Kelten und Römer im Alpen-Adria-Raum

Cover
Titel
Kelten und Römer im Alpen-Adria-Raum. Das Zusammentreffen zweier Kulturen


Herausgeber
Boundary Productions
Erschienen
Stuttgart 2006: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
DVD-ROM
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sarah Junges, Universität Trier

Im Jahr 2006 erschien im Verlag Theiss die DVD „Kelten und Römer im Alpen-Adria-Raum“, welche einen 75-minütigen Abriss über die Geschichte des keltisch-römischen Kontaktes zwischen 387 v.Chr. und gallo-römischer Zeit bietet. Dabei wird besonders auf die frühen Keltenwanderungen und die Folgen für Rom eingegangen sowie auf die römischen Ausdehnungen bis nach Aquileia, die folgenreichen Kriegzüge Caesars, die Politik des Augustus und die Verschmelzung von Römern und Kelten zur gallo-römischen Kultur. Besondere Beachtung finden hierbei auch keltische und römische Siedlungen in Oberitalien und Österreich. Die äußerst detaillierte Dokumentation der antiken Geschichte des Alpen-Adria-Raumes zeichnet sich mitunter durch einen hohen Sprechanteil namhafter Archäologen, aber auch durch die Berücksichtigung römischer Schriftsteller aus. Diese gelungene Vernetzung lässt die DVD generell zu einem begrüßenswerten Medium werden. Auch die szenische Darstellungsweise ist für den Zuschauer attraktiv gestaltet durch eine Vielzahl an archäologischem Material, landschaftlichen Impressionen und der visuellen Rekonstruktion von Kelten und Römern. Trotz aller Präzision haben sich allerdings auch hier einige, wenige Fehler eingeschlichen.

Die Dokumentation beginnt mit der Schlacht an der Allia, in welcher Brennus das römische Heer zum Erliegen brachte. Und genau hier findet sich eine erste Ungenauigkeit in der Darstellung der Kelten: Während Münzfunde uns belegen, dass die Gallier ihre Bärte sehr lang, zum Teil auch in der Mitte geknotet trugen, bezeugt der Bericht des Poseidonius, dass die keltische Oberschicht einen Oberlippenbart trägt, die weniger gut Situierten sich gänzlich rasieren. Hier nun wird Brennus mit einem kurzen, roten, rundumlaufenden Bart skizziert1. Weiterhin fällt die Übersetzung des dies ater als „Unglückstag“ auf. Es steht außer Frage, dass der dies ater ein Unglückstag für Rom war, doch sollte in einer filmischen Darstellung, die mitunter dem Schulunterricht junger Menschen dient, die vielleicht sogar gerade den dies ater im Lateinunterricht besprechen, die Genauigkeit herrschen, zunächst eine wörtliche Übersetzung vorweisen zu können. Es muss also unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die exakte Übersetzung hierfür „schwarzer Tag“ lautet und metaphorisch auf die katastrophalen Umstände in Rom verweist.

Eine weitere Ungenauigkeit ergibt sich bei der kartographischen Darstellung der Keltenwanderungen um 400 v.Chr. Hier wird auf eine keltische Ausdehnung nach Italien, Südwestfrankreich, Südosteuropa und die Britischen Inseln verwiesen. Letztere wird jedoch nur auf Grund archäologischer Funde nahe York vermutet. Die dort entdeckte Arras-Kultur bestattete ihre Toten in auffallend ähnlicher Manier wie diejenigen der gleichnamigen Kultur aus dem heutigen Nordfrankreich: der Leichnam wurde unverbrannt unter einem Tumulus beerdigt; Grabbeigaben waren Trachten, Keramik und Waffen, teils auch ein zweirädriger Streitwagen. Die hier vorliegenden Funde sind jedoch nicht hinreichend, um von einer Einwanderung zu sprechen!2 Auch eine Einwanderung von Mitteleuropa nach Südfrankreich lässt sich archäologisch für den angegebenen Zeitraum nicht fassen.

Es sei des Weiteren darauf hingewiesen, dass die Verwendung von römischer Keramikware mit unzureichender Genauigkeit dargestellt wird. So wird auf die „weitreichenden Handelsbeziehungen“ der Römer zur Zeit der großen Keltenwanderungen (richtig auf ca. 400 v.Chr. datiert) verwiesen, diese jedoch szenisch umgesetzt mit einem keltischen Paar, welches Terra-Sigillata-Ware in der Hand hält. Diese Keramik wurde in Italien erst ab dem 1. Jahrhundert. v.Chr. verwendet und wird somit von keinem Kelten des 3. oder 4. vorchristlichen Jahrhunderts je in Händen gehalten worden sein. Auch die Form der in derselben Szene gezeigten Öllampe ist auf keinen Fall in die Zeit der keltischen Expansion zu datieren. Die rote Farbe, die geringe Öffnung des Abzugs, Schnauzenform und Randverzierung verweisen eindeutig auf Ware des 1., wenn nicht sogar des 2. nachchristlichen Jahrhunderts.

Es verwundert auch, dass ein solch genaues Datum zur Erklärung Noricums zur römischen Provinz gegeben werden kann. Wurde bisher doch immer darauf verwiesen, dass dies unter der Herrschaft des Claudius stattfand, nicht aber die exakte Jahreszahl zu rekonstruieren sei. Das genannte Jahr 45 n.Chr. könnte somit durchaus zutreffend sein, lässt sich aber leider nicht so präzise skizzieren, wie in der Dokumentation geschehen.3

Sieht man von den aufgezeigten Darstellungsfehlern allerdings einmal ab, so manifestiert sich die bemerkenswerte Genauigkeit, mit welcher die vorliegende DVD produziert wurde auf vielfältige Art und Weise. Leider wird hier zwar nicht der Grund für Brennus‘ Zug nach Rom angegeben, doch wird darauf verwiesen, dass sein Ausruf „Vae victis!“ legendär ist und nicht zwingend so ausgerufen worden sein muss. Auch die Hintergründe für den Beginn der großen Keltenwanderungen werden hier auf unterschiedliche Weisen skizziert. Unter anderem werden antike Autoren wie Livius zitiert, der eine Überbevölkerung als Ursache für die Mobilität der Kelten sieht.4 Aber auch Plinius, dessen wunderliche Geschichte des Kelten Helico, der Wein, Öl und Feigen von Rom in die Heimat brachte und somit seine Mitmenschen veranlasste, dort einzufallen5, findet Erwähnung. Um dieses Spektrum wissenschaftlich zu erweitern werden Archäologen herangezogen, die aus der Sicht des Forschers Stellung beziehen zu den literarischen Hinterlassenschaften und somit ein valides Bild der damaligen politischen Situation rekonstruieren. Visuell wird die Wanderung durch eine animierte Karte Europas verdeutlicht, auf die bereits eingegangen wurde, sowie durch landschaftliche Eindrücke, die die Vielfalt des Alpen-Adria-Raumes zum Ausdruck bringen. Somit wird ein eindrückliches geografisches, aber auch geschichtswissenschaftliches Bild der Keltenwanderung gegeben. Darüber hinaus schafft es die Dokumentation ein komplexes, aber für den Laien verständliches Bild der auf die Bevölkerungsverschiebung folgenden, sich ändernden politischen Verhältnisse zu umreißen. Dies geschieht mit Hilfe szenischer Nachstellung der keltisch-römischen Verhandlungen sowie der militärischen Einsätze und wiederum durch die Erläuterung durch Archäologen.6

Es ist weiterhin löblich festzuhalten, dass bei der Darstellung der politischen Verhältnisse auf die Signifikanz archäologischer Kleinfunde verwiesen wird. So wird hier beispielsweise dargestellt, wie über Münzfunde rekonstruiert werden kann, dass es mehrere keltische Fürsten im Noricum gegeben hat, was zugleich dem Mythos entgegenwirkt, es habe ein ethnisch und sozial einheitliches Keltentum gegeben. Auch figürliche Darstellungen keltischen und römischen Ursprungs sowie die Herstellung norischen Eisens durch experimentelle Archäologie und antike Bauwerke werden dem Zuschauer hier nicht vorenthalten.

Die Darstellung politischer Verhältnisse wird methodisch sicher und für den Laien unschwer nachvollziehbar von den Archäologen erklärt. Da – glücklicherweise – die Fülle dieser Rekonstruktionen hier zu behandeln, den Rahmen sprengen würde, sei exemplarisch darauf verwiesen, dass es wunderbar gelingt mit Unterstützung animierter Karten Augustus‘ Feldzug in Richtung Norden 15 n.Chr. zu erklären. Hierbei wird vollkommen richtig darauf verwiesen, dass das Noricum für ihn ein Bollwerk gegen nördliche, im Gegensatz zu Noricum selbst nicht freundlich gesinnte Völker war und dass dabei die Bodenschätze dieser Region ein besonderer Anreiz für seinen Einfall waren.

Besonders begrüßenswert ist hier auch die Verwendung computeranimierter Stadtrekonstruktionen in 3D-Format. Herangezogen wird diese Methode, um dem Zuschauer einen Eindruck des antiken Aguntum, der Thermenanlage in Teurnia, des Tempels für Isis Noreia und einer Tempelanlage nahe Virunum sowie gallo-römischer Grenzanlagen zu vermitteln. Dabei ist die Kameraführung stets darum bemüht sowohl Detail- als auch Totalaufnahmen des darzustellenden Objektes einzufangen.

Verwiesen sei an dieser Stelle noch auf das reichhaltige Zusatzmaterial der DVD, welches dem Zuschauer über den Hauptfilm hinaus einen interessanten Einblick in die Arbeit der Archäologen und Konservatoren bietet, sowie eine Auswahl an Museen und Archäologieparks zum behandelten Thema. Auch sehenswerte Städte mit keltischem und römischem Erbe werden vorgestellt. Schlussendlich wird auch eine aktuelle Grabung präsentiert, sodass dem Zuschauer ebenfalls ein Eindruck laufender Forschungen geboten wird. Weiterhin werden eine virtuelle Zeitleiste mit den wichtigsten Daten zu Kelten und Römern, Druckmaterialien zum behandelten Thema sowie eine Übersicht über die Drehorte mit kurzer Beschreibung derselben geboten.

Es bleibt abschließend festzuhalten, dass „Kelten und Römer im Alpen-Adria-Raum“ eine äußerst gelungene Produktion ist, die ihren Zugang in den Geschichtsunterricht und zum historisch wie archäologisch Interessierten finden sollte. Wenngleich sich einige, wenige Ungenauigkeiten eingeschlichen haben, so vermag es die DVD doch auf methodisch sehr präzisem Weg die politische Entwicklung des untersuchten Großraumes überzeugend und völlig korrekt wiederzugeben. Eine solche Vorgehensweise ist äußerst wünschenswert!

Anmerkungen:
1 Barry Cunliffe, The Ancient Celts. Middlesex 1997, S. 107. Poseidonius: Buch 23, hier bei Diodor: 28,1; vgl. z. B. die Münzen Crawford 448/2a und 452/4, auf denen Kelten mit ganz lang gewachsenem Bart abgebildet werden, siehe hierzu: David R. Sear, Roman Coins and Their Values I: The Republic and the The Twelve Caesars 280 BC - AD 86, London 2000.
2 Bernhard Maier, Die Kelten, München 2000, S. 128.
3 Thomas Fischer, Noricum, Mainz 2002, S. 5.
4 Livius, Ab urbe condita, 34.
5 Plinius d. Ä., naturalis historia, 12.
6 Vgl. Gerhard Dobesch, Die Kelten in Österreich nach den ältesten Berichten der Antike, Wien 1980, S. 110ff.

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