H.-P. Sütterle: Die Salier und das Elsass

Titel
Die Salier und das Elsass. Studien zu den Herrschaftsverhältnissen und zu den politischen Kräften in einer „Randregion“ des Reiches (1002-1125)


Autor(en)
Sütterle, Hans-Peter
Reihe
Europäische Hochschulschriften, Reihe 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 1058
Erschienen
Frankfurt am Main 2009: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 56,50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Caspar Ehlers, Repertorium der deutschen Königspfalzen, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte

Die zu besprechende Arbeit ist die 1997 an der Universität Freiburg vorgelegte Dissertation Sütterles, die in den vergangenen zwölf Jahren gewisse Ergänzungen erfahren hat, wie das Literaturverzeichnis zu erkennen gibt, nicht jedoch die Einleitung, die sich auf die Speyerer Salierausstellung 1992 als initiierendes Moment der Forschung zu dieser Dynastie beruft. Inzwischen ist einiges Wasser den Rhein hinabgeflossen, vor allem in Bezug auf die Erforschung historischer Landschaften und ihrer Bedeutung für die Herrschaftspraxis des ostfränkisch-deutschen Königtums.

Hans-Peter Sütterle hat seine Untersuchung in vier Hauptteile gegliedert, deren erster sich „Itinerar und Urkunden der Könige“ zwischen Heinrich II. und Heinrich V. widmet. Teil zwei wechselt die Perspektive und beleuchtet das Verhältnis des elsässischen Adels zum Königtum „am Beispiel dreier Familien“, während der dritte Teil erneut vom Königtum aus dessen „Beziehungen […] zu den Bischofskirchen von Straßburg und Basel“ untersucht. Erneut vom Elsass aus blickt Sütterle im vierten Teil, wenn die Klöster der Region „in ihren Beziehungen zum salischen Königtum“ betrachtet werden.

Sowohl der zeitliche Horizont der Arbeit – es wird nicht deutlich, warum Heinrich II. zu den Saliern gerechnet wird; auch wenn es gute Gründe dafür geben mag, wird keiner genannt – als auch der geographische – etwas unvermittelt wird auf S. 11 in sechs Zeilen der Raum umrissen – bleiben unterbelichtet. So erschließt sich auch nicht unmittelbar, warum im Titel das Elsass im 11. Jahrhundert als „Randregion“ in Anführungszeichen herabgesetzt wird, zumal da in den Ergebnissen im Grunde das Gegenteil suggeriert wird. Vermutlich handelt es sich um eine Auseinandersetzung mit der Charakterisierung des Elsass durch Müller-Mertens, der jedoch Otto I. beziehungsweise die Ottonen in den Fokus gestellt hatte.

Die Untersuchung der Itinerare folgt der Methode von Müller-Mertens, die versucht, die immense Zahl der unbekannten Tagesaufenthalte durch Anbindung an bekannte Besuche zu reduzieren und so die Verweildauer am Ort oder in einer Region zu erhöhen. Festtagsaufenthalte der Salier werden gesondert untersucht, wobei sich herausstellt, dass diese in Straßburg und nicht in Basel verbracht wurden (S. 21f.). Einer chronologischen Darstellung der Bischofseinsetzungen zwischen 1025 und 1123 in Basel und Straßburg folgt eine gleichartig gegliederte Übersicht der „Hoftage, Synoden und Treffen mit Großen“, der ebenfalls ein Resümee fehlt, aber es scheint sich zu zeigen, dass Basel als Ort für solcherart Ereignisse bevorzugt wurde wie auch als Ausgangspunkt für Unternehmungen Richtung Burgund und Italien. Methodisch problematischer erscheint der Ansatz zu den Ausstellungsorten von Urkunden, denn hier fragt Sütterle nach „Aufenthalte[n] anlässlich von Schenkungen und Privilegien“, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass „Empfänger aus allen Teilen des Reiches ins Elsaß kamen, um dort mit Urkunden ausgestattet zu werden“, was nicht weiter überrascht und das Elsass nicht von anderen Regionen des Reiches während der lang anhaltenden Herrschaftspraxis des Reisekönigtums unterscheidet. Hier von dem Zurückweichen der „Bedeutung überkommener Stammesgrenzen“ (S. 45) zu sprechen, bedeutet, offene Türen einzurennen.

Dem elsässischen Bestand königlicher Urkunden nähert sich Sütterle zunächst quantifizierend, es lägen 80 Stücke aus dem Jahrhundert zwischen 1002 und 1125 vor, die „einen Bezug zum Elsaß haben“ (S. 49) und die in drei Gruppen einzuteilen seien, nämlich in solche, die sowohl im Elsass als auch für einen Empfänger aus dem Elsass gegeben wurden, solche von außerhalb für einen elsässischen Empfänger und schließlich im Elsass für Auswärtige verfertigte Diplome. Letztere Gruppe ist mit 47 Stücken (also knapp 59%!) zwar die umfangreichste, aber man fragt sich doch, ob sie nicht mehr über die Reichweite königlicher Maßnahmen als über die Funktion des Elsass als Königslandschaft aussagt (vgl. die narrative Auswertung dieses Bestandes, S. 62–70). Insgesamt kommt Sütterle zu dem Ergebnis, dass sich die vorherrschende Stellung Straßburgs als „Zentralort“ auch anhand der Urkundenüberlieferung erkennen lässt, „einsetzend mit der Herrschaft König Konrads II. tritt das Elsass sichtlich als Nahzone der Königsherrschaft hervor“ (S. 72).

Den personalen Beziehungen zwischen Königtum und Elsass widmet sich der zweite Hauptteil, der vom späten 10. Jahrhundert ausgehend die Schwierigkeiten darlegt, die mit den Anfängen der Habsburger in der Region, den elsässischen Grafen von Dagsburg-Egisheim sowie den frühen Staufern verbunden sind, die nach dem Ende der Grafen 1089 in deren Dagsburgisches Erbe einzutreten versuchten, was eine Neuordnung des Elsass zur Folge hatte. Die Frage nach den verwandtschaftlichen und politischen Beziehungen der elsässischen Grafen sowie der Staufer wird breit erörtert, ihre Unabhängigkeit gegenüber dem Kaiserhaus hervorgehoben (etwa S. 132). In einem längeren Exkurs zur Verwandtschaft Hildegards von Schlettstadt legt Sütterle seine Ansicht dar, dass die Staufer mit dem burgundischen Königshaus verwandt gewesen seien (S. 133–144). Späterhin gelang es den Staufern, einen Teil des salischen Erbes am Heiligen Forst an sich zu ziehen und so ihre Vormachtstellung im Elsass noch weiter auszubauen (S. 145–154).

Der dritte Teil untersucht die beiden Bischofsitze des Elsass auf ihre Beziehungen zum Königtum. Straßburg ist zwar schon in vorsalischer Zeit eine von Königen besuchte civitas, erlebt aber erst unter Heinrich II. und den Saliern einen gewissen Aufschwung in seiner Bedeutung für die Könige, was sich an Besuchen und Privilegien erkennen lässt. Im Gegensatz zu Straßburg musste Basel erst spät in das ostfränkisch-deutsche Reich aus dem burgundischen Kontext integriert werden, was von Heinrich II. und Konrad II. begonnen und von Heinrich III. beendet wurde (S. 189–193). Die Bischöfe beider Diözesen standen in den Kämpfen Heinrichs IV. mit der süddeutschen Opposition auf Seiten des Saliers, Burchard von Basel und Thiepald von Straßburg unterlagen jedoch gemeinsam dem Aufgebot Rudolfs von Rheinfelden (S. 203ff.). Beide Bistümer blieben ohne Schisma während der gesamten Zeit des Investiturstreites auf salischer Seite (S. 213).

Bei der in Teil IV vorgenommenen Betrachtung der Klöster im Elsass werden Selz und St. Alban zu Basel aus dem Umfeld der Cluniazenser sowie die Konvente der Augustiner-Chorherren untersucht. Das von Adelheid, der Witwe Ottos des Großen, gegründete Kloster in Selz wird von Heinrich II. und allen salischen Königen außer Heinrich V. aufgesucht. 1097 wird die Gründerin heiliggesprochen. Wie Selz, so stand auch das wesentlich jüngere Albanskloster vor Basel, eine Gründung Bischof Burchards aus den 1080er-Jahren, den Cluniazensern und dem bedrängten König Heinrich IV. nahe (S. 239), während die den Augustiner-Chorherren zuzurechnenden Klöster, wie etwa Marbach, den Reformern nahestanden.

Eine gute Zusammenfassung der Ergebnisse beschließt den Band (S. 245–248), in einem Anhang werden von den das Elsass betreffenden Urkunden ein knappes Regest sowie die Edition in den MGH genannt, bei Heinrich V. jedoch nur die Regestennummer bei Stumpf-Brentano und kein anderer Druck.

Trotz der langen Zeitspanne zwischen Fertigstellung und Publikation dürfte die Arbeit von Hans-Peter Sütterle anregend auf die – auch vergleichende – Forschung zu den Regionen des salischen Reiches wirken. Die Karte (S. 309) visualisiert die Nutzung elsässischer Orte durch den letzten Ottonen und die Salier in gewohnter Form mit inserierten Balkendiagrammen, aus denen sich deutlich die Vorrangstellung Straßburgs ergibt. Es folgen Basel und dann mit Abstand keine zehn Orte, was die Frage nach dem Elsass als „Handlungsraum“ für den reisenden König des elften Jahrhunderts aufwirft. Vielleicht hätte hier eine Kartierung der Urkundenempfänger und der ausgeteilten Privilegien den Rahmen erweitern können.