Jäger, Thomas; Kümmel, Gerhard (Hrsg.): Private Military and Security Companies. Chances, Problems, Pitfalls and Prospects. . Wiesbaden 2007 : VS Verlag für Sozialwissenschaften, ISBN 978-3-531-14901-1 502 S. € 59,90

: Blackwater. The Rise of the World's Most Powerful Mercenary Army. London 2007 : Serpent's Tail, ISBN 978-1-846-68630-6 464 S. £ 12.99

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Werner Bührer, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Technische Universität München

Anfang Dezember 2008 ging eine Meldung durch die Presse, dass die amerikanische Justiz wegen einer Schießerei in Bagdad, bei der mehr als ein Jahr zuvor 17 irakische Zivilisten getötet und 22 schwer verletzt worden waren, Anklage gegen sechs Mitarbeiter der Firma „Blackwater“ erhoben hat. Das in North Carolina ansässige Unternehmen ist das wohl berühmteste und berüchtigtste der rasant expandierenden Branche privater Sicherheits- und Militärdienstleister – eine Branche, die mittlerweile auch in der Wissenschaft mehr und mehr Aufmerksamkeit findet. Nicht nur Politologen und Soziologen, auch (Militär)Historiker widmen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Fragestellungen dem unaufhaltsam anmutenden Trend zur Privatisierung von Sicherheit und Krieg.1 Handelt es sich bei „Blackwater“, „Sandline“, „Executive Outcomes“ und ähnlichen Firmen lediglich um eine Wiederkehr der aus der Militär- und Kolonialgeschichte bekannten Söldnerarmeen – oder um etwas qualitativ Neues? Tragen sie, da in der Regel der Kontrolle der Parlamente entzogen, dazu bei, die Demokratien zu unterminieren – oder leisten sie umgekehrt einen Beitrag zur Etablierung bzw. Verteidigung demokratischer Strukturen? Und wie ist es um die Achtung der Menschenrechte durch private Sicherheits- und Militärfirmen bestellt? Solchen Fragen gehen die beiden hier vorzustellenden, recht gegensätzlich angelegten Veröffentlichungen nach.

Thomas Jäger, Politologe mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen an der Universität Köln, und Gerhard Kümmel, Militärsoziologe am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr, haben die ausnahmslos englischsprachigen Beiträge ihres Sammelbandes zu vier großen Themenblöcken zusammengefasst. Zunächst geht es um potentielle organisatorische Vorläufer und um die Antriebskräfte für die Gründung und Ausbreitung der heutigen privaten Sicherheitsfirmen. Gewisse Ähnlichkeiten oder sogar Gemeinsamkeiten mit ihnen weisen insbesondere die Kondottieri im Italien der Renaissance sowie die großen Handelsgesellschaften des 17. und 18. Jahrhunderts wie die „English East India Company“ oder die „Dutch East India Company“ auf. Dazu zählen etwa der privat organisierte Einsatz von Gewalt und die kommerzielle Ausrichtung. Allerdings existieren nach Ansicht der fünf Autoren dieses ersten Blocks auch gewichtige Unterschiede. So sieht etwa Carlos Ortiz in seinem Beitrag die Kondottieri im Wesentlichen auf die italienische Halbinsel beschränkt; außerdem habe ihnen die multinationale geschäftliche Dimension gefehlt; Daniel Kramer hebt hervor, dass heutige „Private Military Companies“ (PMCs) nur in Ausnahmefällen selbst ins Kampfgeschehen eingriffen. Kyle M. Ballard schließlich verweist auf den „beispiellos“ hohen Grad der Professionalisierung und Expertise der PMCs (S. 52). Hilfreich für die künftige Beschäftigung mit solchen Unternehmen ist auf jeden Fall seine von Kevin A. O’Brien 2 übernommene Typologie, welche erstens Söldner, zweitens Privatarmeen bzw. Milizen und Warlords, drittens private Sicherheitsfirmen und viertens private Militärfirmen unterscheidet (S. 41). Als wichtigste Triebkräfte des Aufstiegs der PMCs identifizieren die Autoren den allgemeinen Trend zur Privatisierung und zur Auslagerung von Staatsfunktionen, die rasante Zunahme von „non-combatant jobs“ (S. 64) im Rahmen kriegerischer Unternehmungen, die Erosion staatlicher Macht in bestimmten Regionen der Welt und schließlich die große Zahl ehemaliger Soldaten, die nach der Verkleinerung der Armeen seit dem Ende des Kalten Krieges nach neuen Betätigungsfeldern Ausschau hielten, in Verbindung mit einem Überangebot an Waffen.

Das zweite Kapitel enthält acht case studies, deren geographisches Spektrum von Sierra Leone und Kenia über den Irak und Bulgarien bis zu den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland reicht. Die Studien verdeutlichen unter anderem, welch große Bedeutung nationale Traditionen und Erfahrungen spielen. So vermeiden beispielsweise die Niederlande bisher das outsourcing militärischer Aufgaben an private Dienste. Auch in der Bundeswehr herrscht Skepsis vor; Privatisierungsmaßnahmen beschränkten sich im wesentlich auf mehr oder weniger zivile Bereiche wie Training oder Logistik.

Die Beiträge des dritten Themenblocks beschäftigen sich mit der Einhaltung der Menschenrechte durch PMCs, der teilweise heiklen Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen, den Auswirkungen der Privatisierung von Sicherheit auf ein effektives peacekeeping und mit den Gründen für die Neigung einiger Demokratien, in auswärtigen Bürgerkriegen auf PMCs zu vertrauen. Entgegen der gängigen Bewertung privater Sicherheitsfirmen als „zweischneidige Schwerter“ oder gar als eindeutige Gefahr für Demokratie, Frieden und Stabilität erinnern einige der Autoren dieses Kapitels allerdings an deren positive Seiten etwa als „Schutzschilder“ für humanitäre Hilfsorganisationen oder als Garanten von Recht und Ordnung, falls die staatlichen Strukturen vor Ort nicht ausreichen und eine UN-Mission nicht zustande kommt. PMCs ermöglichen es besonders in Situationen, in denen Kosten-Nutzen-Kalkulationen eine Intervention eigentlich verbieten würden, überhaupt „etwas zu tun“ und gleichzeitig die eigenen finanziellen, militärischen und politische Risiken zu minimieren (S. 307).

Der vierte Teil des Buches widmet sich schließlich wichtigen (völker)rechtlichen Aspekten. Erneut werden weitverbreitete kritische Ansichten in Zweifel gezogen, etwa wenn Sebastian Drutschmann behauptet, „that the available evidence does not suggest that Private Security Companies are more problematic in their behavior than their public counterparts“ (S. 448).

In ihrer fünfseitigen Zusammenfassung machen die beiden Herausgeber denn auch gar nicht den Versuch, die doch recht disparaten Beiträge auf einen Nenner zu bringen. Vielmehr präsentieren sie acht Thesen zur Bedeutung der privaten Sicherheits- und Militärfirmen, zu ihrer Zukunft und zu ihrer – teils positiven, teils negativen – Rolle als Konfliktparteien. Wie fast alle Autoren dieses höchst informativen Sammelbandes sind Jäger und Kümmel überzeugt, dass es sich nicht um ein vorübergehendes Phänomen handelt: Die gegenwärtigen westlichen Gesellschaften, schreiben sie in Anlehnung an Herfried Münkler, seien „casualty sensitive, casualty shy, and post-heroic and as such willing to let others do the dangerous ‘dirty jobs’“. Deshalb sei damit zu rechnen, dass solche Firmen in künftigen Konflikten zu einem Merkmal von Dauer werden würden (S. 459). Freilich bleibt abzuwarten, ob die vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zu beobachtende „Rückkehr des Staates“ den Trend zur Privatisierung der Sicherheit nicht doch wieder umkehren könnte.

Kritisch angemerkt werden müssen der Anlage des Bandes geschuldete häufige Wiederholungen bereits bekannter Sachverhalte, recht „blauäugige“ Betrachtungen zur friedens- und wohlstandsstiftenden Rolle der südafrikanischen Gesellschaft „Executive Outcomes“ in Afrika (bes. S. 96) und die bei einem halbwegs aufmerksamen Lektorat leicht zu vermeidende Falschinformation, Schleyer sei von „palästinensischen Terroristen“ ermordet worden (S. 92). Ungeachtet solcher Defizite ermöglicht der Sammelband einen gelungenen Einstieg in die Beschäftigung mit PMCs. Dass die Urteile über deren Rolle so unterschiedlich ausfallen, ist eher von Vorteil, weil die Leserinnen und Leser so gezwungen sind, eigene Schlüsse aus der Fülle an Informationen und Interpretationen zu ziehen.

Handelt es sich bei dem Sammelband von Jäger und Kümmel um ein wissenschaftliches Werk von teilweise handbuchartigem Zuschnitt, zielt der New Yorker Journalist Scahill, der selbst einige Zeit im Irak verbracht hat, auf ein Massenpublikum. Sein Buch über „Blackwater“ stand in den USA wochenlang auf der Bestsellerliste und wird derzeit verfilmt. Mittlerweile ist auch eine gegenüber der englischsprachigen Ausgabe leicht gekürzte deutsche Fassung erschienen 3. Schon der Untertitel der englischsprachigen Ausgabe lässt erkennen, dass Scahill an kategorialen Differenzierungen nicht sonderlich interessiert ist. Er legt es auf eine packende Enthüllungsstory über die Prince-Dynastie und den Aufstieg des Unternehmens vom „Schießstand zum wesentlichen Bestandteil der war on terror-Armada der Bush-Regierung“ an (S. 47). Im Mittelpunkt steht Erik Prince, der Gründer von Blackwater. Im Unterschied zu vielen anderen Erzeugnissen dieses Genres ist Scahills Buch jedoch akribisch recherchiert und dicht belegt und bietet durchweg eine spannende, mitunter wahrhaft haarsträubende Lektüre.

In neunzehn Kapiteln erzählt Scahill jedoch nicht nur die Geschichte des Unternehmens „Blackwater“ und der Prince-Familie; da die Kriege in Afghanistan und vor allem im Irak wichtige Impulse für das bis heute anhaltende Wachstum dieses Trendsetters der Sicherheitsbranche gaben, erfährt man außerdem viel über die amerikanische Kriegführung im Irak. Die Privatisierung des Personenschutzes für den amerikanischen Chef der zivilen Übergangsverwaltung in Bagdad, Paul L. Bremer, wertet Scahill übrigens als eine Art Durchbruch für die „Söldnerbranche“ insgesamt – freilich weniger unter finanziellen als vielmehr unter Prestige- und Marketinggesichtspunkten. Hatte das Verhältnis zwischen privaten Dienstleistern und regulären Soldaten im Golfkrieg Anfang der 1990er-Jahre noch bei 1:60 gelegen, betrug es im Irak 2006 fast 1:1 (S. 343).

Scahill zieht aber nicht nur andere „Söldnerfirmen“, sondern auch andere, „zivilere“ Betätigungsfelder in seine Betrachtungen ein. Ein großes Verdienst des Buches besteht darüber hinaus in der Aufdeckung des vielfältigen Beziehungsgeflechts zwischen der Prince-Dynastie und wichtigen „Blackwater“-Mitarbeitern auf der einen und der ‚Politik’, insbesondere der Republikanischen Partei und der Bush-Administration, sowie den Geheimdiensten auf der anderen Seite; die skandalöse Zusicherung „voller Immunität“ für „Blackwater“-Aktivitäten im Irak seitens der dortigen amerikanischen Zivilverwaltung dürfte eine Frucht dieser engen Beziehungen sein. Dabei spielten gemeinsame politische und auch religiöse Überzeugungen eine wichtige Rolle. Insofern verdeutlicht Scahill implizit und im Widerspruch zu seiner Terminologie einen entscheidenden Unterschied zwischen heutigen PMCs und dem Söldnertum früherer Zeiten: „Blackwater“ kämpft nämlich nicht allein für Geld, sondern auch für ‚Freiheit’ und ‚Demokratie’. Mehr noch, „several of its top officials are extreme religious zealots, some of whom appear to believe they are engaged in an epic battle for the defence of Christendom. What Blackwater seemingly advocates and envisions is a private army of God-fearing patriots, well paid and devoted to the agenda of U.S. hegemony.“ (S. 377). Mögen die Bäume der privaten Sicherheits- und Militärdienstleister nach dem Regierungswechsel in den USA und angesichts der mit der Finanz- und Wirtschaftskrise verbundenen Diskreditierung der Privatisierungsideologie auch nicht mehr in den Himmel wachsen – verschwinden werden sie wohl kaum. Umso nötiger ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Phänomen.

Anmerkungen:
1 Vgl. als prägnante Einführung in die Problematik Thomas Speckmann, Vom privaten Krieg. Die Renaissance des Söldnertums im Westen, in: Merkur (62) 2008, S. 658-666.
2 Kevin A. O’Brien, PMCs, Myths, and Mercenaries. The Debate on Private Military Companies, in: RUSI Journal, 145 (2002), S. 59-64.
3 Jeremy Scahill, Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt, München 2008.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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