Cover
Titel
Medieval Monasticisms. Forms and Experiences of the Monastic Life in the Latin West


Autor(en)
Vanderputten, Steven
Reihe
Oldenbourg Grundriss der Geschichte 47
Erschienen
Anzahl Seiten
304 S.
Preis
€ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Denis Drumm, Seminar für mittelalterliche Geschichte, Universität Tübingen

Die Beschäftigung mit dem mittelalterlichen Mönchtum gehört nach wie vor zum Grundverständnis dieser Epoche. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich die bekannte Reihe „Oldenbourg Grundriss der Geschichte“ nun auch dem Phänomen des Mönchtums widmet. Hierfür konnte von den Herausgebern der renommierte Genter Mediävist Steven Vanderputten gewonnen werden. Auf etwas über 200 Textseiten versucht der Autor in englischer Sprache eine Geschichte des Mönchtums von der Antike bis in die Frühe Neuzeit zu illustrieren.

Bereits in der thematischen Einführung versucht sich Vanderputten an einer definitorischen Eingrenzung, die sich wie ein roter Faden durch das Werk ziehen und die den aktuellen Band von vielen älteren Überblicksdarstellungen unterscheiden soll. Es geht Vanderputten nicht darum, minutiös die kontingente Entwicklung des einen Mönchtums zu zeigen, dessen Ausläufer man noch heute erleben kann, sondern im Gegenteil zu illustrieren, dass wir es zu allen Zeiten mit vielen "monasticisms" (S. 3) zu tun haben, die parallel zueinander existierten und sich gegenseitig bedingten. Trotz dieses Ansatzes, der den aktuellsten Strömungen der Mönchtumsforschung entspringt, behält der Band die für die Reihe typische Dreiteilung bei. Zunächst folgt auf 140 Seiten eine allgemeine Darstellung ("Historical Survey") des Phänomens Mönchtum, die auf den zentralen Quellen basiert und quasi das Grundnarrativ bildet. Darauf aufbauend geht es auf rund 100 weiteren Seiten um die Grundprobleme und Forschungstendenzen ("State of the Art"), die analog zum ersten Großkapitel in zahlreiche Unterkapitel gegliedert werden. Abgerundet wird das Buch durch eine ausführliche Bibliografie, die am Puls der aktuellen Forschung ist und teils bereits Werke aus dem Jahr 2020 enthält.

Zunächst wirkt das Werk, wie es das Thema nicht anders erwarten lässt, streng chronologisch. Vanderputten führt den Leser von den antiken Anfängen über die ersten, nun europäischen Experimente des Mönchtums hin zur festen Implementierung dieser Form des geistlichen Lebens im Frühen Mittelalter. Daran schließen sich die Reformen des Hohen Mittelalters sowie die langsame Ausdifferenzierung des Mönchtums an, die Vanderputten wiederum als erneute Experimente und Identitätssuche charakterisieren kann. Abgeschlossen wird das Ganze durch einen Blick auf das Späte Mittelalter, in dem das Augenmerk neben erneuten Reformen vor allem auf die päpstlichen Interventionen sowie die offiziöse Sanktionierung von halb-religiösen ("semi-religious", S. 123ff.) Bewegungen gelegt wird. Die wahre Stärke des Werkes zeigt sich aber abseits dieser rein chronologischen Ebene. Trotz dieses Ansatzes gelingt es Vanderputten immer wieder den Blick auch thematisch und regional variieren zu lassen, sodass gar nicht erst der Eindruck entsteht, es handle sich um eine lineare Erfolgsgeschichte, die primär auf Kontinentaleuropa und die Politik der großen Herrscherhäuser ausgerichtet sei. Mit regelmäßigen Seitenblicken auf die Iberische Halbinsel und auf die britischen Inseln sowie das Baltikum gelingt es vor allem die europäische Dimension des mittelalterlichen Mönchtums aufzuzeigen, das ja, wie ebenfalls ausführlich gezeigt wird, in seiner Grundausrichtung erst einmal gar nicht europäisch war.

In jedem Abschnitt wird zudem, was sehr zu begrüßen ist, ein nicht geringes Augenmerk auf die weiblichen Religiosen der Zeit gelegt. Auch hier kann gezeigt werden, dass es von den ersten asketischen Bewegungen der Antike über private Frömmigkeit (Inklusen, Eremitinnen) bis hin zu den organisierten Orden des Hohen und Späten Mittelalters auch unter den Frauen die bereits angesprochenen Variationen des religiösen Lebens gab, die ebenfalls keine lineare Geschichte bilden und stets von Diversität in der Ausübung geprägt waren. Dies gilt auch in Hinblick auf religiöse Gruppen, die aufgrund ihrer Regel und/oder Lebensweise per se nicht als Mönche/Nonnen bezeichnet werden dürfen; auch ihnen widmet Vanderputten großen Raum in seiner Darstellung. Gerade in letzterem Punkt zeigt sich die gesamte Bandbreite dessen, was das Werk unter dem Begriff "monasticisms" versteht.

Gerade das Kapitel zur Forschungsgeschichte offenbart deutlich einen weiteren Aspekt dieses Konzeptes, der einen anderen, für die Studierenden vielleicht noch ungewohnten Zugang zu diesem Thema erlaubt. Vanderputten verzichtet gezielt auf Großnarrative und Meistererzählungen, z.B. wenn es um die Erläuterung der hochmittelalterlichen Reformen im Umfeld Clunys geht. Hier kann er ausgehend von einer breiten Definition des Reformbegriffes zeigen, wie sich das Leben der Klöster in Bereichen der Liturgie, des Gedenkens, des Alltagslebens, aber auch der Wirtschaft, des Rechts und dem Verhältnis zu weltlichen Akteuren (wiederum nicht linear) verändert hatte. Zusätzlich werden gerade in diesen Themenbereichen, auch durch gezielte Vor- und Rückgriffe die zentralen Brüche und Kontinuitäten behandelt, sodass einmal mehr die Bandbreite und Variabilität all dessen aufgezeigt wird, was wir gemeinhin als das Mönchtum bezeichnen. Als Ergebnis sieht der Leser ein ständiges Aushandeln des korrekten geistlichen Lebens sowie gezielte Reaktionen auf eine sich ständig verändernde äußere Welt, die mit der Zeit zur größten Herausforderung des mittelalterlichen Mönchtums wurde. Dies ist weit entfernt von älteren Ansätzen, die an dieser Stelle vielleicht primär auf die Wechselwirkung zwischen Kirchenreform, Investiturstreit und den monastischen Bewegungen eingegangen wären.

Die bei der Lektüre aufkommenden kritischen Nachfragen sind größtenteils der Konzeption der Reihe und dem damit verbundenen gewünschten Aufbau des Werkes geschuldet. Während das umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnis gerade für die Lehre einen Gewinn darstellt, hat sich die in der Reihe geforderte strikte Trennung zwischen Basisnarrativ und dessen teilweiser Dekonstruktion nicht immer als verständlich und zielführend erwiesen. Abgesehen von solcher grundsätzlicher Kritik verwundert an mancher Stelle die Akzentsetzung, die dazu führt, dass beispielsweise den so wegweisenden Entwicklungen des 15. Jahrhunderts, gerade innerhalb des Benediktinerordens, verhältnismäßig wenig Raum im Vergleich zu den (spät-)antiken Anfängen eingeräumt wird. Doch sind solche Einschränkungen und Kürzungen nicht dem Autor anzulasten, der der Aufgabe, das Mönchtum in seiner Gesamtheit zu charakterisieren, auf diesen wenigen Seiten mehr als gerecht wird. Dennoch sei zuletzt die Frage erlaubt, warum ein solches Werk, das ein Standardthema der deutschen Mediävistik behandelt und das obendrein für den Studien- und Lehrbetrieb gedacht ist, in englischer Sprache erscheint. Es ist natürlich nicht so, dass man heutigen Studierenden keine englischsprachige Lektüre zumuten dürfte, doch wirkt es teils verwunderlich, Begriffe, die der deutschen Verfassungs- und Rechtssprache erwachsen sind und für die es teils keine adäquate Übersetzung gibt, nun in einer anderen Sprache (teils mit deutscher Erklärung, z.B. „federation of monasteries", S. 189f.) zu lesen. Auch wenn es sicherlich eine Herausforderung bleibt, das zentrale Schlagwort des Werks, "monasticisms", mit derselben intendierten Semantik ins Deutsche zu übersetzen, wäre ernsthaft über eine zweite Auflage in deutscher Sprache nachzudenken, damit dieses hervorragende Werk auch seine volle Würdigung erhalten kann.

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