O. Schipp: Götter in der Provinz

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Titel
Götter in der Provinz. Eine Untersuchung der Weiheinschriften in der nördlichen Germania superior und der östlichen Gallia Belgica


Autor(en)
Schipp, Oliver
Reihe
Pietas 7
Erschienen
Gutenberg 2015: Computus
Anzahl Seiten
230 S.
Preis
€ 68,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Renate Lafer, Institut für Geschichte, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Die vorliegende Monographie von Oliver Schipp zu den Weiheinschriften in der nördlichen Germania superior und der östlichen Gallia Belgica ist eine um Inschriftneufunde und Literatur erweiterte Version der im Jahr 2002 am Institut für Alte Geschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz verfassten Magisterarbeit des Autors. Ziel der Studie ist die Darstellung der im zeitlichen Kontext eingebundenen Entwicklung bzw. Symbiose römischer und einheimischer Religionsaspekte und ihrer Träger, die über die bisherigen religionswissenschaftlichen Forschungen zum Untersuchungsgebiet hinausgeht.1 Aspekte wie die Herkunft der Kultträger, die Verehrung keltischer und germanischer Götter in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit oder die Diskussion, auf welchen Wegen einige Göttervorstellungen in die nördliche Germania superior und die östliche Gallia Belgica gelangt sein könnten, werden in diesem Zusammenhang von Schipp besonders besprochen.

In der Einleitung versucht Schipp zunächst die gesellschaftliche Entwicklung des Untersuchungsgebietes schematisch darzustellen: Hinsichtlich der gesellschaftlichen Veränderungen mit Beginn der römischen Präsenz, was dann auch mit der religiösen Entwicklung korreliert, sind ihm zufolge fünf Perioden zu unterscheiden: Auf die Periode der ersten intensiven Kontakte (von 56 v.Chr. bis ca. 17 v.Chr.) folgte von 17 v.Chr. bis 92 n.Chr. der Beginn der dauerhaften römischen Präsenz in der Region. Sodann setzte eine Konsolidierungsphase der Römerherrschaft am Rhein ein (92–161 n.Chr.), gefolgt von einer weiteren Phase des intensiven Austausches (161–260 n.Chr.), worauf schließlich die Periode des Niedergangs der römischen Herrschaft den Abschluss bildete (260–405/06 n.Chr.).

Im anschließenden, zweiten Kapitel werden die im Zusammenhang mit einer Studie zu religiösen Entwicklungen wichtigen Definitionsansätze des Romanisierungsbegriffes diskutiert. Darin werden zunächst verschiedene Theorien, Modelle und Parameter vorgestellt, wonach auf die Romanisierung im Untersuchungsgebiet selbst eingegangen wird. Schipps Betonung, dass es sich bei der Romanisierung um einen länger andauernden Prozess handelt (S. 28), ist dabei besonders hervorzuheben. Um den Romanisierungsverlauf in der nördlichen Germania superior und der östlichen Gallia Belgica je nach zeitlicher Entwicklung in eine strukturelle Form zu bringen, wählt Schipp ein nach sechs Phasen eingeteiltes Schema: Zum einen lässt sich seiner Ansicht nach zunächst ein erster bzw. intensiver werdender Kontakt ausgelöst durch Händler und Kaufleute in ihrer Funktion als Mittler zwischen den Kulturen ausmachen. In einer zweiten Phase sei eine Festigung der militärischen Hoheit Roms erkennbar, gefolgt von einer Zeit der Ausbreitung des römischen Bürgerrechts durch die verbesserten Beziehungen zu den lokalen Eliten oder auch aufgrund von Bürgerrechtsverleihungen an Auxiliarsoldaten nach ihrer 25jährigen Dienstzeit. Als vierten Punkt führt Schipp als besonders nennenswerten Romanisierungsfaktor den Ausbau der Infrastruktur an, womit teilweise gleichzeitig der fünfte Aspekt der Einrichtung einer zivilen Gebietsverwaltung im 1. und 2. Jahrhundert n.Chr. einhergeht. Abschließend folgt seiner Ansicht nach die Zuwendung der lokalen Bevölkerung zur römischen Kultur, worunter im Speziellen auch die Kultausübung zu zählen ist, die bereits ab dem 1. Jahrhundert n.Chr. von Übernahme, Austausch und Verschmelzung der Kulte geprägt gewesen sei.

Die drei folgenden Kapitel sind dem eigentlichen Thema der Studie, den Weihinschriften und Kulten mit entsprechenden Fragestellungen in größerem Kontext, etwa des Eingangs in das Untersuchungsgebiet, gewidmet. Im dritten Kapitel wird zunächst die Verehrung der römischen Götter anhand der Inschriftfunde besprochen. Schipp unterscheidet hier zunächst zwischen Zivilistenweihungen an römische Götter (unterteilt in offiziell und privat) und Militärweihungen an römische Götter (ebenfalls wieder in offizielle und private Weihungen untergliedert). An dieser Stelle führt ein Exkurs in knapper Form in die Geschichte der beiden bedeutenden Legionen der Germania superior, der in Mainz stationierten legio XXII Primigenia bzw. der in Straßburg stationierten legio VIII Augusta, ein.

Der vierte Abschnitt ist den Kulten keltischer oder germanischer Provenienz, welchen die meisten Weihungen zuzurechnen sind, gewidmet. Nach einem Unterkapitel zu allgemeinen Bemerkungen des religiösen Wandels folgt ein kurzer Abschnitt zu Angleichungen einheimischer Götter an römische Gottheiten. Im abschließenden, fünften Bereich werden jene Inschriftfunde mit Bezugnahme auf die importierten Kulte besprochen: Erörtert wird das epigraphische Material zum Mithraskult, zum Kult des Iupiter Optimus Maximus Dolichenus sowie zu den Kulten der kleinasiatischen Muttergottheiten und des Isis-Serapis-Kultes.

Die Studie zeichnet sich besonders durch das Herausstreichen der kultischen Entwicklung in ihrem zeitlichen Bezugsrahmen aus. So kann in der Analyse gezeigt werden, dass etwa der Mithraskult und der Magna Mater Kult bereits früher als bisher angenommen in der nördlichen Germania superior und der östlichen Gallia Belgica Verehrung gefunden haben. Auch kann mit einiger Vorsicht vom Namensmaterial ausgehend auf die Dedikanten der Inschriften und somit auf die kultische Entwicklung geschlossen werden. Demnach handelte es sich bei den frühen, öffentlichen wie auch privaten Weihungen vorwiegend um solche von Italikern, Südgalliern oder Orientalen. Erst Mitte des 2. Jahrhunderts begannen sich dagegen offenkundig die römischen Kultpraktiken unter den Einheimischen zu verbreiten.

Hervorzuheben ist auch die sehr verdienstvolle, detaillierte Betrachtungsweise, wobei die Kapitelunterteilung fast ein wenig überstrukturiert wirkt. Diese sehr detaillierte Strukturierung führt überdies mitunter auch dazu, dass man beim Lesen den Faden verliert. Inschriftenstatistiken und zahlreiche Tabellen zu den einzelnen Kulten am Ende des Bandes sind in dieser Hinsicht durchaus hilfreich. Beim tabellarisch erfassten Material stellt sich öfters indes die Frage der Datierung der Inschriftsteine, da gelegentlich aufgrund mangelnder, inhaltlicher Anhaltspunkte exakte Datierungen schwer möglich sind, wovon letztendlich ja dann auch die Analyse der Weihungen abhängt. Abschließend ist noch zu bemerken, dass Abbildungen einiger, der teilweise mit Reliefs versehenen Inschriftsteine der Vorstellungskraft halber bzw. auch in Hinsicht auf mögliche, stilistische Datierungskriterien von Vorteil gewesen wären.

Anmerkung:
1 Unter den Studien sind insbesondere die zahlreichen Publikationen von Wolfgang Spikermann zu nennen, vgl. vor allem Wolfgang Spikermann, Germania superior. Religionsgeschichte des nördlichen Germanien I, Tübingen 2003.

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