestrebt. Vielmehr scheint er von den verschiedenen jüdischen Gruppen im inneren Machtkampf instrumentalisiert worden zu sein. Antiochos selbst war an einer Abgabenerhöhung bei gleichzeitiger Beibehaltung der inneren Ruhe interessiert; zwei Interessen, die sich gegenseitig in die Quere kamen, wobei der König auch wenig Sensibilität im Umgang mit den jüdischen religiösen Gefühlen an den Tag legte. Ferner zeigen sich am Vorgehen in Judaia die strukturellen Probleme der seleukidischen Verwaltung: Kommunikationsprobleme zwischen den Verwaltungsebenen und weitgehende Autonomie der Entscheidungsträger, die oft eher an ihr Prestige als an das Wohl des Staates dachten (S. 278f.).

Die Feierlichkeiten in Daphne von 166 v. Chr. sieht Mittag als innen- und außenpolitische Demonstration der königlichen Macht und militärischen Stärke. Keineswegs handle es sich, wie Polybios (30,25,1) behaupte, um eine Kopie der Feiern von Aemilius Paullus in Amphipolis anlässlich des römischen Siegs über Perseus. Vielmehr gehörte das Fest in den Kontext hellenistischer Prachtentfaltung. Nicht zuletzt präsentierte Antiochos seine Macht dadurch, dass die Truppenparade die Rüstungsbestimmungen des Vertrages von Apameia unterlief, ohne dass Rom intervenierte (S. 282-295). Sorgfältig werden sämtliche Zeugnisse zur anabasis und den Aktivitäten Antiochos' IV. im Osten seines Reiches zusammengestellt und ausgewertet (S. 296-327). Dabei wird deutlich, dass es keine schlüssigen Hinweise auf einen bevorstehenden Feldzug gegen die Parther oder Baktrien gibt. Die Quellen zu Antiochos' Tod sind widersprüchlich (S. 328f.); Mittag lokalisiert Antiochos' Sterbeort in Gabai zwischen der Persis und Karmanien (S. 319f.).

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (S. 336-341). Die Bewertung der Herrschaft von Antiochos' IV. bleibt allerdings etwas kurz und beschränkt sich auf Aussagen wie, dass der König "grundsätzlich wohl überlegt und der jeweiligen Situation angemessen handelte" (S. 335), durchaus ein "nüchterner Verwalter seines Herrschaftsgebietes" gewesen sei, der teilweise sogar eine "sehr innovative Politik" betrieben (S. 11), seine Möglichkeiten auszuschöpfen gesucht und durch "tatkräftiges Handeln" die seleukidische Herrschaft stabilisiert habe (S. 341). Eine eigentliche Einordnung in den Rahmen der Geschichte des Seleukidenreiches bleibt aus: Welche Bedeutung hatte Antiochos IV. für die seleukidische Geschichte im Vergleich mit anderen Herrschern? Wie ist seine Rolle in der Auseinandersetzung mit Rom im Vergleich mit anderen hellenistischen Monarchen des 2. Jahrhunderts zu beurteilen?

Dennoch ist die Arbeit eine umfassende Untersuchung zu diesem Herrscher auf der Grundlage sämtlicher Quellen und Sekundärliteratur (ein beeindruckendes Literaturverzeichnis, S. 342-402), die äußerst sorgfältig ausgewertet werden. Aufgrund dieser Methodensorgfalt sind sämtliche Schlussfolgerungen gut nachvollziehbar. Mittag hat damit ein Standardwerk zu Antiochos IV. vorgelegt, auf dem jede weitere Forschung zu den Seleukiden und dem 2. Jahrhundert v. Chr. wird aufbauen müssen.

Anmerkungen:
1 Der chronologische Aufbau der Arbeit ist nicht immer unproblematisch, da viele Maßnahmen, wie Mittag selbst einräumt (zum Beispiel S. 128), schwer datierbar sind.
2 Hierbei folgt Mittag weitgehend den Studien von: Aperghis, Makis, Population-Production-Taxation-Coinage. A model of the Seleukid economy, in: Archibald, Zofia H.; Davies, John; Gabrielsen, Vincent; Oliver, G. J. (Hgg.), Hellenistic Economies, London 2001, S. 69-102; ders., The Seleukid Royal Economy. The Finances and Financial Administration of the Seleukid Empire, Cambridge 2004.
3 Mittags Grundlage stellt Klaus Bringmanns Untersuchung dar: Hellenistische Reform und Religionsverfolgung in Judäa. Eine Untersuchung zur jüdisch-hellenistischen Geschichte (175-163 v. Chr.), Göttingen 1983.

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