L. Partenheimer: Entstehung der Mark Brandenburg

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Titel
Die Entstehung der Mark Brandenburg. Mit einem lateinisch-deutschen Quellenanhang


Autor(en)
Partenheimer, Lutz
Erschienen
Köln 2007: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
216 S.
Preis
€ 19,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Matthias Hardt, Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas Leipzig

Historische Jubiläen bieten vielfach den Anlass, mit Feierlichkeiten und populären Publikationen geschichtliche Entwicklungen einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen. Obwohl es bei der Auswahl der dazu geeigneten Daten immer wieder zu Unrichtigkeiten oder großzügigen Auslegungen der zugrunde liegenden schriftlichen Überlieferungen kommt (Vorwort, S. 9-15), hat sich Lutz Partenheimer entschlossen, zum achthundertfünfzigsten "Geburtstag der Mark Brandenburg" (S. 12) eine mit einem Quellenanhang versehene Darstellung ihrer Entstehung vorzulegen. Als Geburtsstunde der Mark sieht Partenheimer, Historiker an der Universität Potsdam, den militärischen Erfolg des Askaniers Albrecht des Bären (1100-1170) gegen einen polnischen Großen namens Jaxa im Jahr 1157 an, der sich der Hevellerburg Brandenburg an der Havel bemächtigt hatte. Als Konsequenz dieses Ereignisses begann Albrecht wieder, den Titel eines "Markgrafen in Brandenburg" zu führen, den ihm die königliche Kanzlei allerdings schon seit 1140 gelegentlich zugebilligt hatte (S. 70). Partenheimer legt großen Wert darauf, dass die Eroberung der Brandenburg von 1157 rechtmäßig gewesen sei, weil der letzte Fürst der Heveller, Pribislaw-Heinrich, dem Askanier den Hauptort des Havellandes als Erbe überlassen habe (S. 13). Dem Autor ist also durchaus bewusst, dass die Wurzeln der Markgrafschaft Brandenburg, deren Kontinuität zum Bundesland Brandenburg er im übrigen trotz einiger Brüche als offensichtlich gegeben ansieht (Vorwort S. 9f.), im Fürstentum der Heveller zu suchen sind, und dementsprechend beginnt er seine den ersten Teil des Buches ausmachende Darstellung (S. 17-83) auch mit der Eroberung der Brandenburg durch den ostfränkischen König Heinrich I. im Winter 928/29 (S. 18-20). Dieses Ereignis wird in den Zusammenhang der Unterwerfung der slawischen Gruppen zwischen Elbe, Saale und Oder durch die ottonischen Könige gestellt, ebenso wie die Einrichtung der Bistümer in Brandenburg an der Havel und Havelberg, für die Partenheimer jedoch die von seinem Lehrer Helmut Assing vertretene eigenwillige Datierung auf das Jahr 965 gegenüber dem etablierten Jahr 948 bevorzugt (S. 28). Auch gegen diese Bistümer richtete sich der Slawenaufstand von 983 (S. 36-43), in dessen Folge eine die nächsten eineinhalb Jahrhunderte umfassende Folge von Versuchen des Königtums und adliger Herrschaftsträger einsetzte, von westelbischem Gebiet aus erneut Einfluss auf die slawischen Gebiete an Havel und Spree ausüben zu können (S. 45-51). In diesem Milieu vollzog sich der Aufstieg der Askanier, die von ihren Besitzungen und Grafschaften im nordöstlichen Harzvorland zunehmend Interessen an ostelbischem Gebiet entwickelten (S. 53-63) und in Person Albrechts des Bären schließlich im Jahr 1150 die Nachfolge des hevellischen Fürsten Pribislaw-Heinrich antreten (S. 65-72) und auch die Ansprüche des vielleicht mit dem letzteren verwandten Jaxa von Köpenick aus dem Weg räumen konnten (S. 73-76). Damit war der Kern der später noch weiter ausgreifenden Markgrafschaft Brandenburg gewonnen, deren weitere Entwicklung ebenso wie diejenige des askanischen Geschlechts in einem Ausblick angedeutet werden (S. 77-83).

Der zweite Teil des Buches enthält in Gegenüberstellung von lateinischem Text und deutscher Übersetzung 33 ausgewählte Quellen zur Frühgeschichte und Entstehung der Mark Brandenburg, beginnend mit dem Bericht Widukinds von Corvey über die Eroberung der Brandenburg durch Heinrich I. und endend mit der Darstellung des Landesausbaus in der Zeit Johanns I. und Ottos III. in der Markgrafenchronik (S. 86-161). Kurze Einführungen geben jeweils Informationen über die Verfasser und die maßgebliche Edition. Gegenüber den bereits vorliegenden Übersetzungen dieser Texte hat Lutz Partenheimer geringfügige Veränderungen vorgenommen, so dass er sich (S. 86) als deren Übersetzer bezeichnen kann. Den Schlussteil des Buches bilden teilweise ausführliche, bisweilen polemisierende Endnoten (S. 165-193), in denen sich zahlreiche Literaturhinweise finden, die keinen Eingang in die knappe Bibliographie (S. 195-197) gefunden haben. Zwei Tabellen geben einen Überblick über die Kämpfe um die Brandenburg (S. 199f.) und die Urkunden Albrechts des Bären (S. 201-206), und ein Orts- und Personenregister (S. 207-216) hilft bei der Erschließung des kleinen Bändchens.

Mit der kurzen Darstellung und dem Quellenanhang könnte Lutz Partenheimer vielleicht wirklich der Vermittlung historischer Erkenntnisse zur frühen Geschichte der Mark Brandenburg dienen, stünde er nicht in der Tradition längst überwunden geglaubter nationalgeschichtlicher und dynastisch-apologetischer landesgeschichtlicher Forschung. So hat Partenheimer eine allein deutsche Perspektive, und er bedauert, dass die Askanier, die für ihn zu den "ältesten europäischen Hochadelsfamilien" (S. 53) gehören, niemals die Königswürde erlangen konnten, um so die "deutsche Geschichte" noch stärker zu beeinflussen (S. 83). Die Ottonen und Salier waren für ihn unbezweifelt "deutsche Könige" in einem "deutschen Königreich" (S. 14, 25, 46), und Otto der Reiche von Ballenstedt begann nach Meinung des Autors dementsprechend "mit der Wiedereingliederung der ostelbischen Gebiete in das deutsche Reich" (S. 61). Aus dieser einseitigen Perspektive ergibt sich eine dem slawischen Anteil an der Geschichte der Mark Brandenburg negativ gegenüberstehende Gesamtdarstellung, aus der sich dann auch erklärt, warum im Jahr 992/993 "auch dem westlich der Spreewanen gelegenen Hevellerfürstentum die Gefahr [gedroht habe], unter polnischen Einfluss zu geraten" (S. 41). Warum diese Polen, denen im übrigen gleichzeitig auch ein Krieg "mit den Russen" (S. 40) gedroht habe, den Hevellern gefährlicher gewesen sein sollen als die sächsischen Krieger Ottos III., erklärt sich eben nur aus der nationalen Wahrnehmung Lutz Partenheimers, dessen Schilderung der Entstehung der Mark Brandenburg auf diese Weise nicht dem aktuellen Stand der Erforschung der Frühzeit Ostmitteleuropas entsprechen kann.

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