Cover
Titel
Representing Iran in East Germany. Ideology and the Media in the German Democratic Republic


Autor(en)
Klüsener, Edgar
Erschienen
London 2021: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
209 S.
Preis
£ 85.00 (Hardcover); £ 76.50 (Ebook)
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Leonard W. Michael, School of History, University of St Andrews

In den letzten Jahren ist das geschichtswissenschaftliche Interesse an den Beziehungen zwischen den Ostblockstaaten und dem Globalen Süden merklich gewachsen. Dies zeigt sich unter anderem in der steigenden Zahl von Veröffentlichungen, die die Verflechtungen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) mit den Ländern Südwestasiens beleuchten. Die Studien, die in diesem Zusammenhang erschienen sind, setzen sich überwiegend mit den Beziehungen der DDR mit palästinensischen politischen Organisationen sowie mit der Volksrepublik Jemen auseinander.1 Die Verbindungen zu Iran sind bisher nur am Rande behandelt worden2, obwohl sie einen äußerst erforschungswürdigen Sonderfall darstellen: Von 1957 bis 1979 gewährte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) der Führung der in Iran verfolgten kommunistischen Tudeh-Partei Asyl und ermöglichte ihr den Aufbau eines Hauptquartiers in Leipzig. Zusammen mit der Türkischen Kommunistischen Partei war die Tudeh damit die einzige ausländische Partei, die ihr Führungszentrum in der DDR unterhielt. Zur gleichen Zeit verfolgte die DDR im Rahmen ihrer Anerkennungspolitik das Ziel, diplomatische Beziehungen zu Mohammad Reza Schahs Regierung in Teheran aufzubauen.

Unter anderem auf dieses Spannungsverhältnis geht Edgar Klüsener in seiner Monografie über die Iran-Berichterstattung der DDR-Presse ein. Er beschäftigt sich darin hauptsächlich mit der Frage, welche Faktoren die Darstellung Irans durch die Printmedien der DDR zwischen der Staatsgründung 1949 und dem Fall der SED-Diktatur 1989 bestimmten. Er vertritt die These, dass sich DDR-Journalist:innen in der Frage, welche Nachrichten aus Iran sie veröffentlichen und wie sie diese präsentieren sollten, in erster Linie an den außenpolitischen Prioritäten ihres Landes orientierten. Obwohl die SED die totale Kontrolle über ihren Presseapparat beanspruchte, war die Prioritätensetzung der Einheitspartei Klüsener zufolge allerdings nicht die alleinige Determinante der Iran-Berichterstattung. Denn die Printmedien des „Arbeiter- und Bauernstaates“ hingen aufgrund ihrer eingeschränkten eigenen Ressourcen über weite Strecken von den Meldungen ausländischer, zumeist westlicher Nachrichtenagenturen ab, die ihrerseits eine Vorauswahl derjenigen Themen trafen, zu denen sie Informationen bereitstellten, und damit die Berichterstattung in der DDR signifikant beeinflussten. Mit seinem Buch leistet Klüsener nicht nur einen Beitrag zur bereits erwähnten Geschichte der DDR-Außenpolitik, sondern bietet auch eine neue internationale Perspektive auf die Funktionsweise der DDR-Presselandschaft, deren interne Mechanismen bereits in früheren Studien behandelt worden sind.3

Seiner Untersuchung legt Klüsener zwei Konzepte zugrunde. Mit dem ersten, der „hermeneutischen Hegemonie“, bezeichnet er „einen Zustand, in dem dominante Eliten totale Kontrolle über Sprache, Narrative und Bedeutungen haben“ (S. 10). Wie bereits erwähnt, konnte der DDR-Presseapparat diesen Zustand in seiner Auslandsberichterstattung schon allein aufgrund seiner Abhängigkeit von externen Nachrichtenagenturen nicht erreichen. Mit dem zweiten Konzept, der „Tatsachenfiktion“, versucht Klüsener die häufige Kontextlosigkeit von DDR-Pressemeldungen zu Iran zu erklären. Während die zentralen Daten eines bestimmten Ereignisses grundsätzlich korrekt wiedergegeben wurden, ließ das Fehlen eines spezifischen Kontexts Raum für Interpretationen durch die Rezipient:innen, die den „eigentlichen“ Umständen zuwiderliefen und somit der im Sinne der journalistischen Kader ideologisch richtigen Deutung entsprechen konnten (S. 19).

Das Buch selbst ist in fünf Kapitel gegliedert, wobei Klüsener mit Ausnahme des ersten Kapitels auf thematische Kapitelüberschriften verzichtet und die Abschnitte lediglich mit Jahreszahlen betitelt. Er unterlässt es dabei leider, die von ihm eingeführte Periodisierung in der Einleitung zu begründen, was den Blick auf seine These etwas verstellt.

Im ersten Kapitel erläutert Klüsener auf der Grundlage einschlägiger Sekundärliteratur einleuchtend die historischen Hintergründe und internen Funktionsweisen der DDR-Presselandschaft. Neben der Feststellung, dass die Berichterstattung der DDR-Medien eng an die politischen Zielsetzungen der SED gebunden war, ist hier besonders Klüseners Analyse zur Arbeitsweise des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes (ADN) als Hauptquelle der DDR-Auslandsberichterstattung relevant. Aufgrund der geringen Zahl der ihm zur Verfügung stehenden Auslandskorrespondenten:innen war der ADN auf die Zusammenarbeit mit Nachrichtenagenturen in Ost und West angewiesen. Gerade in der Berichterstattung zu aus DDR-Sicht peripheren Ländern wie Iran spielte dies eine zentrale Rolle. So beschäftigte ADN lediglich einen Journalisten, der von Kairo aus für fast die gesamte Region Südwestasien und Nordafrika verantwortlich war. Auch wenn Klüsener hier überzeugend den Kontext für seine Analyse präsentiert, lässt seine Untersuchung Tiefe vermissen. Gerade die Rolle des ADN-Korrespondenten in Kairo hätte sicherlich durch Primärquellen ausführlicher beleuchtet werden können.

Im zweiten Kapitel setzt sich Klüsener mit den Jahren 1949–1960 auseinander. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Untersuchung der Darstellung der Ministerpräsidentschaft Mohammad Mosaddeqs (1951–1953) ein. Während der Überblick über die einschlägigen Artikel gelungen ist, bleibt ihre Einordnung unterkomplex. Klüsener setzt sich nur ungenügend mit dem bedeutenden Einschnitt auseinander, den der Tod Stalins 1953 und die ab 1956 einsetzende Entstalinisierung für den Ostblock und seine Politik gegenüber den Ländern des Südens bedeutete. Zudem räumt er einer Beschäftigung mit den exilierten Tudeh-Mitgliedern, die ab 1953 in die DDR kamen, wenig Raum ein. Zwar erwähnt er eine Rede des iranischen Schriftstellers und prominenten Tudeh-Mitglieds, Bozorg Alavi, vor Landwirt:innen in Sachsen-Anhalt, lässt aber die wahrscheinlich relevantere Rede Alavis vor Journalist:innen und Vertreter:innen des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) in Ost-Berlin im Dezember 19534 sowie die umfangreichen Solidaritätskampagnen der DDR-Presse für verfolgte iranische Kommunist:innen unerwähnt.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Zeit zwischen dem Bau der Berliner Mauer 1961 und dem Ende der außenpolitischen Isolation der DDR im Jahre 1969. Am Beispiel der Berichterstattung zum Staatsbesuch des iranischen Ministerpräsidenten Ali Amini in Bonn im Februar 1962 zeigt Klüsener, dass nicht nur der Kalte Krieg im Allgemeinen, sondern auch die Konkurrenz der beiden deutschen Staaten im Besonderen den Blick der DDR-Presse auf Iran erheblich beeinflusste. Darüber hinaus legt er überzeugend dar, dass führende Tudeh-Mitglieder seit ihrer Ankunft in der DDR zwar wiederholt als Iran-Experten in den Medien auftraten, dass der Raum, der ihnen zugestanden wurde, jedoch in großem Maße von den aktuellen Beziehungen der DDR bzw. der Sowjetunion zu Iran bestimmt wurde. Klüseners Analyse weist hier allerdings eine Vielzahl von Ungenauigkeiten auf. Er charakterisiert den ehemaligen iranischen Ministerpräsidenten Mosaddeq oxymorotisch als „feudal-bourgeois“ (S. 79), schreibt der „Abteilung Befreundete Parteien und Organisation beim ZK der SED” fälschlicherweise eine ähnliche Funktion wie der „Abteilung für Internationale Verbindungen“ zu (S. 105) und verwendet „Russian“ und „Soviet“ stellenweise synonym (S. 95).

Im darauffolgenden Kapitel gibt Klüsener Einblicke in die mediale Verarbeitung der Annäherung zwischen der DDR und Iran sowie der Iranischen Revolution von 1979. Bereits die Vorbereitungen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Iran schlugen sich demnach in der Berichterstattung der DDR-Presse nieder. Anstatt weiterhin über die Verflechtungen des Schahregimes mit dem „US-Imperialismus“ zu berichten, rückte ab 1971 eine wohlwollende Auseinandersetzung mit der Geschichte, Kultur und der technologischen Entwicklung Irans in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Während sich dieser Trend mit der offiziellen Aufnahme diplomatischer Beziehungen Ende des Jahres 1972 noch verstärkte, verstummten regime-kritische Stimmen weitgehend. Bis in den Herbst 1978 hinein ignorierte die DDR-Presse die Entstehung einer von islamistischen Strömungen dominierten revolutionären Bewegung. Dies änderte sich erst ab Oktober 1978. Zunächst unfähig, eine konkrete Linie zu finden, positionierte sich die DDR-Presse schließlich Ende Januar 1979 eindeutig, indem sie die Revolution unter der Führung Ayatollah Ruhollah Khomeinis unterstützte. Zwar stellt Klüsener diese radikale Wende anhand einschlägiger Zeitungsartikel nachvollziehbar dar, verzichtet aber vollkommen auf die Einbeziehung relevanter Dokumente des MfAA, die seine Analyse kontextualisiert und in die politische Strategie der DDR eingeordnet hätte.

Im letzten Kapitel befasst sich Klüsener vorrangig mit der Darstellung des Iran-Irak-Krieges (1980–1988). Dabei geht er vor allem auf den Versuch der DDR-Presse ein, während des Krieges absolute Neutralität gegenüber den beiden Konfliktparteien zu wahren. Zusätzlich begrenzte die DDR-Presse im Interesse der bilateralen Beziehungen zur neuen iranischen Regierung ihre Berichte zur inner-iranischen Opposition auf ein Minimum. Dies betraf auch die Tudeh-Partei, deren Mitglieder trotz ihrer erklärten Loyalität zu Khomeini ab 1983 Opfer staatlicher Verfolgung wurden. Erst nach Ende des Krieges 1988 räumten DDR-Printmedien oppositionellen Stimmen wieder mehr Raum ein. Klüsener lässt seine Leser:innen allerdings über die Gründe dafür im Unklaren und verweist lediglich vage auf die Öffnung der DDR-Gesellschaft im Laufe des Jahres 1989.

Die Studie schließt mit einem knappen Fazit. Klüsener konstatiert darin, dass die Stoßrichtung der Iran-Berichterstattung in der DDR stark von der zumeist pragmatischen Außenpolitik der SED gegenüber Iran beeinflusst wurde. Da die DDR-Presse in ihrer Berichterstattung jedoch oftmals auf Meldungen westlicher Agenturen angewiesen war, war die Einheitspartei zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die konkreten Inhalte der Medienprodukte vollständig zu kontrollieren. Das von der DDR-Presse erzeugte Iranbild war somit nicht nur das Produkt sozialistischer Realpolitik, sondern auch abhängig von der marktwirtschaftlich organisierten internationalen Informationsindustrie.

Trotz der genannten Defizite lohnt eine Lektüre von Klüseners Studie. Auch wenn es seiner Analyse gerade im Hinblick auf die Auswärtige Politik der DDR an Kontextualisierung und konkreter Archivarbeit mangelt, bietet sie einen umfangreichen Überblick zur Darstellung Irans durch die Printmedien in der DDR. Dies ist nicht nur für diejenigen interessant, die zur DDR-Mediengeschichte oder den Verflechtungen zwischen dem SED-Staat und Iran forschen; vielmehr bietet die Arbeit auch neue Einblicke bezüglich der medialen Präsenz eines Vertreters des (Globalen) Südens in einem Land des „Ostens“ während der Kernphase des Kalten Krieges.

Anmerkungen:
1 Siehe unter anderem: Matthias Bengtson-Krallert, Die DDR und der internationale Terrorismus, Marburg 2017; Lutz Maeke, DDR und PLO. Die Palästinapolitik des SED-Staates, Berlin 2017; Miriam Müller, A Spectre is Haunting Arabia. How the Germans Brought their Communism to Yemen, Bielefeld 2015.
2 Siehe Oliver Bast u.a., „Germany“, in Encyclopaedia Iranica Online, URL: <https://referenceworks.brillonline.com/entries/encyclopaedia-iranica-online/germany-COM_11019?s.num=0&s.f.s2_parent=s.f.book.encyclopaedia-iranica-online&s.au=%22Bast%2C+Oliver%22&s.q=Germany#COM-2071any#COM-2071> (19.02.2022).
3 Siehe unter anderem: Anke Fiedler / Michael Meyen (Hrsg.), Fiktionen für das Volk. DDR-Zeitungen als PR-Instrument. Fallstudien zu den Zentralorganen Neues Deutschland, Junge Welt, Neue Zeit und Der Morgen, Münster 2011; dies. (Hrsg.), Die Grenze im Kopf. Journalisten in der DDR, Berlin 2011.
4 Vgl. „Vortrag über die Lage im Iran von Bezorg [sic] Alavi vor Mitarbeitern des zentralen Parteiapparats,“ 21. Dezember 1953, BArch, DY 30/41486.

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