R. Galichian: Countries South of the Caucasus in Medieval Maps

Cover
Titel
Countries South of the Caucasus in Medieval Maps. Armenia, Georgia and Azerbaijan


Autor(en)
Galichian, Rouben
Erschienen
Yerevan, London 2007: Gomidas Institute
Anzahl Seiten
208 S.
Preis
€ 41,70
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Dittmar Schorkowitz, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO), Universität Leipzig

Mit seinem jüngsten Buch bietet Rouben Galichian einem an historischer Geographie interessierten Fachpublikum einen erneut spannenden Einblick in seine Studien zur Kartographie des europäischen Mittelalters. Dies geschieht nicht ohne politischen Hintergrund. Hatte sein Erstlingswerk 1 sowohl den historischen Platz Armeniens unter den Ländern Osteuropas, Kleinasiens und des Mittleren Ostens als auch die kulturgeschichtliche Zugehörigkeit westarmenischer Gebiete Ostanatoliens sowie des formal noch zu Aserbaidschan gehörigen, ostarmenischen Arcach zu Armenien veranschaulicht, so geht es ihm nun im Kontext der Europäischen Nachbarschaftspolitik um das Aufzeigen von Bezügen der drei südkaukasischen Staaten zu Europa.

Das vorgestellte Kartenwerk verweist damit auf große Perspektiven. Denn sollte die Türkei wirklich Mitglied der Europäischen Union werden, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt eher fraglich erscheint, dann würden Armenien, Georgien und Aserbaidschan zu unmittelbaren Nachbarn der EU. Seit 2004 ist die Union daher im Vorfeld schon bemüht, die wirtschaftlichen und rechtlichen Strukturen der südkaukasischen Staaten europäischen Standards anzugleichen. Und hier will Rouben Galichian gleichsam im Gegenzug auch Europa einen Begriff von Südkaukasien geben.

Dies gelingt ihm überzeugend unter Verwendung von 82 europäischen und islamischen Karten, die in drei gleichgewichtigen Kapiteln vorgestellt und kommentiert werden. Das erste umfaßt antike sowie frühmittelalterliche Karten (1-32), beginnend mit einer Weltkarte von Sallust aus dem 1. Jahrhundert v.Chr., als Kopie aus dem 9. Jahrhundert, die einer Handschrift von 1607 aus der Leipziger Universitätsbibliothek entnommen ist. Ein Absatz mit Karten des spanischen Benediktinermönches Beatus von Liebana aus dem 8. Jahrhundert beendet diesen Abschnitt. Dem folgt ein Kapitel über islamische Karten (33-55) des 10. bis 14. Jahrhunderts, die für eine starke Schematisierung bekannt sind. Vorgestellt werden Abbildungen von Ibn-Hawqal, Al-Istakhrī, Al-Idrissī, Al-Qazwīnī, Al-Mustawfī und anderen Geographen. Das letzte Kapitel umfaßt schließlich erneut europäische Karten (56-82) für etwa den gleichen Zeitraum, nämlich aus dem 11. bis zum 14. Jahrhundert. Darunter befinden sich beispielsweise Abdrucke der in der Herzog August Bibliothek von Wolfenbüttel aufbewahrten Weltkarte des französischen Benediktinermönches Lambert von St. Omer, armenische und diverse andere Weltkarten (mappae mundi) oder auch die sehr illustrative Karte des für seine Portolane bekannten Pietro Vesconte.

Abgerundet wird das Ganze durch eine knappe Einführung, eine thesenförmige Zusammenfassung, eine exzellente Bibliographie sowie ein erschöpfendes Personen- und Ortsregister. Viele der Karten werden anhand von Detailausschnitten eingehend erläutert. Die Hauptkapitel sind durch farbige Rahmengestaltung voneinander abgesetzt, wodurch der Zugriff erleichtert wird. Die Qualität des bei PRINTINFO Erewan gedruckten Werkes läßt nichts zu wünschen übrig.

Die ‚mittelalterlichen’ Karten des von Galichian ausgewählten Zeithorizontes sind in der Tat besonders dazu angetan die Zugehörigkeit Südkaukasiens zur europäischen Zivilisation zu dokumentieren. Denn die ganzheitliche Wahrnehmung der alten Welt - mit Europa und Kleinasien, dem Nahen Osten und Nordafrika - ist an diesen Weltkarten gut ablesbar, wie die auf dem Buchumschlag abgebildete Karte von Ravenna illustriert. Erst zur Mitte des 15. Jahrhunderts ändert sich die gewohnte Sichtweise, bedingt durch die Konsolidierung der osmanischen Herrschaft und durch die zunehmende Orientierung der europäischen Reiche auf die Neue Welt mit ihren rasch an Bedeutung gewinnenden Kolonien. Hinzu kommt, daß mit Einführung des Buchdrucks in Europa auch die Vervielfältigung durch handschriftliches Kopieren um diese Zeit allmählich ihr Ende findet und damit das Wissensmonopol lokaler Kopiertraditionen einer allgemeinen Zugänglichkeit und Verdinglichung weicht.

Für das christliche Abendland geschah die kartographische Deutung der bekannten Alt-Welt überwiegend anhand so genannter „T-O“- oder auch „O-T“- Karten (orbis terrarum), so benannt nach der kreisförmigen Darstellung, aus der sich ein T deutlich abhebt.

Bild 1

Der Buchstabe T strukturiert die ‚bewohnte’ Welt auf einfache Weise in einen oberhalb des Querbalkens befindlichen Teil Asia und in die zwei beidseitig des Längsbalkens gelegenen Teile Europa und Africa. Hierbei stellt die Vertikale - wie einer Kopie der voranstehenden Weltkarte des Isidor aus dem 12. Jahrhundert (S. 53) zu entnehmen ist - das Mittelmeer (mari magno) dar und die beiden Hälften der Horizontale die Flüsse Don (Tanais) und Nil (Nilus). Bereits im 4. bis 5. Jahrhundert christianisiert, fanden die historischen Landschaften Südkaukasiens - Kolchis, Iberia, Armenia und Albania - früh Eingang in diesen von der Kirche noch im 6. Jahrhundert akzeptierten sphärischen Darstellungen des bekannten Erdkreises. Beim genaueren Betrachten von Isidors Karte erkennt man den Namen Armeniens zweimal: als Kleinarmenien an Kapadokien und Kilikien angrenzend sowie als Großarmenien, das sich von Südkaukasien bis nach Mesopotamien erstreckt. Während „T-O“-Darstellungen mit dem typischen Jerusalem-Zentrismus als eine kartographische Tradition in Ländern des christlichen Abendlandes aufgefaßt werden können, gliedern andere Abbildungen die Welt in vier Teile, wie bei Pomponius Mela und Beatus von Liebana, oder repräsentieren sie anhand klimatischer Zonen. Die zonale Einteilung - nach fünf, mitunter nach sieben Kriterien vorgenommen - geht auf die griechische Antike (Aristoteles, Eratosthenes, Ptolemäus, Posidonius) zurück und beeinflußte lateinische Denker (Vergil, Macrobius) sowie islamische Kartographen gleichermaßen.

Daß beide Traditionen früh Eingang in den armenischen Wissenskanon gefunden haben, veranschaulichen zwei Karten.

Bild 2

So weist die voranstehende Abbildung (S. 155) die charakteristische „T-O“ Anordnung mit einer schematischen Darstellung der Stadt Jerusalem im Zentrum auf. Entnommen ist sie dem im Matenadaran in Erewan aufbewahrten Āshkhārhātzūytz (Mirror of the World) und entstand wahrscheinlich vom späten 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. 2 Eine typische Zonalgliederung illustriert hingegen die folgende Karte (S. 34), die einer ebenso im Matenadaran befindlichen Übersetzung von Petrus Apianus’ Cosmographie ins Armenische aus dem Jahre 1621 entnommen ist. Neben fünf klimatischen Zonen zeigt sie eine sinusförmige Kurve um den Äquator mit den zwölf Tierkreiszeichen.

Bild 3

Doch anders als ihr Vorbild, die Macrobius Karte, hat die armenische Kopie den Süden an den Kopf der Zeichnung gestellt. Im übrigen aber entspricht die Gliederung der klassischen Aufteilung in fünf parallele Zonen, wie dies auf einer 1515 in Paris gedruckten Macrobius Karte (S. 33) gut ersichtlich ist.

Bild 4

Weit weniger deutlich in der geographischen Verortung einzelner Länder weisen nach klimatischen Zonen vorgenommene Darstellungen bewohnbar-bekannte und unbewohnbar-unbekannte Breiten nach überkommenen Schemata aus, denen einzelne Erdteile zugeordnet wurden. Die Vorstellung beispielsweise, daß südlich der temperierten nördlichen Breiten die Hitze ständig zunehme und in eine Zone der verbrannten Erde (perusta) übergehe, hat noch die Planungen der nach Afrika abgehenden Entdeckungsfahrten intensiv beschäftigt. Solch unter Nordvölkern verbreitete Fehlleitungen waren islamischen Kartographen, die den Mittleren Osten und Zentralasien bereisten, natürlich fremd. Zonale Karten hatten, wie die nachstehende Karte von Al-Qazwīnī illustriert (S. 119), bei ihnen Konjunktur.

Bild 5

In Fortführung griechischer und arabischer Tradition wurden sie um Eintragungen neu bekannt gewordener Landteile ständig erweitert und büßten ihre Bedeutung als Orientierungsgeber von Weltbeschreibungen auch im 17. Jahrhundert nicht ein. Dies jedenfalls legen die vom osmanischen Geographen Kātib Çelebi (1609-57) angefertigten Kopien aus dem Kartenwerk des persischen Schriftstellers Al-Mustawfī (1281-1339) nahe. Mittelalterliche Karten zeigen also, worauf Galichian zurecht verweist, keine Grenzverläufe auf, sondern bilden eine Anordnung von Ländern, Völkern und Erdteilen ab, die je nach Provenienz des Kartographen mit geographischen Eintragungen (Meere, Berge, Flüsse) und Codes (Jerusalem, Arche Noah etc.) versehen sind. Die historischen Landschaften Südkaukasiens waren nicht nur schon fester Bestandteil einer solch alteuropäischen Weltperzeption, sondern gestalteten diese - soweit es Armenien betrifft - auch selbst mit.

Anmerkungen:
1 Galichian, Rouben, Historic Maps of Armenia. The Cartographic Heritage, London 2004. Siehe dazu meine Besprechung in: Armenisch-Deutsche Korrespondenz Nr. 129-130, 3-4 (2005), S. 66-67 sowie online unter: http://geschichte-transnational.clio-online.net/rezensionen/type=rezbuecher&id=72807280.
2 Vgl. Galichian, Rouben, A Medieval Armenian T-O Map, in: Imago Mundi 60 (2008) 1, S. 86-92.

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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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