G. Litz: Die reformatorische Bilderfrage

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Titel
Die reformatorische Bilderfrage in den schwäbischen Reichsstädten.


Autor(en)
Litz, Gudrun
Reihe
Spätmittelalter und Reformation Neue Reihe 35
Erschienen
Tübingen 2007: Mohr Siebeck
Anzahl Seiten
380 S.
Preis
€ 89,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sabine Arend, Forschungsstelle Evangelische Kirchenordnungen, Heidelberger Akademie der Wissenschaften

Bilderverehrung und Bilderfeindschaft sowie die Frage nach richtiger und falscher Verehrung von Kultbildern durchziehen die Geschichte der christlichen Kirche von der Antike bis zur Neuzeit. Gudrun Litz macht in ihrer Göttinger Dissertation die Bilderfrage im Reformationszeitalter zum Thema. Dabei geht es ihr darum, unter welchen Umständen religiöse Bilder entfernt oder an Ort und Stelle belassen wurden. Die Autorin stellt die Situation in den zwölf Reichsstädten Lindau, Reutlingen, Ulm, Memmingen, Biberach, Esslingen, Isny, Kempten, Giengen an der Brenz, Kaufbeuren, Ravensburg und Leutkirch dar. Nicht in die Untersuchung einbezogen wurden solche Reichsstädte, in denen es keine radikalen Lösungen der Bilderproblematik gab (Aalen, Bopfingen, Schwäbisch Hall), wo die schlechte Quellenlage keine hinreichenden Aussagen ermöglicht (Donauwörth, Weil der Stadt, Wimpfen), wo die Bilder trotz Reformationseinführung nicht entfernt wurden (Dinkelsbühl) oder wo nur kleinere Vorfälle zu verzeichnen sind (Nördlingen, Heilbronn). Konstanz und Augsburg wurden aufgrund ihrer Sonderstellung als Bischofsstädte, die durch ihre Vielzahl an Kirchen eine nicht zu bewältigende Untersuchung erfordert hätten, ebenfalls nicht in die Betrachtung einbezogen. Die Reichsstädte Buchau, Pfullendorf, Überlingen, Wangen, Buchhorn (heute Friedrichshafen), Rottweil und Schwäbisch Gmünd gehören nicht zum Untersuchungsgegenstand, da die evangelische Lehre sich hier nicht durchsetzen konnte.

Den zwölf Fallstudien schwäbischer Reichsstädte sind einige grundsätzliche Überlegungen zum theologischen Hintergrund der Bilderfrage vorangestellt. Im Spätmittelalter wurden Kultbilder als „handelnde Bilder“ aufgefasst, die in den liturgischen Ablauf einbezogen wurden, wie etwa das Wiegen des Christkinds an Weihnachten, der Umzug mit Palmsonntagseseln oder die Grablegung einer Christusfigur am Karfreitag. Vor diesem Hintergrund nahm die Produktion von religiösen Bildwerken gegen Ende des 15. Jahrhunderts immer größere Ausmaße an. Bereits vor der Reformation kam Kritik gegen die volksfromme Auffassung der Realpräsenz des Heiligen im Bild auf. Die reformatorische Theologie, die – vom 'solus Christus' ausgehend – einen generellen Angriff auf die mittelalterliche Werkfrömmigkeit als Jenseitsvorsorge und die damit zusammenhängende Bilderstiftung und -verehrung sowie den Heiligen- und Reliquienkult vornahm, entzog der mittelalterlichen Bilderfrömmigkeit schließlich den Boden. Sämtliche Reformatoren sprachen sich mehr oder weniger gegen die Bildwerke in den Kirchen aus, argumentierten jedoch unterschiedlich und propagierten verschiedene Konsequenzen im praktischen Umgang mit den Bildwerken.

Luther hatte grundsätzlich ein positives Verhältnis zu religiösen Bildwerken. Er wies ihnen eine unterstützende Funktion bei der Verkündung des Evangeliums zu, wandte sich aber strikt gegen den Bilder-Missbrauch, wie er nach seinem Verständnis in der Heiligenverehrung an Bildwerken in Erscheinung trat. Er setzte nicht in erster Linie auf die strikte Entfernung der Bilder, sondern darauf, die innere Einstellung der Menschen zu den Bildern durch die Predigt zu verändern. Bei Zwingli, Bucer und Ambrosius Blarer stand die Bilderfrage stärker als bei Luther im Zentrum ihrer Theologie. Zwingli lehnte sämtliche Bildwerke innerhalb eines gottesdienstlich-kultischen Raums ab. Er sah die eindeutige Klarheit, den der Glauben brauche, allein im unterrichtenden Wort gegeben. Er trat daher für eine strikte Entfernung der Bilder aus den Kirchen ein. Auch Martin Bucer und Ambrosius Blarer standen für die Abschaffung der Bildwerke. Die spiritualistische Theologie Kaspars von Schwenckfeld und Sebastian Francks konnte die Bildwerke in den Kirchen tolerieren, solange man nicht ihren Zeichencharakter in einen gnaden- und heilsvermittelnden Sakralcharakter verkehrte.

Auf dem Fundament dieser theologischen Grundlagen untersucht Gudrun Litz für jede einzelne der zwölf schwäbischen Reichsstädte, welchen Charakter die Reformation von Stadt zu Stadt hatte und wie man die Bilderfrage beantwortete. Die Autorin blickt hierbei auf das Zusammenspiel politischer, städtischer, obrigkeitlicher, frömmigkeitsgeschichtlicher und persönlicher Umstände, die Einfluss auf den Umgang mit religiösen Bildern hatten. In den Einzelstudien gelangt Litz von Fall zu Fall zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, aus denen nur einige Charakteristika skizziert seien:

In Ulm forderte der Rat die Stifter der Bilder im Jahr 1531 ausdrücklich auf, ihre Bildwerke wieder an sich zu nehmen, berücksichtigte also die ursprünglichen Eigentumsverhältnisse. In Isny kam es zwar 1534 zu einem Sturm mehrerer Bürger auf die Klosterkirche, bei dem die Bildwerke hinausgetragen wurden, das Gros der Isnyer Bildwerke wurde jedoch planmäßig unter Aufsicht des Rates entfernt. In Kempten erfolgte die Beseitigung der Bilder gegen Ende des Reformationsprozesses, war dann aber radikal. In Kaufbeuren und Ravensburg konnte die Reformation erst 1545 bzw. 1546 Fuß fassen, und dann auch nur für die kurze Zeit bis zum Interim 1548. In dieser kurzen Zeitspanne kam es in Kaufbeuren zu einem vielschichtigen Nebeneinander im Umgang mit den Bildern: Einige wurden entfernt, einige aber auch an Ort und Stelle belassen. In Esslingen diskutierte der Rat die Bilderfrage im Herbst/Winter 1531 zunächst mit den Kaplänen und Ordensleuten, verfügte dann aber auf Anraten Blarers die überlegte und planmäßige Entfernung sämtlicher 'Götzenwerke' aus den Gotteshäusern. In Reutlingen entfernte man die Bildwerke erst, als die Einführung der Reformation bereits weit fortgeschritten war. Obwohl der Prediger Martin Rauber in Giengen den Rat immer wieder aufforderte, die Bilder zu entfernen, ließ dieser sich nicht dazu bewegen und beließ sämtliche Bildwerke in den Kirchen.

Gudrun Litz ist trotz vielfach disparater Quellenlage und tendenziöser chronikalischer Darstellungen in den einzelnen Reichsstädten zu einer umfassenden Gesamtschau der Bilderfrage gelangt. Die von ihr gewählte Fragestellung nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden sowie nach Gesetzmäßigkeiten und Verlaufsformen beantwortet sie detailliert. Bezüglich der Häufigkeit, mit der in den schwäbischen Reichsstädten gegen die religiösen Bilder vorgegangen wurde, kann sie den von Michalski 1 geprägten Begriff der „Bildersturmlandschaft“ (S. 278) auch auf ihren Untersuchungsraum anwenden. Allerdings handelt es sich bei diesen „Stürmen“ vielfach um die von den jeweiligen Magistraten der Städte organisierte und beaufsichtigte ordentliche Entfernung der Bildwerke ohne deren Zerstörung. Aktionen von Gewaltanwendung und Bilderfrevel blieben die Ausnahme. Die Lösung der reformatorischen Bilderfrage war in zahlreichen der untersuchten Städte kein einmaliger und schon gar kein gewaltsamer Akt, sondern eine sich zum Teil über viele Jahre hinziehende geordnete Ausräumung der Kirchen. Aufgrund dieser Ergebnisse plädiert Gudrun Litz mit Recht dafür, den Begriff des ‚Bildersturms’ auf „alle Destruktionen von Objekten aus Gründen der Glaubenserneuerung“ (S. 284) auszuweiten, unabhängig davon, ob die Bildwerke gewaltsam oder friedlich aus den Kirchen entfernt wurden.

Die von Gudrun Litz vorgelegte sorgfältige Untersuchung reiht sich in eine lange Forschungstradition ein. Das Thema des Bildersturms wird seit rund sechzig Jahren von zahlreichen Wissenschaftsdisziplinen erforscht. Profan-, reformations- und kunstgeschichtliche Fragestellungen wurden in den letzten Jahren durch mentalitäts- und kulturwissenschaftliche Ansätze bereichert. Die vorgelegte Studie zeigt, dass die Entfernung der Bildwerke in den meisten Fällen kein nachgeordnetes Ereignis im Zuge der Reformationseinführung war, sondern einen zentralen Bereich städtischer Lebensverhältnisse trifft (S. 281). Als Ausblick regt die Autorin die Untersuchung der Bilderfrage für die Zeit nach der Reformation an, indem sie auf die Wieder-Bebilderung der protestantischen Kirchen durch evangelische Andachtsbilder verweist, die – angelehnt an Luthers Bilderverständnis – im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert in die Kirchen einzogen.

Anmerkung:
1 Michalski, Sergiusz, Die Ausbreitung des reformatorischen Bildersturms 1521-1537, in: Bildersturm – Wahnsinn oder Gottes Wille? Katalog zur Ausstellung des Bernischen Historischen Museums, hg. von Cecilie Dupeux, Peter Jezler und Jean Wirth, Bern 2000, S. 46-52, hier S. 50.

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