Cover
Titel
Von den Welfen zu den Staufern. Der Tod Welfs VII. 1167 und die Grundlegung Oberschwabens im Mittelalter


Herausgeber
Zotz, Thomas; Schnauder, Andreas; Kuber, Johannes
Reihe
Oberschwaben. Forschungen zu Landschaft, Geschichte und Kultur (4)
Erschienen
Stuttgart 2020: Kohlhammer Verlag
Anzahl Seiten
304 S.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Benjamin Müsegades, Universität Heidelberg

Staufer und Welfen gehören zu den am besten erforschten Themen der hochmittelalterlichen Geschichte. Allerdings ist seit dem Ende der 2000er-Jahre ein zahlenmäßiger Rückgang bei Monographien und Sammelbänden zu beobachten. Der ehemals etablierte sogenannte staufisch-welfische Gegensatz ist bereits vor einiger Zeit grundlegend in Frage gestellt worden.1 Zu Heinrich dem Löwen, aber auch zu seinen Söhnen Heinrich und Otto existieren bereits seit längerem Biographien.2 Bei den Staufern liegen neben entsprechenden Studien zu Heinrich VI. und Philipp von Schwaben zu Friedrich I. und seinem Enkel Friedrich II. gleich mehrere umfangreiche Bücher vor.3 Aber auch in diesem Segment reißen die Publikationen um 2010 herum ab.

Nun soll es nicht Ziel dieser Rezension sein, ein Ende der Beschäftigung mit den hochmittelalterlichen Staufern und Welfen zu beklagen, was ohnehin verfrüht wäre. Es fällt jedoch auf, dass diese klassischen Themen der deutschsprachigen Mittelalterforschung mittlerweile weniger Interesse finden als noch vor einigen Jahrzehnten, auch wenn es natürlich weiterhin Professuren mit entsprechenden Schwerpunkten in Forschung und Lehre gibt, etwa die Göppinger Staufergesellschaft regelmäßig einschlägige Tagungen veranstaltet und auch die Editionen der verschiedenen Königs- und Kaiserurkunden bei den MGH gut voranschreiten. Die Veröffentlichung von Überblickswerken, teils neueren Datums, teils Neuauflagen älterer Werke, die sich vor allem an ein studentisches und ein breiteres Publikum richten, unterstreichen zudem das Interesse an der Thematik.4 Dies gilt auch für die großen Ausstellungen zu Staufern und Welfen und die in diesen Kontexten entstandenen Kataloge.5

Dass das Thema auch noch auf anderen Ebenen nach wie vor Interesse findet, zeigt der zu besprechende Sammelband, der auf eine Tagung im Jahr 2017 zurückgeht. Im Mittelpunkt des Interesses standen dabei die mit dem Tod Welfs VII. vor Rom 1167 einsetzenden Entwicklungen, die im Übergang der oberschwäbischen Besitzungen der Welfen an die Staufer kulminierten. Das Thema ist in der Forschung nicht unbekannt, wurde jedoch eher mit Fokus auf Friedrich Barbarossa, Heinrich den Löwen oder Welf VI. behandelt.6

Die Zielsetzung des zu besprechenden Sammelbands wird von den Mitherausgebern Andreas Schmauder und Thomas Zotz in ihrer konzisen Einführung formuliert. Untersucht werden sollen nicht einzelne Protagonisten, „sondern […] Fragen des Herrschaftsübergangs und seiner Nachwirkung“ (S. 11). Dieser Anspruch wird im Band angemessen eingelöst. Matthias Becher fasst in seinem Beitrag die Entwicklungen der Forschung zu Welf VII. zusammen und erläutert quellennah die Ereignisse bis zu dessen Tod (S. 15−34). Dem Übergang der welfischen Besitzungen in Süddeutschland an die Staufer widmet sich Thomas Zotz vor allem mit Blick auf die erste überlieferte Urkunde Herzog Friedrichs V. von Schwaben, eines Sohns Barbarossas. (S. 35−51). Bei der in der Forschung umstrittenen Datierung entscheidet er sich für das Jahr 1178 und betont die besondere Bedeutung des Ausstellungsorts Altdorf, der für die Welfen namensgebend war. Inhaltliche Anknüpfungspunkte zu den Ausführungen von Zotz bieten die Beiträge von Heinz Krieg zu den ersten Jahrzehnten staufischer Herrschaft in den Besitzungen Welfs VI. (S. 53−74) und von Wolfgang Stürner zu den Beziehungen Friedrichs II. nach Oberschwaben (S. 75−90).

Einzelnen adligen Familien der Region widmen sich Harald Derschka mit den Ministerialen Tanne/Waldburg/Winterstetten (S. 91−108) und Karel Hruza mit den Herren von Wallsee (S. 109−136). Den urbanen Raum nehmen Nina Gallion mit ihrer Untersuchung der staufischen Beziehungen zu den oberschwäbischen Städten (S. 137−156), Andreas Schmauder am Beispiel des spätmittelalterlichen Ravensburgs (S. 157−166) sowie Rolf Kießling vor allem am Beispiel des nachstaufischen Memmingens (S. 167−181) in den Blick.

Einen epochenübergreifenden thematischen Block zur Memoria eröffnet die Studie von Hans Ulrich Rudolf zur Bedeutung der Welfen in der Erinnerungskultur des Klosters Weingarten bis 1803 (S. 183−213). Johannes Waldschütz untersucht die Acta sancti Petri in Augia aus dem Prämonstratenserstift Weißenau bei Ravensburg, eine gegen Ende des Mittelalters aus mehreren im 13. Jahrhundert entstandenen Bestandteilen gebildete Sammelhandschrift aus der Vadianischen Bibliothek in St. Gallen (S. 215−236). Dabei kann er die unterschiedlichen Formen der Erinnerung an Staufer, Welfen und lokale Ministerialität im Kopialbuchteil wie auch in der Chronik des Stifts deutlich herausarbeiten. In einem weiteren Beitrag setzt Franz Fuchs sich mit der Welfen-Memoria im Augustinerchorherrenstift Rottenbuch und im Kloster Steingaden bis in die Frühe Neuzeit auseinander (S. 237−248). Vor allem Überblickscharakter haben die Aufsätze von Paul-Joachim Heinig zur Bedeutung Oberschwabens für das spätmittelalterliche Königtum (S. 249−273) und von Franz Quarthal zur Landvogtei Oberschwaben in der Frühen Neuzeit (S. 275−284). Beschlossen wird der Band durch ein Verzeichnis der Herausgeber und Autoren sowie ein kombiniertes Orts- und Personenregister.

Insgesamt vermögen die Beiträge in dem gut lektorierten und mit vielen farbigen Karten und Bildern in hoher Qualität versehenen Buch zu überzeugen. Der Blick auf Themenfelder wie die Durchsetzung von Herrschaft vor Ort, die Bedeutung des lokalen Niederadels oder die Entwicklung in geistlichen Institutionen und Städten mit einem Fokus auf die Nachwirkungen des staufischen Herrschaftsantritts lassen die landesgeschichtlichen Wurzeln erneut zu Tage treten, die vielfach am Anfang der Beschäftigung mit Staufern und Welfen standen. Der vorliegende Band unterstreicht die Bedeutung dieser Ansätze.

Anmerkungen:
1 Werner Hechberger, Staufer und Welfen 1125−1190. Zur Verwendung von Theorien in der Geschichtswissenschaft (Passauer historische Forschungen 10), Köln 1996; Werner Hechberger / Florian Schuller (Hrsg.), Staufer & Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter, Regensburg 2009.
2 Joachim Ehlers, Heinrich der Löwe. Eine Biographie, München 2008; Andrea Briechle, Heinrich. Herzog von Sachsen und Pfalzgraf bei Rhein. Ein welfischer Fürst an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert (Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 16), Heidelberg 2013; Bernd Ulrich Hucker, Otto IV. Der wiederentdeckte Kaiser. Eine Biographie, Frankfurt am Main 2003; siehe zu Huckers Arbeit unter anderem die kritische Besprechung von Christian Hillen in seiner Rezension zu: Bernd U. Hucker, Otto IV. Der wiederentdeckte Kaiser. Eine Biographie, Frankfurt am Main 2003, in: H-Soz-Kult, 19.02.2004, URL: <https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-5374> (14.01.2022).
3 Peter Csendes, Heinrich VI., Darmstadt 1993; Peter Csendes, Philipp von Schwaben. Ein Staufer im Kampf um die Macht, Darmstadt 2003; Knut Görich, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011; Johannes Laudage, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie (1152−1190), hrsg. von Lars Hageneier/Matthias Schrör, Regensburg 2009; Ferdinand Opll, Friedrich Barbarossa, 4. Auflage, Darmstadt 2009; Wolfgang Stürner, Friedrich II., 3. Auflage in einem Band, Darmstadt 2009; Olaf B. Rader, Friedrich II. Ein Sizilianer auf dem Kaiserthron, 4. Auflage, München 2012; David Abulafia, Frederick the Second. A Medieval Emperor, London 1988.
4 Knut Görich, Die Staufer. Herrscher und Reich, 4. Auflage (Beck’sche Reihe 2393), München 2019; Wolfgang Stürner, Die Staufer. Eine mittelalterliche Herrscherdynastie. Bd. 1. Aufstieg und Machtentfaltung (975 bis 1190), Stuttgart 2020; Odilo Engels, Die Staufer, 9. Auflage, Stuttgart 2010; Bernd Schneidmüller, Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819−1252), 2. Auflage, Stuttgart 2014.
5 Zu den Staufern etwa: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz / Bernd Schneidmüller (Hrsg.), Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht. Von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa, Darmstadt 2020; Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter / Alfried Wieczorek (Hrsg.), Die Staufer und Italien. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, 2 Bde., Stuttgart 2010. Zu den Welfen: Ulrich Hucker / Stefanie Hahn / Jürgen Derda (Hrsg.), Otto IV. Traum vom welfischen Kaisertum, Petersberg 2009.
6 Zu Welf VI. zuletzt am ausführlichsten: Rainer Jehl (Hrsg.), Welf VI. Wissenschaftliches Kolloquium zum 800. Todesjahr Welfs VI. im Schwäbischen Bildungszentrum Irsee (Irseer Schriften 3), Sigmaringen 1995.