Staats- und Verfassungsschutz in der Bundesrepublik

: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik. Göttingen 2012 : Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 978-3-525-30041-1 378 S., 5 Grafiken, 3 Abb., 3 Tabellen € 34,99

: Nach Lektüre vernichten!. Der geheime Nachrichtendienst von CDU und CSU im Kalten Krieg. München 2013 : Carl Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-24144-2 303 S. € 19,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dominik Rigoll, Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Während die Geschichte der DDR zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf der Grundlage von Quellen ihrer Staatsschutzorgane geschrieben wird, harrt die westdeutsche „streitbare Demokratie“ noch immer ihrer Historisierung. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es ost- und westdeutschen Bürgerrechtlern in den Wendejahren nicht gelang, neben ostdeutschen Geheimakten auch solche aus der „alten Bundesrepublik“ leichter zugänglich zu machen.1 Solange die Ämter für Verfassungsschutz ihre Archivbestände nur Auftragsforschern öffnen, verwundert es wenig, dass über linke Antisemiten ungleich dickere Bücher geschrieben werden als über den V-Mann, der ihnen 1969 die erste Bombe besorgte, nachdem er zuvor schon die Molotow-Cocktails herangeschafft hatte, die 1967 gegen das Springer-Hochhaus geworfen wurden.2 Und es gibt noch eine zweite analytische Asymmetrie: Während zu den Auseinandersetzungen um die Rote Armee Fraktion mittlerweile sowohl Diskursgeschichten3 als auch Ansätze zur Historisierung staatlichen Handelns4 existieren, wurde dem Schutz der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ in den 1950er- und 1960er-Jahren bislang kaum Beachtung geschenkt. Dabei hatte der Jurist Alexander von Brünneck bereits 1978 in einer noch immer lesenswerten Studie gezeigt, dass man auch ohne den Zugang zu Geheimakten eine empirisch dichte Analyse jener Ära abliefern kann, in der es neben hunderten von Organisations- und Zeitungsverboten nicht weniger als 125.000 politische Strafverfahren gegen Kommunisten und Neutralisten gab.5

Josef Foschepoths Studie zur Post- und Telefonüberwachung, inzwischen bereits in zweiter Auflage erschienen, setzt nun in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein, als die Hauptgefahr in den Augen der Westalliierten noch nicht primär von Kommunisten oder neonazistischen Gruppierungen ausging, sondern von den rund 200.000 NS-Funktionsträgern und Militärs, die 1945 entlassen und zum Teil interniert worden waren. Der Freiburger Historiker macht sichtbar, dass die Alliierten einige der seit der Kapitulation der Wehrmacht bestehenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen mit Gründung der Bundesrepublik nicht etwa einstellten, sondern ausbauten – mit tatkräftiger Unterstützung deutscher Politiker wie Bundesinnenminister Robert Lehr (CDU), Bundesjustizminister Thomas Dehler (FDP) und – immer wieder – Konrad Adenauer, der die „Notwendigkeit einer alliierten Zensur“ ausdrücklich anerkannte, wie man bei der Hohen Kommission zufrieden registrierte (zitiert auf S. 57).

Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen des Buches, das zusätzlich zur Darstellung einen umfangreichen Quellenanhang mit bislang überwiegend unveröffentlichten Dokumenten bietet (S. 274–362), zählt sicher, dass es neben spezifischen Kontrollmaßnahmen, die auf Einzelpersonen und Organisationen zielten, eine unspezifische Massenzensur gab. Man zapfte nicht nur hunderte Einzelanschlüsse an, sondern hörte dauerhaft ganze Telefon-, Fernschreib- und Telegraphenleitungen ab – vor allem ins östliche Ausland, aber auch in westliche Staaten sowie im Bundesgebiet selbst. Zugleich begnügte man sich nicht damit, monatlich „6–8000 Privatbriefe aus der SBZ“ zu öffnen, die an bestimmte Einzelpersonen oder Häusergruppen adressiert waren.6 Vielmehr wurden von 1950 bis zu einem deutsch-deutschen Postpropaganda-Stopp im Zuge der Neuen Ostpolitik im September 1971 bis zu 17,2 Millionen „staatsgefährdende“ Broschüren im Jahr (!) aus dem Verkehr gezogen. Das „Bedürfnis“, möglichst viele Postsendungen gar nicht erst weiter zu prüfen, wurde dem Vermerk eines Ministerialbeamten vom Juni 1951 zufolge „allgemein anerkannt. Der Vertreter des Bundesministeriums des Innern wurde deshalb gebeten, dahin zu wirken, dass die Polizeibehörden ohne Verursachung weiterer Kosten das angefallene Propagandamaterial an Ort und Stelle durch Verbrennung vernichten.“

Ausgeführt wurde die Massenzensur von bundesweit rund 220 Postbeamten. Zunächst nur auf Geheiß der Alliierten, ab Mitte der 1950er-Jahre dann auch im Auftrag der Bundesregierung ergänzten sie den „antifaschistischen Schutzwall“ in rund 30 dezentralen Kontrollstellen um eine Art antitotalitäre Firewall. Rechtlich begründet wurde die Aufhebung des Postgeheimnisses (Artikel 10 GG) und des Zensurverbots (Artikel 5) von Justizminister Dehler mit dem Hinweis auf die „Treuepflicht“ (Artikel 33), die es allen Beamten auferlege, der Polizei sämtliche möglicherweise strafbaren Handlungen bekannt zu machen, derer sie innerhalb und außerhalb des Dienstes gewahr wurden. Erinnert wurden die Beamten auch an ein dubioses, jahrzehntelang unter Verschluss gehaltenes Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs von 1952, in dem fünf Beispielbroschüren kommunistischer Provenienz als „staatsgefährdend“ identifiziert worden waren. Nach diesem „Fünf-Broschüren-Urteil“7 galt das Versenden vergleichbarer Schriften generell als Straftat. Reichte diese Konstruktion nicht aus (die in ihrem Einfallsreichtum durchaus repräsentativ ist für die Geschichte der „streitbaren Demokratie“), blieb der Exekutive und der Justiz das Besatzungsrecht: Mit dem „Schutz der Sicherheit der alliierten Streitkräfte“ ließ sich im Zweifelsfall alles und jedes rechtfertigen; dafür sorgten deutsch-alliierte Geheimabkommen, die nicht von Adenauer oder einem Minister, sondern von Staatssekretär Hans Globke unterzeichnet wurden – dem ein Biograph 2009 also etwas zu vorschnell attestierte, seine Kritiker hätten ihm zu viel Einfluss zugeschrieben.8

Eine zentrale Rolle bei der Koordination der Überwachung spielte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das seit 1954 über den Polizeikräften stand (zitiert auf S. 139): „In Fällen von besonderer Bedeutung unterrichtet die Polizei vor Durchführung von Exekutivmaßnahmen den Verfassungsschutz. Solche Maßnahmen werden von der Polizei im Benehmen mit dem Verfassungsschutz durchgeführt.“ Bis 1972 eigentlich nur dazu befugt, als streng von der Polizei getrennte Informationssammelstelle zu fungieren, agierte das BfV laut Foschepoth im Grunde so wie andere Geheimdienste auch: Spionage, Spionageabwehr, Gegenspionage, und zwar sowohl auf dem Gebiet der Bundesrepublik als auch mit V-Leuten in der DDR (vgl. S. 137) – alles freilich, wie man im ostdeutschen Kontext sagen würde, unter der Anleitung und Kontrolle westalliierter Sicherheitsdirektoren, deren eigene Protegés vor der deutschen Strafverfolgung geschützt waren. BfV-Präsident Hubert Schrübbers, der als Staatsanwalt sowohl in der politischen NS-Justiz als auch bei der Genese des „Fünf-Broschüren-Urteils“ involviert gewesen war, sprach 1963 von einem „einheitlichen nachrichtendienstlichen Organismus“ (zitiert auf S. 265).

Wie interpretiert Foschepoth seine Ergebnisse, die zu einem Großteil aus Geheimakten des Bundeskanzleramts und diverser Bundesministerien stammen, die der Forschung nicht zuletzt dank seiner bewundernswerten Hartnäckigkeit zugänglich gemacht wurden?9 Grundlegend für seine Argumentation ist die Überzeugung, dass die Westalliierten auch in der Hochzeit des Kalten Kriegs trotz anderslautender öffentlicher Beteuerungen nicht nur in der Sowjetunion eine Gefahr für die Stabilität in Europa erkannt hätten, sondern immer auch in dem eng mit ihnen verbündeten westdeutschen Teilstaat. Um beide Gefahren erfolgreich „eindämmen“ zu können, hätten insbesondere die USA aus der „alten Bundesrepublik“ einen zuverlässigen „Frontstaat“ gemacht (S. 28), der Zeit seiner Existenz nicht nur auf dem Gebiet der äußeren, sondern ebenso auf dem der inneren Sicherheit viel weniger autonom gewesen sei als bislang bekannt. Die „dauerhafte Beschränkung der Souveränität und Autonomie“ der Bonner Republik sei „nötig“ gewesen, um die Westbindung „für den Westen überhaupt erträglich zu machen“ (S. 271). Adenauer wiederum habe die alliierte Bevormundung geradezu willfährig akzeptiert, da er die Westintegration auf keinen Fall habe gefährden wollen. Aber auch die SPD habe sich seit der Großen Koalition mit ihr abgefunden, um regierungsfähig zu sein. Den exorbitanten Staatsschutzapparat und die millionenfache Zensur führt Foschepoth zum einen auf Adenauers Überzeugung zurück, die Westdeutschen sehnten sich nach einem starken Staat. Zum anderen hätten sich in der Ministerialbürokratie autoritäre Einstellungen konserviert. Erst unter dem Eindruck der „Spiegel“- und der Verfassungsschutz-Affäre sei an der Spitze der bundesdeutschen „Staatsdemokratie“ in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre ein „Hauch von Liberalisierung“ spürbar gewesen (S. 269), wobei sich an der Kontrollpraxis allerdings nicht viel geändert habe. Auch nach dem Propagandastopp 1971 kontrollierte der Bundesnachrichtendienst (BND) jährlich rund 1,6 Millionen Briefe aus der DDR.

Eine Schwäche des Buches ist, dass Foschepoth diese durchaus nachvollziehbaren übergreifenden Deutungen nicht mit Quellenbelegen stützt. Zu nah argumentiert er an den verfassungs- und besatzungsrechtlichen Problemen entlang, mit denen sich der von ihm konsultierte Aktenbestand in erster Linie beschäftigt. Über weite Strecken des Buches beobachtet man den Bundeskanzler, eine Handvoll Minister und Ministerialbeamte dabei, wie sie internationale Abkommen schließen oder sich allerlei juristische Tricks ausdenken, wie der verabredete Verfassungsbruch und der mit ihm zusammenhängende Souveränitätsverzicht für die wenigen, die davon wussten, mit einem rechtsstaatlichen Mäntelchen versehen und vor dem Rest streng geheim gehalten werden konnte. Der konkrete Zensurvorgang vor Ort oder Proteste an der Basis des Staatsapparats werden vergleichsweise selten betrachtet. Dies ist auch insofern schade, als die Einleitung neben „neuen Quellen“ mit der Geschichte der Bonner „Staatsdemokratie“ auch einen „neuen Untersuchungsgegenstand“ ankündigt, der die Formulierung „neuer Fragestellungen“ erfordere, die die westdeutsche Erfolgsgeschichtsschreibung bislang vernachlässigt habe (S. 7–18). Da Foschepoth jedoch vor allem auf die mangelnde Rechtsstaatlichkeit der untersuchten Praktiken bzw. auf den autoritären Antikommunismus der Akteure abhebt, unterscheidet sich sein Ansatz gar nicht so sehr von dem, was von Brünneck bereits 1978 vorgelegt hat.10

Hätte Foschepoth nicht nur Adenauer und seine Verhandlungspartner in die Analyse einbezogen, sondern verstärkt Entwicklungen in der Bundesrepublik und den westalliierten Gesellschaften, wäre der Kanzler womöglich weniger als gewissenloser Machiavelli erschienen denn als Getriebener, der wohl nicht ganz zu Unrecht davon ausging, dass er die problematischen Seiten seiner Westpolitik – den Mangel an Souveränität, die Zementierung der Teilung – auf Biegen und Brechen geheim halten musste, wenn er nicht ein Gutteil seiner Wählerschaft an die radikale Rechte verlieren wollte. Hätte Foschepoth zudem den Staatsapparat genauer unter die Lupe genommen, wäre vielleicht deutlich geworden, dass ein Gutteil der den Kanzler umgebenden Ministerialbeamten nicht nur ein ideologisches, sondern ein geradezu materielles Interesse daran hatte, dass zensiert und dauerhaft mundtot gemacht würde, wer auf Flugblättern und in Broschüren daran erinnerte, dass bestimmte Beamte bereits im NS-Staat an ähnlicher Stelle tätig gewesen waren. Lag es vor diesem Hintergrund nicht durchaus nahe, vorsichtshalber gleich alles Papier als „staatsgefährdend“ aus dem Verkehr zu ziehen, was tatsächlich oder vermeintlich von der KPD/SED kam?

So wird es den – hoffentlich zahlreichen – Anschlussstudien vorbehalten sein, die angesichts der Massenzensur und der vom BfV in Ostdeutschland rekrutierten „inoffiziellen Mitarbeiter“ naheliegende, vom Autor selbst aufgeworfene Frage zu beantworten, ob die „Verflechtung und Abgrenzung“ beider deutschen Teilstaaten womöglich weniger „asymmetrisch“ war als bisher angenommen (vgl. S. 261). Darüber hinaus wäre etwa zu untersuchen, ob es sich bei den von Foschepoth aufgedeckten Praktiken nicht nur um klassischen Staatsschutz handelte, sondern um eine Frühform der „Human Security“, die ihren Fokus auf das Sicherheitsbedürfnis von Individuen und gesellschaftlichen Gruppen legt.11 Schließlich scheint die Massenzensur nicht in erster Linie zum Schutz staatlicher Hoheitsfunktionen etabliert worden zu sein, sondern für die Sicherheitsbedürfnisse derer, die sie seit 1949 auszuführen hatten, vor „der Unabgeschlossenheit historischer Bewertungen und der Diffusität gesellschaftlicher Leitbilder“.12

Auch bei Stefanie Waskes Buch über einen Nachrichtendienst, der im Auftrag der CDU/CSU die Neue Ostpolitik zu torpedieren versuchte und in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre einem globalen Netzwerk zur „Befreiung vom Kommunismus“ (Bernd Stöver) angehörte, ist zu hoffen, dass es den Anstoß für weitere Studien gibt. Ähnlich wie Foschepoth war Waske bei Recherchen in einem anderen Zusammenhang auf Aktenhinweise gestoßen, die sie zu einem versiegelten Aktenbestand im Archiv für Christlich-Demokratische Politik führten. Gemeinsam mit der „ZEIT“ stellte die Politologin, die bereits eine Doktorarbeit zum Thema vorgelegt hat13, 2012 einen Antrag auf Akteneinsicht und veröffentlichte schon wenige Monate später ein Buch, das sich an ein breites Publikum richtet.

Die Quellengrundlage sind vor allem Berichte des Dienstes aus den Jahren 1970 bis 1982. Bestimmte Geheim- und Personalakten sind zunächst weiterhin unter Verschluss. In seinem Kern bestand die kleine Gruppe um Karl Theodor zu Guttenberg (der Großvater des späteren Verteidigungsministers) und Hans Christoph zu Stauffenberg (ein entfernter Verwandter des Widerstandskämpfers) aus ehemaligen BND-Mitarbeitern, die 1969/70 von Kanzleramtschef Horst Ehmke wegen mangelnder politischer Eignung weggelobt worden waren. Davon überzeugt, dass die weltweite Entspannungspolitik die Gefahr einer sowjetischen Dominanz in sich berge, ließen sie hochrangige V-Männer in aller Welt weiterhin Informationen sammeln und leiteten diese weiter – an Unionspolitiker wie Rainer Barzel und Alfred Dregger, „graue Eminenzen“ wie Hans Globke und Journalisten wie Gerhard Löwenthal. Aufträge und Gelder kamen zum einen von der Union, zum anderen von der Wirtschaft. Wertvolle Dienste „auf dem Gebiet der steuerfreien Einschleusung politischen Geldes“ (Stauffenberg an Guttenberg, S. 95) leistete anscheinend ein Verein um den konservativen Publizisten Otto B. Roegele und den bayerischen Justiz- bzw. Innenminister Alfred Seidl.

Leider ist Waske in ihren Kontextualisierungsbemühungen noch um einiges zurückhaltender als Foschepoth. Es mag sein, dass es sich bei den Angehörigen des „Stauffenberg-Dienstes“ tatsächlich um die etwas übereifrigen, aber doch herzensguten Antikommunisten handelte, als die sie von der Autorin gezeichnet werden. Gleichwohl hätte man sich gewünscht, dass Waske wenigstens einigen der vielen interessanten Fährten genauer nachgegangen wäre, auf die sie in Sankt Augustin gestoßen ist: etwa den Verbindungen zur deutschen Industrie und zu amerikanischen Geheimdiensten, aber auch der großen Nähe zu „offiziellen“ Institutionen der inneren Sicherheit wie dem BND und dem bayerischen Staatsapparat. Haben wir es hier wirklich mit einem teils „privaten“, teils parteipolitischen Unternehmen zu tun, wie Waske meint, oder nicht doch mit „Extremisten im Staatsdienst“ – zu einer Zeit, als gerade Politiker wie Dregger und Journalisten wie Löwenthal die Gefahr eines ganz anderen „Marsches durch die Institutionen“ an die Wand malten?

Die Reihe der Desiderate ließe sich lange fortsetzen. Verwiesen sei abschließend nur auf einen Fragekomplex, der sich aus der Lektüre beider Bücher gleichermaßen ergibt: Warum hat es eigentlich so lange gedauert, bis sich ein Historiker und eine Politikwissenschaftlerin zweier Tatbestände annahmen, von denen in der bundesdeutschen Presse aller Geheimhaltung zum Trotz immer mal wieder die Rede war? Warum beließen es Zeitungen und Magazine wie der „Spiegel“ bei einer punktuellen Skandalisierung, während über den ostdeutschen Staatsschutz vergleichsweise kontinuierlich berichtet wurde? Und warum nahm auch die Zeitgeschichtsschreibung die kursorischen Hinweise jahrelang nicht zum Anlass, genauer nachzubohren? Haben wir es hier möglicherweise mit einer Folge des informationspolitischen Mainstreamings im Kalten Krieg zu tun?14

Anmerkungen:
1 Vgl. Hermann Weber, „Asymmetrie“ bei der Erforschung des Kommunismus und der DDR-Geschichte? Probleme mit Archivalien, dem Forschungsstand und bei den Wertungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 47 (1997), H. 26, S. 3–14.
2 Vgl. Wolfgang Kraushaar, Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005, S. 175; zum V-Mann Peter Urbach vgl. auch Markus Mohr, „S-Bahn-Peter“. Eine Textkollage zur Familien- und Kriminalgeschichte der APO, in: ders. / Klaus Viehmann (Hrsg.), Spitzel. Eine kleine Sozialgeschichte, Berlin 2004, S. 123–132.
3 Vgl. Hanno Balz, Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat. Die öffentliche Debatte über die RAF in den 70er Jahren, Frankfurt am Main 2008; Thomas Kunz, Der Sicherheitsdiskurs. Die innere Sicherheitspolitik und ihre Kritik, Bielefeld 2005.
4 Vgl. insbesondere den Forschungsschwerpunkt des Münchner Instituts für Zeitgeschichte zur „Anti-Terrorismus-Politik der 1970er und 1980er Jahre in Westeuropa“: <http://www.ifz-muenchen.de/anti-terror-politik.html> (13.03.2013); außerdem Stephan Scheiper, Innere Sicherheit. Politische Anti-Terror-Konzepte in der Bundesrepublik Deutschland während der 1970er Jahre, Paderborn 2010.
5 Alexander von Brünneck, Politische Justiz gegen Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1968, Frankfurt am Main 1978. Den ersten Versuch einer quellennahen Gesamtschau des Staatsschutzes in der Bundesrepublik hat der Autor dieser Rezension kürzlich vorgelegt: Dominik Rigoll, Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr, Göttingen 2013.
6 Sprechzettel Höcherl, 14.04.1964; zit. nach Foschepoth, S. 111; das folgende Zitat ebd., S. 109.
7 Per Zufall gelangte das Urteil vor einigen Jahren an die Öffentlichkeit und ist nun abgedruckt in: Erich Buchholz (Hrsg.), Strafrecht im Osten. Ein Abriss über die Geschichte des Strafrechts in der DDR, Dokumentenband, Berlin 2009, S. 667–688.
8 Erik Lommatzsch, Hans Globke (1898–1973). Beamter im Dritten Reich und Staatssekretär Adenauers, Frankfurt am Main 2009, S. 14.
9 Geheimdienst-Bestände konnte Foschepoth nicht einsehen. Zur VS-Sachen-Problematik vgl. auch Jens Niederhut / Uwe Zuber (Hrsg.), Geheimschutz transparent? Verschlusssachen in staatlichen Archiven, Essen 2010 (und meine Rezension in: H-Soz-u-Kult, 16.09.2011, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2011-3-166> [13.03.2013]).
10 Siehe Anm. 5.
11 Vgl. dazu auch den anregenden Beitrag von Cornel Zwierlein, Sicherheitsgeschichte. Ein neues Feld der Geschichtswissenschaften, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 365–386, hier S. 375ff.
12 So bereits Hans Braun, Das Streben nach „Sicherheit“ in den 50er Jahren. Soziale und politische Ursachen und Erscheinungsweise, in: Archiv für Sozialgeschichte 18 (1978), S. 279–306, hier S. 281; auch online unter <http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00021753/afs-1978-280.pdf> (die erste Seite des Aufsatzes fehlt dort; 13.03.2013).
13 Stefanie Waske, Mehr Liaison als Kontrolle. Die Kontrolle des BND durch Parlament und Regierung 1955–1978, Wiesbaden 2009.
14 Vgl. auch Dominik Rigoll, „Sicherheit“ und „Selbstbestimmung“. Informationspolitik in der Bundesrepublik, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 10 (2013), S. 115–122 (im Druck).

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