J. Scholz u.a. (Hrsg.): Adelsbilder

Cover
Titel
Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart.


Herausgeber
Scholz, Johannes; Johannes Süßmann
Reihe
Historische Zeitschrift. Beihefte 58
Erschienen
München 2013: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
131 S.
Preis
€ 44,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Elizabeth Harding, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel

Dieser kleine Band mit sechs Beiträgen geht auf eine Sektion des Konstanzer Historikertags von 2006 zurück. Im Zentrum steht die Beschäftigung mit den Fremd- und Selbstbildern des Adels, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Visualisierung in der materiellen Kultur liegt. Diese Bilder werden nicht nur epochen-, sondern auch länderübergreifend in den Blick genommen, womit das Büchlein interessante Fragen in Bezug auf die Vergleichbarkeit und die Allgemeingültigkeit von Adelsbegriffen aufwirft. Vor allem diesem Punkt wenden sich die Herausgeber Peter Scholz und Johannes Süßmann in ihrer programmatisch formulierten Einleitung zu. Als Ausgangspunkt gehen sie von einer an Max Weber angelehnten Adelsdefinition aus, die das adlige Tun ins Zentrum rückt und neben der Vornehmheit des Standes vor allem den aristokratischen Anspruch auf politische Partizipation ins Zentrum stellt. Nach Ansicht der Herausgeber sei vor diesem Hintergrund zu fragen, inwiefern der Adel mit seinen Gesten und Darstellungsformen auf bekannte Standeskonzepte rekurriert und diese fortgeschrieben habe; Scholz und Süßmann interessieren die in Bildern zu findenden allgemeingültigen Gehalte im Hinblick auf die Legitimität des Adels.

Peter Scholz nimmt vergleichend öffentliche Repräsentationen von griechischen Aristokraten und römischen Senatoren in den Blick. Konkret geht es ihm vor allem um Statuen (Kouroi- bzw. Togastatuen und Reiterdenkmäler). Laut Scholz haben die griechischen Aristokraten ihren Herrschaftsanspruch im Medium der Statue durch eine besondere visuelle Betonung ihrer Schönheit markiert. Ihr Vorbild dafür seien die Götterbilder gewesen, in deren Nähe sie sich auf diese Weise gestellt hätten. Dieser Anspruch auf Legitimität qua göttlicher Schönheit habe jedoch letztlich nicht von den Aristokraten allein behauptet werden können und sei daher kein Erfolgsmodell gewesen. Demgegenüber sei von den römischen Senatoren die Tüchtigkeit im Sinne eines republikanischen Habitus als Daseinsgrund betont worden. Scholz lenkt mit dieser Perspektive den Blick auf die Konkurrenz von Standesvorstellungen.

Stephan Selzer beschäftigt sich mit der Genese und den Selbstbehauptungsstrategien des Ritteradels als eines aus der Dienstbarkeit erwachsenen Standes. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass es im Spätmittelalter ein Adelsbild gab, welches ritterliche Werte mit der Vorstellung eines sich über das Herkommen definierenden Adels kombinierte. Vor diesem Hintergrund fragt Selzer, welche Bildsprache der Ritteradel wählte, als er sich seit 1300 als Stand abschloss. Mit Verweis auf Grabdenkmäler ergänzt Selzer die von der Forschung bereits diskutierte These, dass hier zunächst nicht die Abstammung, sondern die Gruppenzugehörigkeit relevant gewesen sei; erstgenannte habe erst seit dem Übergang zur Frühen Neuzeit eine größere Rolle gespielt. Da auch das Themenfeld der Gemeinschaftsstiftung des frühen Ritteradels unter dem Begriff des „Gruppenbilds“ subsumiert wird, bleiben die Überlegungen zur Rolle der Bildlichkeit etwas blass.

Johannes Süßmann fragt nach der Positionierung des Adels im Staatsbildungsprozess als einer im Hinblick auf die Autonomie des Standes bedeutsamen Entwicklung. Als Quelle dienen ihm dafür vier frühneuzeitliche Meisterwerke (aus der Hand Dürers, Tizians, Veláquezs und van Dycks). Aus der Perspektive des Historikers möchte er diese Bilder jeweils unterschiedlichen Adelskonzepten zuordnen. Demnach habe sich der Adel in die neue Rolle im Fürstenstaat als Hofmann, als Konfessionskrieger, als Soldat und als Kavalier eingefunden. Und in dieser Pluralität zeige sich zugleich die Unsicherheit des Adels, auf die Veränderungen angemessen zu reagieren.

Andreas Fahrmeir geht es in seinem Beitrag um die Frage nach den Adelsbildern in nachständischen Zeiten. Adeligkeit als eine herausgehobene Lebensweise wurde nun (mehr noch als zuvor) von unterschiedlichen Gruppen beansprucht. Zudem entwickelte sich eine neue Pluralität und Verfügbarkeit von Medien, die entsprechende Vorstellungen transportierten. Im Zentrum von Fahrmeirs Analyse steht das Beispiel der Inszenierungsstrategie der englischen Adelsfamilie Curzon im 19. und 20. Jahrhundert. In deutlicher Analogie zu den vormodernen Bildern zeigt sich auch hier ein vielschichtiges Ensemble von Bildern, ja ein Changieren der Darstellungsweisen zwischen politischer Teilhabe, zerstreuender Müßigkeit und einer gesellschaftliche Autonomie beanspruchenden Devianz.

Der Wert des Bändchens liegt darin, dass es zum einen auf die Komplexität von Adelsbildern (auch und vor allem) auf Artefakten aufmerksam macht. Eine kursorische, aber lesenswerte Überblicksdarstellung von Walter Demel zu den andersartigen Inszenierungsstrategien des außereuropäischen Adels, die den Band beschließt, unterstreicht dies einmal mehr. Zum anderen lenkt das Buch gerade durch die Anerkennung der Komplexität den Blick auf die Schwierigkeiten des Adels, sich durch sein Erscheinungsbild zu behaupten. All dies kann man mit Gewinn lesen.

Zwei Kritikpunkte seien dennoch angeführt. Erstens ist dem Band anzumerken, dass die Fragen, die er aufwirft, nicht ganz neu sind. Der zeitliche Abstand zwischen der Veranstaltung 2006 und der Publikation ist zwar unglücklich, aber nicht ungewöhnlich. Umso bedauerlicher ist es allerdings, dass die Beiträge weitgehend unverändert abgedruckt wurden, und zwar mit der Erklärung, der Ansatz sei „durch den Fortgang der Forschung nicht überholt worden“ (S. 7). Tatsächlich ist im Feld von Adel und Repräsentation eine Reihe von Studien entstanden, deren Würdigung sicherlich dazu beigetragen hätte, die im Band verfolgten Fragestellungen zu schärfen.1

Daran gekoppelt ist eine inhaltliche Anmerkung, die sich auf die Reichweite der vorgestellten Bilder bezieht. Aufbauend auf dem Befund der Vielschichtigkeit der Adelsbilder, wie sie auf Artefakten visualisiert wurden, sollte man noch mehr als bislang geschehen nach den Grenzen der Selbstdarstellung fragen. Diese kommen etwa in Konflikten um Zuschreibungen und Deutungshoheiten in Bezug auf Praktiken, die als genuin adlig galten, zum Vorschein. Eine solche Perspektive könnte dazu beitragen, die Behauptungsfähigkeit unterschiedlicher Adelsgruppen genauer zu beschreiben. Dann müsste man sich aber nicht nur auf Meisterwerke der Kunst, sondern vor allem auch auf schriftliche Zeugnissen beziehen, für die sich die Historiker, die in diesem Band vertreten sind, diesmal (leider) weniger interessiert haben.

Anmerkung:
1 Etwa Jörn Leonhard / Christian Wieland (Hrsg.), What Makes the Nobility Noble? Comparative Perspectives from the Sixteenth to the Twentieth Century, Göttingen 2011.

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