J. D. Grainger: The Fall of the Seleukid Empire 187–75 BC

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Titel
The Fall of the Seleukid Empire 187–75 BC.


Autor(en)
Grainger, John D.
Erschienen
Barnsley 2015: Pen & Sword
Anzahl Seiten
XII, 240 S.
Preis
£ 19.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
André Heller, Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Im letzten Band seiner Trilogie zur Geschichte der Seleukiden1 behandelt John D. Grainger in dreizehn Kapiteln Abstieg und Untergang des hellenistischen Reiches. Dabei kann er sich erneut auf eigene Publikationen stützen.2 Die „Introduction“ (S. x–xii) nennt die von der Forschung3 diskutierten Ursachen des Untergangs, wobei der Aspekt, dass das Reich nach 129 v.Chr. noch zwei Generationen existierte, kaum beachtet werde. Grainger unterscheidet drei Phasen: die Jahre von 187 bis 150 v.Chr., „the disasters of 150–129“ und die Jahre von 129 bis 75, die zum endgültigen Zerfall des Reiches führten. Ausschlaggebend für den Untergang seien weniger äußere Feinde, sondern die innerdynastischen Auseinandersetzungen.

Im ersten Drittel des Buches („The Beginning of the End“, S. 1–15, „The Wars of Antiochos Epiphanes“, S. 16–35, „The Advent/Problems of Demetrios I“, S. 36–65) porträtiert Grainger das Reich auch nach dem Frieden von Apameia 188 v.Chr. als kraftvoll, da es weiterhin großen Reichtum besessen habe und territorial kaum geschwächt gewesen sei; nach Grainger habe der Friedensvertrag von Apameia mit dem Tod Antiochos’ III. seine Gültigkeit verloren. Sein Sohn Seleukos IV. habe eine aktive Politik betrieben; an seiner Ermordung bestünden Zweifel, da der vorgebliche Mörder Heliodoros kein Motiv besessen habe (S. 11). Erstmals folgte dem Vater nicht der Sohn, sondern der Bruder, Antiochos IV.,4 nach, der seinen gleichnamigen Neffen beseitigen ließ. Antiochos IV. gründete Städte und war außenpolitisch aktiv; der von Rom erzwungene Abzug aus Ägypten, der „Tag von Eleusis“,5 stelle keine diplomatische Niederlage dar, sondern „rescued Antiochos from the dilemma he has ended up“, da der Erfolg „might well overbalance the joint kingdom“ (S. 25f.). Seine Regierung sei „on a short-term a success“, auf lange Sicht aber habe sich die Art der Machterringung als „political cancer“ erwiesen (S. 35).

Grainger schildert sodann die Wirren unter den Nachfolgern Antiochos’ IV.: Der aus römischer Geiselhaft geflohene Seleukos-Sohn Demetrios ermordete den minderjährigen Sohn Antiochos’ IV., Antiochos V. Kurz darauf erhob sich Timarchos, Generalstatthalter des Ostens, den Rom anerkannte; nach dessen Hinrichtung wurde Alexander Balas, den Grainger als Sohn Antiochos’ IV. von dessen Konkubine Antiochis ansieht (S. 28f. u´nd S. 54f.), zum König aufgebaut. Mit ptolemäischer Unterstützung – er heiratete Kleopatra Thea, Tochter Ptolemaios’ VI. („a radical change in Seleukid marriage policy“, S. 67) – konnte sich Balas gegen Demetrios I. durchsetzen. Für die nächsten zwei Jahrzehnte verbessern die von Grainger konsequent herangezogenen Astronomischen Tagebücher die Quellenlage.6

Die Kapitel 5–7 („The Destruction of Alexander Balas“, S. 66–76, „The Travails of Demetrios II“, S. 77–87, „The New Seleukid Kingdom“, S. 88–105) behandeln Alexanders Regierung und seine Niederlage gegen Demetrios II., bei der auch Ptolemaios VI. ums Leben kam. Gegen den verhassten Demetrios wiederum wurde Antiochos VI., Alexanders Sohn, zum König ausgerufen, der aber schon 141 starb. Die Überlieferung, dass sein Vormund Tryphon dafür die Verantwortung trage, weist Grainger zurück. Die Konzentration auf Syrien habe zur Vernachlässigung des Ostens geführt, wo der Partherkönig Mithradates I.7 seit 148 einen Eroberungszug gen Westen begann. Ihm gelang 141 die fast kampflose Eroberung Babyloniens; der Versuch einer Rückeroberung endete 138 mit der Gefangennahme Demetrios’ II. durch die Parther.8 Zurecht sieht Grainger im Verlust Irans und Babyloniens eine deutliche Zäsur. Der Demetrios-Sohn Antiochos VII. rang den Prätendenten Tryphon nieder und konnte Erfolge gegen die Makkabäer erzielen. Kapitel 8 („Defeat“, S. 106–115) erzählt Antiochos’ anfänglich erfolgreichen Feldzug gegen die Parther, der in einer Katastrophe und seinem Tod endete. Der Zusammenbruch der Armee sei „a vivid indication of the absolute and disastrous centrality of the king to the Seleukid system of government and military command“; die Fehlschläge von 138 und 129 hätten die gleichen Folgen gehabt. Die Niederlage sei „Antiochos’ final achievement, to confine the Seleukid state to Syria“ (S. 112f.). Graingers Sicht ist insofern problematisch, da sich das hellenistische Königtum gerade durch königliche Präsenz im Krieg definierte; anders als er insinuiert, brach das Reich danach nicht zusammen.

Kapitel 9 („Dynastic Conflict“, S. 116–135) behandelt die Jahre 129–121 v.Chr.: Das Königreich umfasste nun das Gebiet von Kilikien bis zum Sinai, „but it was a state which was no means powerless“ (S. 120f.). Nach der Rückkehr Demetrios’ II. aus parthischer Gefangenschaft9 bot sich die Gelegenheit, in den ptolemäischen Bürgerkrieg einzugreifen: Kleopatra II. war mit erheblichen Geldmitteln zu ihrem Schwiegersohn Demetrios geflohen und bot ihm die Krone Ägyptens an. Nach Grainger hätte Demetrios besser die Parther angreifen sollen, doch dürften die Machtmittel Kleopatras dafür nicht zur Verfügung gestanden haben (S. 122). Der Vorstoß scheiterte jedoch vor Pelusion, und Ptolemaios VIII. erhob nun Alexander II. Zabeinas zum König, dessen Behauptung, von Antiochos VII. abzustammen, sicher falsch war. Dennoch gewann er viele Anhänger und konnte Demetrios II. schließlich beseitigen, an dessen Stelle erst Seleukos V. und dann dessen Bruder Antiochos VIII. durch ihre Mutter Kleopatra Thea zu Königen erhoben wurde. „The reunification of Syria at the end of 120s can be attributed to the policy of Kleopatra Thea“; Grainger vermutet, dass Antiochos solange mit der Beseitigung seiner Mutter gewartet habe, bis die Konsolidierung Syriens erreicht gewesen sei (S. 135).

In den Kapiteln 10–13 („The Kingdom Failing“, S. 136–150, „Destruction in the South“, S. 151–165; „Survival in the North“, S. 166–180, „The End of the Seleukids“, S. 181–199) schildert Grainger die Agonie des Reiches in den Jahren von 121 bis 75 v.Chr., das, von Bürgerkrieg und Autonomiebestrebungen einzelner Städte und Territorien geschwächt, immer mehr erodierte. Mit dem Tod Philipps I. 83 und der Herrschaft des Armenierkönigs Tigranes II. endet Grainger, was insofern konsequent ist, als es danach keinen richtigen seleukidischen König mehr gab, wenn auch noch Angehörige der Dynastie.

In „Seleukid Legacy“ (S. 200–207) fasst Grainger die Ergebnisse zusammen. „[T]he final political legacy of the Seleukid kingdom was, paradoxically, the extreme fragmentation of the land from Gaza to Kommagene“ (S. 203); das Zusammenhalten des Reiches sei der großen Energie der Könige geschuldet, das Zugeständnis von Teilautonomie die Antwort auf die Reichsgröße. Die „Seleukid disintegration“ sei einzigartig unter den hellenistischen Staaten, die allesamt von Rom in Gänze vernichtet worden seien. Die Bürgerkriege der Jahre 152–138, mit den daraus resultierenden Gebietsverlusten im Osten, hängen für Grainger mit dem Bruch mit der Vater-Sohn-Sukzession durch Antiochos IV. zusammen, da jetzt klar geworden sei, „that the kingship was available to whoever could seize it“ (S. 205). Dies überspitzt zu sehr: Erst die Aufspaltung der Seleukiden in zwei Linien durch Demetrios II. und Antiochos VII. mit den zahlreichen, daraus hervorgehenden Nachkommen (S. 115) ließ eine Situation aufkommen, dass immer mehr als ein Anwärter auf den Thron existierte, was die ständigen Bürgerkriege ermöglichte.10 Hinzukam vor allem „the steadily expanding weakness of the royal government“, die in der zu hohen Abhängigkeit von der Person des Königs und der Unfähigkeit, Indigene in die Administration zu integrieren, bestanden habe. Ein schwacher oder minderjähriger König habe nicht kompensiert werden können (S. 205f.). Die Konsequenz ist typisch für Graingers Argumentation: „[T]he kingdom was doomed from the start.“ (S. 206) Das Vermächtnis der Seleukiden sei „extraordinary“, da es anderen Staaten des Ostens als Vorbild diente; selbst Roms Administration sei deutlich davon geprägt. Als größtes Vermächtnis könnten die zahlreichen Städtegründungen gelten (S. 207). Trotz inhaltlicher Schwächen liegt mit Graingers Dreibänder erstmals seit über 100 Jahren eine Gesamtdarstellung zu den Seleukiden vor. Für seine Mühe, sich dieser Aufgabe zu unterziehen, ist ihm nicht genug zu danken.

Anmerkungen:
1 The Rise of the Seleukid Empire 323–223 BC, Barnsley 2014; The Seleukid Empire of Antiochus III 223–187 BC, Barnsley 2015; vgl. meine Rezension in: H-Soz-Kult, 12.10.2015, <http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-24279> (15.08.2016).
2 The cities of Seleukid Syria, Oxford 1990; Hellenistic Phoenicia, Oxford 1991; The Wars of the Maccabees, Barnsley 2011; Rome, Parthia, India. The Violent Emergence of a New World Order 150–140 BC, Barnsley 2013.
3 Es fehlen z.B. Kay Ehling, Untersuchungen zur Geschichte der späten Seleukiden, Stuttgart 2008, sowie einschlägige Aufsätze von Edward Dąbrowa, jetzt gesammelt in: Studia Graeco-Parthica, Wiesbaden 2011.
4 Am Aufenthalt Antiochos’ in Athen von 178–175 zweifelt Benjamin Scolnic, When Did the Future Antiochos IV Arrive in Athens?, in: Hesperia 83 (2014), S. 123–142.
5 Der Inhalt von Fußnote 30 auf S. 26 fehlt in den „Notes and References“ (S. 210).
6 Der Name des Generals Ardaya (S. 78: Ardaios) kann wohl ‚Arrhidaios‘ gelesen werden (Robartus van der Spek, Ethnic Segregation in Hellenistic Babylon, in: Wilfred H. van Soldt [Hrsg.], Ethnicity in Ancient Mesopotamia, Leiden 2005, S. 393–408, hier S. 396), Pilinissu (S. 107f.) als ‚Philinos‘ (Giuseppe F. Del Monte, Testi dalla Babilonia Ellenistica, Bd. 1: Testi Cronografici, Pisa 1997, S. 122); der „Stratege über den vier Strategen“ ist eher „commander-in-chief“ denn „viceroy“ (S. 107).
7 Mithradates I. starb nicht im August 138 (S. 107), sondern erst im Jahr 132, so Gholamreza F. Assar, A Revised Parthian Chronology of the Period 165–91 BC, in: Edward Dąbrowa (Hrsg.), Greek and Hellenistic Studies, Kraków 2006, S. 87–158, hier S. 96.
8 Vgl. Kay Ehling, Beim Barte des Demetrios. Überlegungen zur parthischen Gefangenschaft Demetrios’ II., in: Klio 84 (2002), S. 373–399.
9 Vgl. zur bärtigen Darstellung Demetrios’ II. auf seinen Münzen nach der Gefangenschaft Panagiotis Iossif / Cathy Lorber, Seleucid Campaign Beards, in: L’Antiquité Classique 78 (2009), S. 87–115.
10 Vgl. Ehling, Untersuchungen, S. 283, der den Charakter der hellenistischen Monarchie als Ursache sieht, „[d]a jeder Königssohn Anspruch auf Herrschaft erheben konnte, ja nach dem charismatisch-agonalen Königsideal der Zeit geradezu aufgefordert war, seinen Anspruch auf Herrschaft auch gegen seine eigenen Verwandten durchzusetzen“.

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