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Titel
Monsters in the Machine. Science Fiction Film and the Militarization of America After World War II


Autor(en)
Hantke, Steffen
Erschienen
Anzahl Seiten
234 S.
Preis
$ 60.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Arno Meteling, Institut für deutsche Sprache und Literatur II, Universität zu Köln

Allegorische wie soziologisch angeregte Lektüren von Science-Fiction sind keine wissenschaftlichen oder kritischen Nova. Wie kaum ein anderes Genre wird die Science-Fiction zum einen als Narrativ verstanden, das über die gesellschaftliche Gegenwart reflektiert, und zum anderen als Projektionsfläche begriffen, an der ungenutzte Alternativen zur Gegenwart diskutiert werden können. Gerade am Moment der Extrapolation, also dem Weiterdenken technischer, sozialer oder politischer Entwicklungen, entfaltet die Science-Fiction ja ihren Möglichkeitssinn.

In der 234 Seiten starken Studie Monsters in the Machine nähert sich Steffen Hantke in diesem Sinne einem Gegenstand an, der außergewöhnlich populär war, aber akademisch immer noch vernachlässigt wird – nämlich dem amerikanischen Science-Fiction-Film der 1950er-Jahre. Zu dieser Zeit sind Science-Fiction-Filme noch sogenannte „B Movies“, also preisgünstige Genrefilme, die im „double feature“ eines Kinos gewöhnlich als Zweites gezeigt werden. Diese Filme liest Hantke als „reflections of – and interventions in – the political, social, and cultural life of America during the 1950s“ (S. 11). Zentrales Sujet ist das, was in der Studie als „military-industrial complex“ (S. 9) bezeichnet wird. Dabei geht es um die Inszenierung des US-Militärs im Science-Fiction-Film der 1950er-Jahre genauso wie um konkrete Wechselwirkungen zwischen Film und Militär. Im einfachsten Fall zeigt der Film, wie das US-Militär heroisch das Monster aus dem All besiegt. Hantke liest allerdings ganz verschiedene Aspekte dieser Filme als Symptome einer Militarisierung der US-amerikanischen Gesellschaft im Kalten Krieg.

Zunächst werden in der Einleitung die Wurzeln der Science-Fiction in der „gothic novel“ ausfindig gemacht. Als Urtext dient Mary Shelleys Roman Frankenstein, or the Modern Prometheus von 1818, in dem Wissenschaft und Horror eine Einheit bilden. Ein Aspekt, der deshalb seit Frankenstein die Science-Fiction begleitet, ist das Unbehagen vor der Naturwissenschaft: „One look at a film like ‚This Island Earth‘ [...] and it becomes clear that for every image of potentially sublime reason and transcendence, there is an image of monstrous abjection.“ (S. 7–8) Im Rahmen einer historischen Kontextualisierung werden die zu analysierenden Filme dann unzweifelhaft als Produkte des Kalten Kriegs bestimmt, einer Zeit, die sowohl vom Zweiten Weltkrieg traumatisiert ist als auch unter der Ägide Dwight D. Eisenhowers eine Phase der Militarisierung durchläuft.

Die vier Kapitel des Buchs nehmen sich verschiedener Aspekte des Militärischen im Film an. Das erste Kapitel handelt von der Rekrutierung des Publikums, mit der Hantke im Sinne von Louis Althussers Konzept der „Interpellation“ eine direkte Adressierung meint. Dazu dient unter anderem „stock footage“ von Militär in billigen Filmen wie Alfred E. Greens „Invasion, U.S.A.“ (1952), in dem der Dritte Weltkrieg inszeniert wird. Direkte politische Ansprachen sind aber auch das Ausrufezeichen im Titel von Gordon Douglas‘ „Them!“ (1954) oder der auf das Publikum zufliegende Meteor in Jack Arnolds „It Came from Outer Space“ (1953). Ein markantes Beispiel dieser Reihe ist William Castles „The Tingler“ (1959), in dem der Regisseur selbst zu Beginn erscheint. Leider wird hier versäumt, auf den wesentlichen Anrufungsmechanismus des „Percepto!“-Gimmicks für den Film hinzuweisen, einem Vibrationsgerät, das den Kinosessel aktiviert, bis die Zuschauerinnen und Zuschauer schreien, wodurch das Monster dadurch augenscheinlich verschwindet.

Das anschließende Kapitel diskutiert den Kriegsveteran. An Gene Fowler Jr.s „I Married a Monster from Outer Space“ (1958), in der sich hinter der Fassade eines Menschen ein Außerirdischer als Ehemann verbirgt, erläutert Hantke allegorisch den Umgang mit dem Weltkriegstrauma. Im dritten Kapitel wird die militärisch veränderte Wahrnehmung von „iconic spaces“ (S. 45) der USA zum Thema. Exemplarisch geht es um die Überschreibung der Wüsten im Südwesten der USA. Diese werden nicht nur zu bedrohlichen Räumen, wie in „It Came from Outer Space“ oder „Them!“, sondern während der Western das wüste Grenzland beispielsweise zum Ort der „moral clarity and purity“ (S. 136) erhebt, dient die Leere der Wüste im Science-Fiction-Film einer „agoraphobic uncertainty“ (S. 136). Der folgende, vierte Abschnitt handelt schließlich von der amerikanischen Sicht auf die Welt des Kalten Kriegs. Es geht dabei nicht nur um Exotismus, sondern auch um die globale Überwachung vor allem unbewohnter, aber strategisch bedeutsamer Räume. An George Pals „The Time Machine“ (1960) wird auch der Export des „militärisch-industriellen Komplexes“ beispielsweise in die Zukunft ausgeführt.

In seinem Fazit verweist Hantke auf den Nachhall des 1950er-Jahre-Militarismus: „Celebratory films about the military-industrial complex would remain a staple of Hollywood production after the 1950s, with the war film as action-adventure spectacle first in line.“ (S. 194) Beispiele sind „Top Gun“ (1986), „Pearl Harbor“ (2001) oder die „The Lord of the Rings“-Verfilmungen (2001–2003). Der Krieg bleibt als „new American militarism“ (S. 189) ein Teil des US-amerikanischen Lebens und in Filmen wie „Battle Los Angeles“ (2011) und „Battleship“ (2012) sowie im „technohorror“ (S. 198) der „Alien“- (1979–) und „Resident-Evil“-Franchises (2002–) wird das Militärspektakel auch in Science-Fiction-Kontexten weiter fortgesetzt. Hantkes düsteres Fazit für die USA nach 9/11 lautet deshalb: „post-9/11 America seems to settle in to something eerily familiar: a perpetual state of crisis and a routine of normalized militarization reminiscent of the long 1950s.“ (S. 202)

Das Konzept, populäre Genrefilme zugleich als Seismographen und als Katalysatoren soziokultureller Befindlichkeiten der 1950er-Jahre zu betrachten, geht auf. Die Studie ist ungemein gut lesbar und stilistisch ziemlich locker formuliert. Sie ist zwar mit deutlich analytischem Interesse geschrieben, dabei aber nicht ohne persönliche Wertungen, die immer wieder in den Text einfließen, und die – wie im Absatz zu Roland Emmerichs „Godzilla“-Film (1998) – auch schon mal zu einem filmkritischen Totalverriss führen (S. 197). Genauso wertend geraten allerdings auch politische Einschätzungen, wie beispielsweise die Kennzeichnung von Francis Lawrences „I am Legend“ (2007) als einer der Filme am „conservative end of the spectrum [...], which ultimately embrace the newly militarized, digitally fortified, xenophobic America under the guidance of Homeland Security“ (S. 201).

Methodisch geraten die Lektüren der Filme mitunter etwas allegorisierend und erklären das Besondere im Film als etwas Besonderes aus dem Militärdiskurs, wie beispielsweise in „I Married a Monster from Outer Space“. Während diese Interpretationen angesichts des ja häufig wenig subtilen Materials unmittelbar einleuchten, vermisst man in der Studie dennoch so etwas wie eine theoretische oder methodische Rahmung, die die Erkenntnisse formalisieren könnte. So fehlen zum einen Verweise auf politische Theorien, mit denen die militaristischen Ideologien, um die es ja geht, auch jenseits konkreter Filmbeispiele gefasst werden könnten. Zum anderen gibt es auch keinen methodischen Rahmen der vielleicht als „soziologisch“ zu bezeichnenden Lektüren von Film und Gesellschaft.1 Hier bleibt die Studie konsequent am Exempel haften. Anschlussüberlegungen – vielleicht zur Foucault‘schen Diskursanalyse oder zur Zirkulation „sozialer Energie“ im New Historicism2 – werden nicht in Anschlag gebracht. So ergibt sich letztlich ein durchaus informierter und materialreicher, aber theoretisch eher eklektischer Zugriff auf die Filmmentalität der Nachkriegszeit.3

Anmerkungen:
1 Vgl. die deutlich soziologisch ausgeflaggte vergleichbare Studie am Einzelfilm in Jörn Ahrens, Wie aus Wildnis Gesellschaft wird. Kulturelle Selbstverständigung und populäre Kultur am Beispiel von John Fords Film „The Man Who Shot Liberty Valance“, Wiesbaden 2012.
2 Moritz Baßler (Hrsg.), New Historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur, Frankfurt am Main 1995; Moritz Baßler, Die kulturpoetische Funktion und das Archiv. Eine literaturwissenschaftliche Text-Kontext-Theorie, Tübingen 2005.
3 Das Konzept ist darin dem „1926“-Projekt Hans Ulrich Gumbrechts nicht ganz unähnlich. Vgl. Hans Ulrich Gumbrecht, 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt am Main 2003.

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