: Business Elites and Corporate Governance in France and the UK. . Basingstoke 2006 : Palgrave Macmillan, ISBN 1-4039-3579-3 357 S. € 56,50

: Corporate Networks in Europe and the United States. . New York 2002 : Oxford University Press, ISBN 0199256977 256 S. € 83,01

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Friederike Sattler, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam

Wirtschaftseliten, Unternehmensführung und unternehmerische Netzwerke sind die eng miteinander verknüpften Themen der beiden hier zu besprechenden Bücher. Während sich Mairi Maclean, Charles Harvey und Jon Press auf einen detaillierten Vergleich zwischen Frankreich und Großbritannien in jüngster Zeit konzentrieren, bezieht Paul Windolf auch Deutschland, die Schweiz, die Niederlande, die USA sowie drei post-sozialistische Länder Ostmitteleuropas in die Untersuchung mit ein und liefert eine auf die frühen 1990er-Jahre bezogene Bestandsaufnahme. Der gemeinsame Horizont beider Untersuchungen liegt in der Frage nach dem Verhältnis von ganz unterschiedlichen kulturellen und sozio-ökonomischen Prägungen der wirtschaftlichen Institutionen in den einzelnen Ländern zu den durch die Globalisierung ausgelösten wechselseitigen transnationalen Adaptionsprozessen. Wie viele nationale Eigenständigkeiten werden überdauern? Bewirkt die Globalisierung einen Prozess fortschreitender institutioneller Konvergenz?

Paul Windolf stützt sich bei seiner Untersuchung auf einen theoretischen Ansatz, der zentrale Gedanken der Neuen Institutionenökonomie – Verfügungsrechte, Transaktionskosten und Pfadabhängigkeiten – mit dem von D. T. Campbell entwickelten Konzept der kulturellen Evolution wirtschaftlicher Institutionen verbindet. Sein Buch, das verschiedene, andernorts publizierte Aufsätze zu einem konzisen Gesamtbild zusammenfügt, ist in drei größere Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt analysiert Windolf – auf breiter empirischer Datenbasis für insgesamt 2.600 große Unternehmen in den sechs genannten westlichen Industrieländern – die Struktur von Unternehmensnetzwerken, die durch Kapitalbeteiligungen und personelle Verflechtungen (interlocking directorates) entstanden. Ein historischer Rückblick auf die unterschiedlichen Finanzierungsmodelle der Industrialisierung in den USA (breite Risikostreuung über den Aktienmarkt verbunden mit einer scharfen Anti-Trust-Gesetzgebung und politisch-wirtschaftlichem Liberalismus) und im kontinentalen Europa (geringe Risikostreuung durch Bankkredite verbunden mit rechtlich sanktionierter Kartellbildung und politisch-wirtschaftlichem Korporatismus) verdeutlicht den starken Einfluss dieser Traditionen auf die Struktur der Unternehmensnetzwerke bis in die 1990er-Jahre. In den USA und Großbritannien sind die zwischen den Unternehmen geknüpften Netzwerke eher dezentral organisiert und von einer geringen Dichte der Beziehungen gekennzeichnet; darüber hinaus weisen sie eine große Zahl gänzlich isolierter Unternehmen auf. In Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden dagegen sind sie hochgradig zentralisiert und weisen eine starke Dichte der Beziehungen auf; isolierte Unternehmen gibt es hier kaum. Das von Adolf Berle und Gardiner Means bereits 1932 erstmals in aller Deutlichkeit formulierte Problem wachsender, unkontrollierter Macht von Managern stellt sich in den USA und Großbritannien folglich wesentlich schärfer als im kontinentalen Europa, wo es bis dahin nicht zur rigorosen Trennung von Eigentum und bürokratischer Kontrolle, sondern eher zur wechselseitigen Durchdringung von Familieneigentum und professionellem Management kam. Durch systematische Vergleiche Deutschlands mit Großbritannien einerseits, Frankreichs mit den USA anderseits, entsteht ein klares und zugleich facettenreiches Bild der Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich Eigentumskonzentrationen, Typen von Eigentümern und Netzwerkkonfigurationen.

Gegenstand des zweiten Abschnitts sind die auf der Grundlage der zuvor beschriebenen Unternehmensnetzwerke geknüpften Beziehungen zwischen den beteiligten Personen, also die Netzwerke der Wirtschaftseliten im engeren Sinne. Sie interessieren Windolf vor allem unter dem Gesichtspunkt der sozialen Integration. Werthaltungen, Mentalitäten und Verhaltensmuster bleiben infolge des gewählten Ansatzes und der genutzten Quellen leider vollständig ausgespart. Ein systematischer Vergleich der jeweils rund 300 am stärksten vernetzten Manager (multiple-directors) deutscher und britischer Unternehmen ergibt, dass in Deutschland zu Beginn der 1990er-Jahre noch immer von einem relativ einheitlich integrierten Gesamt-Netzwerk der Wirtschaftselite gesprochen werden kann, welches zumindest potenziell im Sinne Michael Useems als Inner Circle der kollektiven politischen Interessenwahrnehmung fungieren konnte. In Großbritannien dagegen sind verschiedene, voneinander separierte soziale Zirkel auszumachen, die zudem eine größere Instabilität aufweisen. Die Ausbildungs- und Karriererewege dieser big linker der deutschen und britischen Wirtschaftseliten werden ebenfalls eingehend beleuchtet. Windolf kommt hier zu dem Schluss, dass die Institutionalisierung der Ausbildung von Managern in beiden Ländern hinter der anderer Berufe – etwa von Juristen und Medizinern – zurückgeblieben ist, sie zumindest in Deutschland aber dennoch einer hohen Standardisierung unterliegt. Vergleiche zu den Wirtschaftseliten anderer Länder werden nur sporadisch angemerkt und nicht systematisch herausgearbeitet.

Im dritten Abschnitt der Untersuchung Paul Windolfs geht es um die Struktur der nach 1989/90 entstandenen Unternehmensnetzwerke in Ostdeutschland, Polen, Tschechien und Ungarn. Ausgehend von der These, dass für die Umsetzung einer wirtschaftlichen Strategie des catching up eine Netzwerkstruktur besonders hilfreich sei, die ihren Mitgliedern gewissen Schutz vor äußerer Konkurrenz bietet, ohne ihre Autonomie vollständig einzuschränken, stellt Windolf zunächst fest, dass eine solche Netzwerkstruktur in Ostdeutschland infolge der politischen Entscheidungen zur Privatisierung des früheren Staatseigentums nicht geschaffen werden konnte. Die Kapitalbeteiligungen wie die personellen Verflechtungen der großen Unternehmen werden vielmehr eindeutig von den neuen westlichen Eigentümern dominiert. Vor dem Hintergrund ihrer sehr unterschiedlichen Entwicklungen in den 1980er-Jahren, die Windolf – gemessen am eigenen, auf die sozio-kulturelle, evolutionäre Dynamik gerichteten Ansatz inkonsequenterweise – nur oberflächlich streift, ohne zum Beispiel Bezug auf die wichtigen Untersuchungen von Ákos Róna-Tas oder Kazimierz Z. Poznanski zur evolutionären Transition hin zum Kapitalismus zu nehmen1, liefen die post-sozialistischen Privatisierungsprozesse in den drei anderen Ländern nach jeweils eigenem Muster ab. Beim Bau des neuen rechtlichen Rahmens der Unternehmensführung und der Unternehmensvernetzung kamen in jedem Fall sowohl Elemente des deutschen als auch des angelsächsischen Modells von Marktwirtschaft mit zum Tragen. Unabhängig vom politisch gesteuerten Privatisierungskurs ist in der Schicht der verantwortlichen Eigentümer und Manager erstaunlicherweise in allen vier post-sozialistischen Ländern eine hohe Kontinuität früherer sozialistischer Manager festzustellen. Ihnen gelang es offenkundig, ihre sozialen Netzwerke erfolgreich für den Erhalt bürokratischer Kontrolle und/oder für den Erwerb neuen wirtschaftlichen Eigentums zu nutzen. Aus der Masse der früheren Nomenklaturkader heben sie sich durch ein jüngeres Alter, eine höhere fachliche Kompetenz und einen bürgerlichen Hintergrund ab. Windolf sieht – zusammengefasst – zumindest in Polen, Tschechien und Ungarn einen neuen genuinen Typ von Managerkapitalismus heranwachsen.

Die zentrale Frage nach der möglicherweise durch die Globalisierung ausgelösten Konvergenz der verschiedenen Formen des Kapitalismus, denen ein jeweils anderer, kulturell verwurzelter Umgang mit dem wirtschaftlichen Risiko zugrunde liegt, beantwortet Windolf vor diesem Hintergrund eher zurückhaltend. Die Zeichen der Veränderung in den alten und neuen kontinentaleuropäischen Marktwirtschaften sind nicht zu übersehen, etwa die rapide sinkende Dichte der in den frühen 1990er-Jahren existierenden und hier eingehend analysierten Unternehmensnetzwerke, die schwindende Stabilität der Konzernstrukturen und Unternehmensgruppen, die wachsende Bedeutung von Finanzinvestoren auch in deutschen und französischen Unternehmen und – nicht zuletzt – die zunehmende Tendenz zur Vermarktung von Kreditschulden als Wertpapiere zum Zwecke der in Kontinentaleuropa bisher eher unüblichen Risikoabwälzung auf die Investoren. Dennoch sieht Windolf – von der Warte des Jahres 2002 – die Möglichkeit, dass es sich bei all dem nur um die vom globalen Wettbewerb erzwungenen Anpassungsleistungen innerhalb eines bestehenden wirtschaftlichen Paradigmas handeln könnte. Eine Überlebenschance für den koordinierten Kapitalismus bestehe allerdings nur, wenn er sich auf transnationaler, europäischer Ebene reorganisieren lasse. Darin liegt eine möglicherweise bedenkenswerte politische Handlungsempfehlung, vor allem aber ein wichtiger Hinweis für künftige, auf transnationale Unternehmens- und Elitennetzwerke gerichtete Forschungen.

Mairi Maclean, Charles Harvey und Jon Press, deren Untersuchung nicht nur zeitlich, sondern auch in dieser inhaltlichen, auf transnationale Zusammenhänge gerichteten Dimension an Windolfs Arbeit anschließt, entwickeln zunächst ein Konzept zur vergleichenden Analyse von Wirtschaftseliten und Unternehmensführung, bei dem die Ausübung wirtschaftlicher Macht durch die seit den 1990er-Jahren immer mehr Bedeutung erlangenden multinationalen Unternehmen und ihre Führungskräfte im Mittelpunkt steht. Welche Regeln und Praktiken, Strukturen und Beziehungen, aber auch Ideen, Überzeugungen und Werte kamen und kommen dabei zum Tragen? Die drei Autoren stützen sich auf verschiedene theoretische Angebote, insbesondere auf Pierre Bourdieus Verständnis von gesellschaftlichen Feldern und ihren Unterfeldern, von vertikaler sozialer Stratifikation und den verschiedenen Kapitalsorten als reproduzierbaren Ressourcen der Eliten. Um das oberste Stratum des ökonomischen Feldes abzudecken, richten sie ihren Blick auf die jeweils 100 größten Unternehmen in den beiden betrachteten Ländern. Als Quellen nutzen sie neben qualitativen und quantitativen statistischen Daten zahlreiche vertiefende Interviews mit den leitenden Managern dieser Unternehmen.

Ausgehend von einem systematischen Vergleich der historisch gewachsenen und sich wandelnden Systeme von Unternehmensführung in beiden Ländern (bei dem unter anderem die klare Trennung exekutiver und beaufsichtigender Funktionen in Großbritannien herausgearbeitet wird, während diese beiden Funktionen in Frankreich nach wie vor oft in einer Hand liegen und gleichzeitig viel engere Verbindungen zwischen Wirtschaft und Politik bestehen geblieben sind), widmen sich Maclean, Harvey und Press eingehend der sozialen Herkunft, den Ausbildungswegen, Karriereverläufen und Lebensstilen der jeweiligen Wirtschaftselite. Sie zeigen, wie sehr – trotz erhöhter Transparenz und gewisser sozialer Öffnungstendenzen – noch immer die Herkunft aus bestimmten Familien der höheren sozialen Schichten, der Besuch bestimmter Eliteschulen und die Mitgliedschaft in bestimmten gesellschaftlichen Clubs und Vereinigungen in beiden Ländern ausschlaggebend für den Aufstieg in die Wirtschaftselite ist. In anderen Worten: Die kulturelle Reproduktion der Wirtschaftselite ist in beiden Fällen hoch, was auch für relativ starke – unterschiedliche – mentale Kontinuitäten im Prozess der Globalisierung spricht.

Die unterschiedliche Art der Netzwerkbildung von Wirtschaftseliten zur Ausübung von Macht und Einfluss stehen im Mittelpunkt des folgenden Kapitels: Während in Frankreich bereits durch den Besuch der Grandes Écoles institutionell bedingte, meist enge und feste Verbindungen zwischen den Mitgliedern der politischen, administrativen und wirtschaftlichen Elite geknüpft werden, sind es in Großbritannien die gesellschaftlichen Clubs, exklusive Sport- und Kunstvereinigungen sowie andere Non-Profit-Organisationen, über die – eher locker – Netzwerke der Eliten geknüpft werden. Die Elitenintegration ist in Frankreich folglich wesentlich höher als in Großbritannien – ein Befund, der sich mit dem Paul Windolfs bezüglich der geringen Institutionalisierung und Standardisierung der Managerausbildung in Großbritannien verglichen mit der in Deutschland im Wesentlichen deckt.

Den Auswirkungen der Globalisierung auf Unternehmensführung und Wirtschaftseliten ist schließlich ein weiteres ausführliches Kapitel gewidmet. Frankreich und Großbritannien haben, wie Maclean, Harvey und Press darlegen, recht unterschiedliche Wege gewählt: In Frankreich stellt sich die Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung als eine Mischung aus fortgesetzter Regulation und gewissen liberalen Elementen dar, in Großbritannien als eine konsequente, in erster Linie an den Kapitalmärkten orientierte Liberalisierung. Dieser Befund deutet – bei allen Veränderungen im Detail, etwa der stärkeren Orientierung am Shareholder Value in französischen und der auffallenden Betonung von Corporate Social Responsibility in britischen Unternehmen – auf einen fest verankerten, unterschiedlichen Habitus der Wirtschaftseliten hin, der dem Anpassungsdruck globaler Vereinheitlichung bisher offenkundig standgehalten hat. Maclean, Harvey und Press sehen folglich – ähnlich wie Windolf bei seiner Bestandsaufnahme für die frühen 1990er-Jahre – auch nach der Jahrhundertwende keine einheitlich geprägte transnationale Wirtschaftselite oder gar – wie etwa Leslie Sklair – eine “Transnationale Kapitalistische Klasse” im Entstehen begriffen.2 Folgt man Maclean, Harvey und Press, so sind in Frankreich und Großbritannien nach wie vor zwei “konkurrierende Kapitalismen” zu beobachten, deren Wirtschaftseliten auf die Herausforderungen der Globalisierung ihre jeweils eigenen Antworten zu finden versuchen.

Beide Bücher stellen, gerade wenn man sie “zusammen liest”, eine ausgesprochen anregende Lektüre dar. Sie sind theoretisch und empirisch gleichermaßen fundiert und vermitteln ein differenziertes Bild von den spätestens seit den 1990er-Jahren im beschleunigten Wandel befindlichen Strukturen der Unternehmensführung und der in ihnen agierenden Wirtschaftseliten in Europa. Gleichzeitig machen sie deutlich, dass dieser Wandel der Strukturen und Eliten keineswegs einem linearen Modernisierungstrend folgt, sondern durch die ganz unterschiedlichen sozial-kulturellen Voraussetzungen vielfach variiert und gebrochen wird. Die Autoren warten folglich auch nicht mit vorschnellen Prognosen über das voraussichtliche Ergebnis der Entwicklung auf, etwa indem sie die globale Durchsetzung des Finanzmarktkapitalismus amerikanischer Provenienz voraussagen würden. Beide Bücher lassen sich vielmehr eher als Aufforderung verstehen, die Forschung in Richtung eines transnationalen historischen Vergleichs, der auch die früheren politischen Systemgrenzen überschreitet, weiter voranzutreiben

Anmerkungen:
1 Vgl. Róna-Tas, Ákos, The Second Economy in Hungary: The Social Origins of the End of State Socialism, Ann Arbor 1990; Róna-Tas, Ákos, The Great Surprise of a Small Transformation. The Demise of Communism and the Rise of the Private Sector in Hungary, Ann Arbor 1997; Poznanski, Kazimierz Z. (Hrsg.), The Evolutionary Transition to Capitalism, Boulder (Col.) 1995; Poznanski, Kazimierz Z., Poland’s Protracted Transition. Institutional Change and Economic Growth 1970-1994, Cambridge 1996.
2 Vgl. Sklair, Leslie, The Transnational Capitalist Class, Malden 2001.

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