Cover
Titel
The Screen Is Red. Hollywood, Communism, and the Cold War


Autor(en)
Dick, Bernard F.
Erschienen
Anzahl Seiten
IX, 282 S., 35 SW-Abb.
Preis
€ 74,15; $ 75.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Olaf Stieglitz, Historisches Institut, Universität zu Köln

Im Jahr 2013 wurde die Serie „The Americans“ erstmals im US-Fernsehen ausgestrahlt und bislang sind fünf Staffeln der erfolgreichen Produktion gesendet worden. Die Serie spielt in den 1980er-Jahren und erzählt die Geschichte einer vermeintlich ganz normalen amerikanischen Familie: Elizabeth und Philip Jennings leben mit ihren zwei Kindern in einem Vorort von Washington, DC und nichts scheint auf den ersten Blick darauf hinzuweisen, dass sich hinter der biederen Fassade Aufregendes verbirgt. Tatsächlich aber sind die Jennings KGB-Spione, verüben Verbrechen im Auftrag ihrer kommunistischen Führungsoffiziere und leben in ständiger Sorge davor, von der amerikanischen Gegenspionage enttarnt und ausgeschaltet zu werden. „The Cold War will always find its season – on either the big or the small screen“ (S. 6), erinnert uns Bernard Dick gleich zu Beginn seiner Studie über die US-Film- und Fernsehindustrie und ihre langanhaltende Auseinandersetzung mit dem Kommunismus. Und in dieser Aussage steckt bereits die wichtigste Botschaft dieses Buchs: Das Ende des Kalten Kriegs markierte keineswegs das Verschwinden eines kommunistischen Feindbilds auf den Leinwänden und Bildschirmen der USA. „The Americans“ ist nur eine von vielen Film- und Fernsehproduktionen, die auf die Konfliktkonstellation des Kalten Kriegs nicht verzichten wollen und sie stattdessen bis in die Gegenwart fortschreiben.

Bernard Dick publiziert bereits seit den 1970er-Jahren im Feld der historischen Filmstudien. Sein „Anatomy of Film“ erschien 2010 schon in der sechsten Auflage und ist nach wie vor eines der am häufigsten in der Lehre benutzten Einführungen in die historische Filmanalyse; und „The Star-Spangled Screen“ war bei seinem Erscheinen 1985/1996 eine der ersten wirklich systematischen Arbeiten über die Hollywood-Produktionen des Zweiten Weltkriegs. Insgesamt stammen inzwischen etwa 20 Buchveröffentlichungen sowie eine Fülle von Aufsätzen aus seiner Feder, wobei die meisten von ihnen allerdings Portraitstudien einzelner Personen oder Studios für ein breiteres Lesepublikum sind. Mit der vorliegenden Neuerscheinung knüpft Dick an eine Publikation aus dem Jahre 1989 an; in „Radical Innocence“ hatte er seinerzeit eine vielbeachtete Analyse der als die „Hollywood Ten“ bekannten Gruppe von Regisseuren und Drehbuchautoren vorgelegt, die im Nachklang der antikommunistischen Kongressanhörungen Ende der 1940er-Jahre von den Filmstudios mit Berufsverboten und von ordentlichen Gerichten mit Gefängnisstrafen belegt wurden. Mit „The Screen is Red“ unternimmt Dick nun einen bewussten doppelten Brückenschlag zwischen den unterschiedlichen Strängen, die seine Veröffentlichungen kennzeichnen: Erstens verbindet das Buch einen akademischen Anspruch mit dem Ziel, ein größeres Publikum zu erreichen. Zweitens bietet es zugleich eine Gesamtschau über die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus bzw. mit der Sowjetunion als außenpolitischen Gegner der Vereinigten Staaten und eine Fülle einzelner Filminterpretationen. Allerdings wird recht rasch im Verlauf der Lektüre deutlich, dass der Autor diesen sehr ambitionierten Ansprüchen nicht gerecht werden kann.

In der Einleitung formuliert Dick sein Ziel, „[to] tell the story of the culture that formed a generation’s political conscience and fueled its suspicion of a technology capable of world annihilation” (S. 4). Sein Anliegen ist mithin, eine Filmgeschichte des Antikommunismus im US-Kino (und, etwas weniger ausführlich, im US-Fernsehen) mit einer Geschichte des Kalten Kriegs als Atomzeitalter zu verbinden. Damit folgt er einem in der einschlägigen Forschung durchaus etablierten Muster, was sich auch deutlich im Aufbau der Studie niederschlägt. Sie ist im Wesentlichen chronologisch von den 1930er-Jahren bis in die Gegenwart strukturiert, wird gegen Ende aber durch eher thematisch organisierte Kapitel zu einzelnen Personen (Elia Kazan, Edward Dmytryk, Alfred Hitchcock, John Wayne) oder Entwicklungen (wie der Atomtechnologie) ergänzt. Dabei ist es bemerkenswert, dass Dick darauf verzichtet, die einzelnen, insgesamt 21 Kapitel miteinander zu verzahnen und so ein zusammenhängendes Narrativ entstehen zu lassen. Vielmehr funktionieren alle Kapitel als einzelne, in sich abgeschlossene Essays, die unabhängig voneinander lesbar sind. Mit dieser Vorgehensweise zielt der Autor augenscheinlich darauf, handhabbare Lesestücke für die akademische Lehre zur Verfügung zu stellen, und tatsächlich kann man sich einige der Abschnitte durchaus auf der Literaturliste eines Seminars zu „Hollywood’s Cold War“ vorstellen. Für das Buch als solches überwiegen aber meiner Ansicht nach die Nachteile dieser Entscheidung: Es wird dadurch bisweilen sehr redundant und es fehlt, was noch gravierender ist, eine stringente, an einer klar formulierten These entlang entwickelte Argumentation. „The Screen is Red“ enthält eine Fülle von einzelnen Filmanalysen und viele mal mehr, mal weniger aufschlussreiche Hintergrundinformationen zu eher unbekannten Produktionen, doch eine wirklich originelle Perspektive auf die Filme und ihre gesellschaftlich sinnstiftende Bedeutung findet sich im Buch nicht.

Andere Autorinnen und Autoren haben demgegenüber in den vergangenen 15 Jahren durchaus nennenswerte Beiträge in diesem nach wie vor sehr dichten und viel beachteten thematischen Feld publiziert und dabei neue Akzente gesetzt. So wurde beispielsweise Hollywood als Produktionszusammenhang bewusst dezentralisiert und in internationale wie intermediale Zusammenhänge eingebettet, wobei gerade die Rolle des Fernsehens unterstrichen wurde.1 Darüber hinaus hat die jüngere Forschung die immer wieder erzählten Geschichten von ‚Opfern‘ und ‚Tätern‘ im Hollywood des Kalten Kriegs infrage gestellt und zugunsten einer komplexeren Analyse von wechselnden Rahmenbedingungen und Wirkzusammenhängen relativiert.2 Ferner wurde Hollywoods Kalter Krieg zunehmend mit anderen bedeutenden gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA und darüber hinaus in Verbindung gebracht, mit der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung etwa oder mit dem Feminismus und dem Kampf um die Rechte von Schwulen und Lesben.3

All diese und andere Trends der jüngeren Forschung findet man in „The Screen is Red“ leider kaum oder gar nicht. Bernard Dick konzentriert sich darauf, bekannte und weniger bekannte Informationen zu Hollywoods Kaltem Krieg in einer Darstellung zusammenzutragen, die sich in erster Linie an ein größeres Lesepublikum außerhalb der Universitäten richtet, ohne dabei den in den USA nicht unwichtigen Markt der Textbücher für Einführungsveranstaltungen ganz aus den Augen zu verlieren. Das Buch beinhaltet durchaus lesenswerte Abschnitte und namentlich gilt es die Entscheidung des Autors zu loben, auf die Kontinuitäten von Repräsentationsmustern auch nach Ende des Kalten Kriegs hinzuweisen – die Serie „The Americans“ ist hier nur eins von vielen sprechenden Beispielen. Trotzdem legt man „The Screen is Red“ nach der Lektüre unbefriedigt aus den Händen; insgesamt fällt das Buch doch sehr hinter inzwischen etablierte Standards der Forschung zurück.

Anmerkungen:
1 Eine eher internationale Sicht bietet etwa Tony Shaw, Hollywood’s Cold War, Amherst 2007; zur immensen Rolle des Fernsehens schon in den 1950er-Jahren vgl. Thomas Doherty, Cold War, Cool Medium. Television, McCarthyism, and American Culture, New York 2003.
2 Siehe dazu meine eigene Lesart, z.B. Olaf Stieglitz, „What I’d done was correct, but was it right?“ Öffentliche Rechtfertigungen von Denunziationen während der McCarthy-Ära, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 4 (2007), S. 40–60, http://www.zeithistorische-forschungen.de/1-2-2007/id=4718 (04.01.2018).
3 Den Zusammenhang von Antikommunismus in Film und Fernsehen und der Bürgerrechtsbewegung unterstreicht etwa Cyndy Hendershot, Anti-Communism and Popular Culture in Mid-Century America, Jefferson, NC 2003; Homophobie als Teil der Film- und Fernsehkultur des Kalten Kriegs beleuchten v.a. die Arbeiten von Robert J. Corber, zuletzt sein Cold War Femme: Lesbianism, National Identity, and Hollywood Cinema, Durham, NC 2011.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Epoche(n)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension