M. Schröter: Erfolgreich recherchieren – Altertumswissenschaften

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Titel
Erfolgreich recherchieren – Altertumswissenschaften und Archäologie.


Autor(en)
Schröter, Marcus
Reihe
Erfolgreich recherchieren
Erschienen
Berlin 2017: de Gruyter
Anzahl Seiten
VIII, 202 S.
Preis
€ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Berggötz, Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz

Seit 2012 erscheint im renommierten Wissenschaftsverlag de Gruyter die Reihe Erfolgreich recherchieren mit Monographien zu einzelnen Wissenschaftsfächern. Die Herausgeberschaft hat Klaus Gantert übernommen, der Bereichsleiter des Faches Archiv- und Bibliothekswesen an der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern. Als Verfasser für den 15. Reihenband „Altertumswissenschaften und Archäologie“ konnte der promovierte Klassische Philologe und Archäologe und als Fachreferent an der Universitätsbibliothek Freiburg tätige, mithin für den Stoff bestens qualifizierte Markus Schröter gewonnen werden. Das Ziel der Reihe wird auf dem hinteren Einband folgendermaßen umschrieben: Den Studierenden in allen Phasen des Studiums sowie allen wissenschaftlich Interessierten sollen die wichtigen Informationsressourcen ihres Faches vorgestellt werden, und sie sollen lernen, effektiv mit ihnen umzugehen. Schröter nennt als weiteren Adressatenkreis explizit die Promovierenden und Lehrenden. Der Aufbau der Bände folgt einem einheitlichen Schema: Basics / Advanced / Information weiterverarbeiten.

Der Autor hat seinen Text flüssig und allgemeinverständlich geschrieben. Nur ausnahmsweise hätten informationswissenschaftliche Fachbegriffe wie beispielsweise „Tag Cloud“ (S. 87) erläutert werden müssen. Erschlossen ist das Werk durch ein intensiv gegliedertes Inhaltsverzeichnis und ein ausführliches Sachregister. Lediglich der Registereintrag zur Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) ist verloren gegangen.

Schröter geht von einem breiten Begriff der Altertumswissenschaften aus. Er behandelt neben den Kerndisziplinen der klassischen Antike auch die Ur- und Frühgeschichte, die Altorientalistik, die Christliche Archäologie und die Byzantinistik. Im Gegensatz dazu wird die lateinische Philologie des Mittelalters nicht berücksichtigt, ebenso wenig die Indogermanistik. Kaum hervor tritt die Ägyptologie.

Im ersten Teil, den „Basics“, stellt der Autor zunächst das Konzept der Digitalen Geisteswissenschaften vor. Er bekennt sich dann nachdrücklich zum Gedanken des Open-Access und der freien Zugänglichkeit insbesondere von Forschungsdaten (Open Data). Im Weiteren geht er auf die klassischen Techniken des Bibliographierens ein – die ja idealerweise auf Vollständigkeit abzielen – und gibt eine Einführung in wichtige Produkte des Bibliothekswesens. Erfrischend findet der Rezensent die Vorbehalte gegenüber der Nutzung von Discovery-Systemen – den neuen Bibliothekskatalogen –, die wegen der hohen Trefferzahlen eine Vollständigkeit oft nur vorgaukeln. Am Ende dieses Teils wägt Schröter dann noch die Vor- und Nachteile von Google Scholar gegeneinander ab. Wikipedia hält er allerdings keiner Erwähnung wert. Zumindest in ihrer Mehrsprachigkeit lässt sie sich vorzüglich als polyglottes Fachwörterbuch einsetzen.

Der fachlich gesehen besonders interessante Teil ist der zweite. In ihm stellt der Autor in erheblicher Anzahl – insgesamt rund 150 – elektronisch relevante Ressourcen vor. Dabei blickt er immer wieder über den Tellerrand und macht beispielsweise mehrfach Ausflüge in das Mittelalter (darunter Lexikon des Mittelalters, RI-OPAC und Deutsche Inschriften online). Der klare Schwerpunkt des Buches liegt jedoch in der Sachkultur der griechisch-römischen Antike. Es sind dies die interessantesten Teile des Werkes. In diesen Passagen ist der Fortschritt der Wissenschaft, die neue Präsentation der Quellen und Hilfsmittel am besten zu ermessen. So erfahren die Leser/innen etliches über die Gestaltung von Bild- und Objektdatenbanken oder über die Nutzung von Geoinformationssystemen in den Altertumswissenschaften. Insbesondere das Deutsche Archäologische Institut hat sich hier mit der Objektdatenbank Arachne und dem digitalen Ortslexikon iDAI.gazetteer große Verdienste erworben. In ihrem Spezialisierungsgrad dürfte sich allerdings die Mehrzahl der vorgestellten Produkte vor allem an Doktorand/innen und Postgraduierte richten.

Im dritten Teil „Informationen weiterverarbeiten“ handelt es sich – wieder fachübergreifend und auf allgemeinem Niveau – um Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, den Einsatz von Literaturverwaltungsprogrammen sowie die wissenschaftliche Ethik. Gerade den Neulingen im Wissenschaftsbetrieb möchte der Autor vor Augen führen, was ein Plagiat ist und welch schwerwiegenden Verstoß Plagiieren bedeutet. Abgeschlossen wird das Werk mit einem „Ressourcenverzeichnis“. Hier sind die Internetadressen, die URLs der im Werk genannten elektronischen Ressourcen zusammengetragen. Die Benutzung wird allerdings dadurch ganz erheblich erschwert, dass die Quellen zwar kapitelweise gegliedert, aber in keiner alphabetischen Reihenfolge präsentiert werden. Da dauert das Suchen auf viereinhalb Seiten „Historische Grundwissenschaften und Quellen“ schon etwas länger. Alternativ hätte sich eine tiefere Gliederung angeboten.

Insgesamt 55 Abbildungen vermitteln in ihrer Mehrzahl für einen erheblichen Anteil der vorgestellten Informationsressourcen einen Eindruck der Präsentationsoberflächen. Leider besitzen die zu Illustrationszwecken eigentlich wertvollen Bilder mit ihren reichhaltigen Grautönen oftmals nur eine mindere Qualität. Der beabsichtigte Eindruck kann nur schemenhaft vermittelt werden. Hier hätte der Verlag unbedingt etwas mehr Sorgfalt walten lassen müssen.

Einleitend wurde das Ziel der Reihe umschrieben, eine Vertrautheit mit den Informationsressourcen der altertumswissenschaftlichen Fächer zu erlangen. Explizit heißt es auf dem hinteren Einband: „Nur wer die wichtigen Informationsressourcen seines Faches kennt und effektiv mit ihnen umgehen kann, ist heute in der Lage, sein Studium erfolgreich zu bestehen.“ Nach Abschluss der Lektüre vermittelt das Werk eigentlich nur den ersten Aspekt, die fachlichen Ressourcen zu kennen. Der zweite, der des effektiven Umgangs mit ihnen, wird hingegen ziemlich vernachlässigt. Hier setzt die Hauptkritik des Rezensenten ein. Sie richtet sich zunächst gegen die Anlage der Reihe Erfolgreich recherchieren und trifft damit weniger den Autoren. Im ersten und dritten Teil der einzelnen Bände werden überwiegend allgemeine, fächerübergreifend wichtige Informationen vorgetragen. Wäre es da nicht sinnvoller gewesen, daraus einen allgemeingehaltenen ersten Band zu schaffen und nicht die Autoren vor die Aufgabe zu stellen, das Rad 15mal neu erfinden zu müssen?

Für den fachlich relevanten zweiten Teil – Advanced – hätte dann mehr Platz zur Verfügung gestanden. Vergeblich sucht man Angaben darüber, ob die Quellen frei im Netz verfügbar sind oder ob sie von einer Bibliothek lizensiert werden müssen. Vergeblich sucht man Hinweise, ob die Ressourcen durch deutsche bzw. englische Hilfetexte erschlossen sind. Auch die Angaben zur Recherche fallen überwiegend knapp aus, obwohl die Benutzung von Datenbanken wie der Année philologique oder dem Thesaurus linguae Graecae ja alles andere als trivial ist.

Keine Ordnung besitzen die Klammerzusätze, die die Wortherkunft der Hilfswissenschaften aus dem Griechischen aufzeigen. Bei den Fächern Epigraphik, Numismatik, Onomastik, Prosopographie und Sphragistik wird die Klammer wahlweise mit „griech.“ eingeleitet oder nicht, wahlweise erhalten die griechischen Wörter einen Akzent oder keinen. Bei der Keramik wird auf die Etymologie dann ganz verzichtet. Hier hätte das Lektorat normierend eingreifen müssen. Weiter fällt auf, dass die Ansetzung der Mehrzahl von Schlag- und Stichwort zwischen -worten und -wörtern changiert. In der im Text verwendeten (bibliothekarischen) Bedeutung ist die korrekte Pluralbildung aber nur die mit -wörtern. Freilich weicht die Umgangssprache hier sehr oft von der Norm ab. Aber all das sind Adiaphora, die den Wert des Werkes als fundierten Überblick über die aktuelle Breite altertumswissenschaftlicher Informationsressourcen nicht schmälern sollten. Der für den Umfang recht bescheidene Preis wird die Anschaffung auch für Student/innen erschwinglich machen.

Hinter einem erheblichen Anteil der modernen Datenbanken steht ein weit über hundert Jahre altes Corpus wissenschaftlicher Sammlungs- und Ordnungstätigkeit. Darauf aufbauend gibt Schröter interessante wissenschaftshistorische Hinweise zur Vorgeschichte der modernen Produkte. Dies leitet abschließend zu einem kleinen wissenschaftshistorischen Exkurs über die Reihe Erfolgreich recherchieren über. Es bietet sich ein Vergleich mit der ebenfalls von Bibliothekar/innen in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrtausends verfassten und mit denselben Intentionen geschriebenen Reihe Wie finde ich Literatur zu an. Das konkrete Pendant aus dem Jahr 1992 trägt den Titel „Wie finde ich altertumswissenschaftliche Literatur“.1 Dieses Werk dürfte heute ein kümmerliches Dasein in bibliothekarischen Handapparaten fristen, wenn es nicht ganz ins Magazin verbannt ist. Von den 346 Seiten stellen 256 eine Zusammenstellung wichtiger einschlägiger Literatur dar, der Rest enthält überwiegend Angaben zur Benutzung von Bibliotheken. Nichts dürfte mehr die Veränderung des wissenschaftlichen Arbeitens unter Beweis stellen. Allein schon deshalb sollte das neue Buch seine Leserinnen und Leser finden.

Anmerkung:
1 Brigitte Gullath / Frank Heidtmann, Wie finde ich altertumswissenschaftliche Literatur: Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Byzantinistik, Alte Geschichte und Klassische Archäologie, Berlin 1992.

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