E. Faber: Von Ulfila bis Rekkared

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Titel
Von Ulfila bis Rekkared. Die Goten und ihr Christentum


Autor(en)
Faber, Eike
Reihe
Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge 51
Erschienen
Stuttgart 2014: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
300 S.
Preis
€ 62,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hanns Christof Brennecke, Institut für Kirchengeschichte, Universität Erlangen-Nürnberg

Der Verfasser erhebt in der überarbeiteten Fassung seiner Potsdamer Dissertation den Anspruch, ein neues, von Vorurteilen befreites Bild des Christentums der Goten zu zeichnen. Dass die Frage nach dem Unterschied zwischen der reichskirchlichen Orthodoxie und dem Arianismus der Goten bisher unbeantwortet geblieben ist, wie er unterstellt, wird man angesichts der reichen Literatur wohl kaum behaupten können. Richtig sieht er, dass „Arianismus“ natürlich eine polemische Bezeichnung ist, und der Arianismus der Goten nichts mit jenem Arius von Alexandrien zu tun hat, sondern dogmengeschichtlich besser als „Homöismus“ zu beschreiben wäre. Richtig ist auch, dass diese Form des christlichen Glaubens nichts mit germanischem Wesen oder Empfinden zu tun hat, wie eine völkisch konnotierte Forschung angenommen hatte.

Faber behandelt die Geschichte der Goten und ihrer Christianisierung von den ersten Begegnungen mit dem Christentum noch außerhalb der Reichgrenzen bis zum Übergang König Rekkareds zum reichskirchlichen Katholizismus im Jahre 589, was auch die eigentliche Ethnogenese auf Reichsgebiet und die Ausbildung eines eigenen regnum umfasst. Schwerpunkte der Darstellung bilden Ulfila und der Donauübergang der Goten im Jahr 376. Dass im Forschungsbericht die modernen Kirchenhistoriker fehlen, ist mehr als ein Schönheitsfehler.

Das zweite und dritte Kapitel stellen relativ knapp die frühen Zeugnisse zur gotischen Geschichte bis zum 4. Jahrhundert zusammen, wobei Faber hier weitgehend Wolfram folgt, und behandeln die Beziehungen der nördlich der Donau siedelnden Goten zum Römischen Reich. In diesen Zusammenhang gehört auch die gotische Gesandtschaft nach Konstantinopel noch zu Lebzeiten Constantins, in deren Zusammenhang der Lektor Ulfila von Euseb von Nikomedien zum Bischof der Christen im Gotenland ordiniert wird.

Kapitel vier: „Ulfila und das gotische Christentum“ bildet das eigentliche Zentrum der Untersuchung. Die Problematik von Aussagen über vorchristliche Religiosität der Goten sieht Faber völlig richtig. Ulfila steht bereits in einer gotischen christlichen Tradition, die durch aus Kappadokien Mitte des 3. Jahrhunderts verschleppte Christen zu einer christlichen Kirche bei den Goten geführt hatte (das so genaue Datum 257 der Verschleppung der kappadokischen Christen ist eher unklar; bei der Frage nach der Überlieferung des Namens Ulfilas vermisst man die Untersuchung Schäferdieks1). Überzeugend diskutiert Faber im Anschluß an Knut Schäferdiek die chronologischen Probleme der in der sogenannten Dissetatio Maximini überlieferten vita Ulfilas des Auxentius. Die Identifizierung dieses Maximinus mit dem Disputationsgegner Augustins ist nicht auszuschließen, aber unsicher. Die Probleme der Überlieferung dieses Textes werden nicht deutlich. Nicht zu akzeptieren ist, dass Faber den Text nach der Edition von Kauffmann von 1899 angibt, die durch die diplomatische Edition von Gryson2 überholt ist. Die gotische Gesandtschaft nach Konstantinopel sieht Faber im Zusammenhang der Tricennalien Constantins 336, was plausibel erscheint. Ende der 340er-Jahre war Ulfila dann mit einer größeren Gruppe gotischer Christen vor einer Christenverfolgung ins Reich geflohen und von Constantius II. in Mösien angesiedelt worden. Hier erst schließt sich Wulfila dem theologischen und kirchenpolitischen Kurs Constantius II. an, wie seine Teilnahme an der Konstantinopler Synode von 360 deutlich macht. Auf Ulfila geht die Verschriftlichung des Gotischen und eine teilweise überlieferte gotische Bibelübersetzung zurück. Fabers Versuch, im gotischen Bibeltext nach Belegen der homöischen Theologie Ulfilas zu suchen, erscheint angesichts des Biblizismus der Homöer und der homöisch deutbaren Bibelstellen methodisch problematisch. Inwiefern die sogenannte „Skeireins“, eine gotische Übersetzung eines Kommentars zum Johannesevangelium des Theodor von Herakleia, direkt etwas mit Ulfila zu tun hat, ist unklar; dass die Übersetzung den Codex Argenteus benutzt haben soll, ist zumindest missverständlich. Der Versuch, nördlich der Donau im gotischen Herrschaftsbereich christliche konfessionelle Gruppen Audianer, Nicaener und (bis in die 340er-Jahre) die Ulfila-Gruppe zu unterscheiden, ist anachronistisch und folgt im Grunde den Erklärungsversuchen der antiken Kirchenhistoriker für den Homöismus der Goten. Über Audianer unter den Goten wissen wir nichts, außer dass Audius dort missioniert hat. Dasselbe gilt auch für die gotischen Märtyrer! Die christlichen Goten waren ihrem Selbstverständnis nach Christen! Die Rezeption der Verehrung der gotischen Märtyrer bei Basilius von Caesarea ist nicht in deren reichskirchlicher Orthodoxie, sondern in den kappadokischen Wurzeln dieses Christentums begründet. Im eindeutig homöischen Heiligenkalender, der offenbar von Konstantinopel übernommen ist, werden sie als gotische Christen und nicht Angehörige einer bestimmten christlichen Gruppe verehrt.

Das fünfte Kapitel thematisiert ausführlich den vieldiskutierten Donauübergang 376 und seine Folgen. Gegen die antiken Kirchenhistoriker, die eigentlich nur nach einer Begründung für die homöische und damit für sie häretische Option der Goten suchen, will Faber mit Thompson die Bekehrung der Goten als Gruppe erst auf römischem Boden im Rahmen der Ethnogenese sehen (von da an spricht er von Westgoten). Die Interpretation von Fragment 48.2 Eunapios und vor allem einiger Texte des Ambrosius in der Nachfolge von Thompson überzeugt nicht. Unklar ist, warum ihm so viel am mehrheitlichen Heidentum noch 376 liegt? Richtig ist, dass ab circa 390 die Goten in allen Quellen als (homöische) Christen erscheinen. Nach dem kirchenpolitischen Wechsel unter Theodosius I. zur nizänischen Orthodoxie behielten sie als Foederaten die homöische Form des christlichen Glaubens bei, wie can. 2 (nicht can. 4 wie Faber mehrfach behauptet!) des Konzils von Konstantinopel Foederaten zugesteht. Aber erst seit der Verurteilung des Arianismus als Häresie 381 kann man von getrennten Kirchen der Reichsbevölkerung und der Goten ausgehen, die in Gallien seit Beginn des 5. Jahrhunderts in Gallien ein eigenes regnum bildeten (Kapitel 7), in dem homöische Goten und katholische Romanen in der Tat konfliktarm zusammenlebten. Die Debatte zwischen Maximin und Augustin 428 interpretiert Faber falsch (im Grunde Kauffmann folgend) als ein Religionsgespräch der gotischen Kirche. Es handelt sich um einen (in vieler Hinsicht missglückten) theologischen Disput zwischen Maximinus und Augustinus. Irritierend ist, dass Faber weder die kritische Edition des Textes von Hombert noch die kommentierte deutsche Übersetzung von Sieben3 heranzieht, sondern nach der Ausgabe von Migne zitiert.

Das abschließende achte Kapitel behandelt das spanische Westgotenreich nach der Katastrophe der Schlacht von Vouillé (507) bis zur Konversion Rekkareds zum Katholizismus und der 3. Synode von Toledo (589). Die dazu grundlegende Untersuchung von Schäferdiek hat Faber offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Kaum vorstellbar ist, dass der Homöer Leovigild den Ausgang des heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn (filioque) vertreten hat – die Einfügung dieser Formulierung ist übrigens auch noch nicht auf der 3. Synode von Toledo passiert, die das inhaltlich in der Tat vertreten hat, sondern erst Mitte des 7. Jahrhunderts.

Als Anhang bietet Faber den Text der Passio des Sabas nach der Edition von Delehaye (1912) mit einer deutschen Übersetzung von Ulrich Heidbrink sowie ein Glossar der wichtigsten in der Arbeit genannten Begriffe sowie einige Abbildungen und Karten.

Zweifellos handelt es sich um eine in vieler Hinsicht kenntnisreiche und interessante Arbeit, die allerdings von zuweilen falschen Fragestellungen und selbst gelegentlich von Vorurteilen der älteren Forschung geprägt ist. Problematisch und an einigen Stellen ärgerlich ist, dass Quellen oft nach völlig veralteten Editionen angegeben werden oder sogar nur Übersetzungen benutzt sind. Das Literaturverzeichnis ist ziemlich eklektisch, die Arbeiten etwa von Schäferdiek, um nur dieses eine Beispiel zu nennen, sind nur teilweise benutzt. Eine stichpunktmäßige Überprüfung von angegebenen Stellen ergab erstaunlich viele Fehler, hier wäre eine etwas gründlichere Korrekturphase notwendig gewesen. Eine Untersuchung, die interessante Ansätze zeigt, aber dem sehr vollmundig formulierten Anspruch nicht wirklich gerecht werden kann.

Anmerkungen:
1 Knut Schäferdiek, Die Überleferung des Namens Ulfila. Zum linguistischen Umgang mit der Überlieferungsgeschichte, in: Knut Schäferdiek, Schwellenzeiten. Beiträge zur Geschichte des Christentums in Spätantike und Frühmittelalter, Arbeiten zur Kirchengeschichte 64, Berlin/New York 1996, S. 41–50.
2 Roger Gryson (Hrsg.), Scripta Arriana latina I, Corpus Christianorum SL 87, Turnholt 1982.
3 Pierre-Marie Hombert (Hrsg.), Scripta Arriana latina 2, Corpus Christianorum SL 87A Turnholt, 2009; Hermann-Josef Sieben (Hrsg.), Augustinus, Antiarrianische Schriften, Augustinus opera – Werke 48, Paderborn 2008.

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