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Titel
Ein Bier wie Bayern. Geschichte der Münchner Löwenbrauerei 1818–2003


Autor(en)
Winkler, Richard
Erschienen
Neustadt an der Aisch 2016: Ph.C.W. Schmidt
Anzahl Seiten
VIII, 472 S., über 200 farb. Abb.
Preis
€ 29,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Roman Köster, Historisches Institut, Universität der Bundeswehr München

Die Brauindustrie gehört immer noch zu den Stiefkindern der wirtschaftshistorischen Forschung. Die wenigen vorhandenen Regional- und Unternehmensstudien stehen in keinem rechten Verhältnis zu der Bedeutung, welche die Branche über lange Jahrzehnte für die deutsche Wirtschaft gehabt hat. Im Bereich der Kultur- und Umweltgeschichte des Bieres sieht es sogar noch schlechter aus, zumal entsprechende Texte oftmals keine ausreichende Distanz zum Brauchtum aufweisen.

Unter den Münchener Großbrauereien sticht die Löwenbrauerei in mehrfacher Hinsicht heraus: Zunächst ist das Unternehmen deutlich internationaler als seine Konkurrenten am Platz wie Augustiner oder Spaten. Die frühe und konsequente Exportorientierung führte etwa dazu, dass „Löwenbräu“ bis heute in den USA eine bekannte Marke darstellt. Ein anderer Aspekt ist, dass die Firma im Besitz eines internationalen Braukonzerns ist. Damit dürfte es auch zusammenhängen, dass die archivalische Überlieferung hervorragend und im Bayerischen Wirtschaftsarchiv (BWA) zugänglich ist.

Richard Winkler, Archivar am BWA, hat nun eine voluminöse und sorgfältig recherchierte Studie zur neueren Geschichte dieses Unternehmens vorgelegt, nachdem sich Wolfgang Behringer bereits intensiv ihrer Frühphase gewidmet hatte.1 Den Anfangspunkt markiert dabei das Jahr 1818, als der vormalige Braumeister der Schlossbrauerei Georg Brey das Unternehmen erwarb. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Firma, die vorher keinesfalls herausstach, zu einer der führenden Braustätten Münchens. Brey gelang es, den Brauprozess zu stabilisieren und die anfänglichen Qualitätsprobleme in den Griff zu bekommen.

Die Jahrzehnte nach der Reichsgründung waren durch eine stetige Expansion gekennzeichnet, die sich vor allem in der Übernahme anderer Brauereien niederschlug. Die Darstellung erfolgreicher und gescheiterter Übernahmeverhandlungen nimmt dabei einen breiten Raum ein. In der Zwischenkriegszeit beschleunigte sich die Konzentrationsbewegung auch im Bayerischen Braugewerbe, zumal die Branche unter Inflation und Weltwirtschaftskrise schwer zu leiden hatte. In den 1950er- und 1960er-Jahren erlebte die Löwenbrauerei dann jedoch wieder einen kräftigen Aufschwung, was auch mit dem steigenden Bierkonsum im „Wirtschaftswunder“ zu tun hatte.

Ausführlich beleuchtet Winkler die internationale Expansion der Löwenbrauerei, die bereits im späten 19. Jahrhundert einsetzte und nach 1900 durch neue Technologien einen enormen Schub bekam: Kühltechniken, verbesserte Transportmöglichkeiten und schließlich die Durchsetzung des Flaschenbieres bildeten die Voraussetzung dafür, dass die Löwenbrauerei ihr Bier nach der Jahrhundertwende in immer mehr Länder (zeitweise bis zu 150) exportierte und eigene Ausschankstellen betrieb. Diese singuläre Internationalisierung, insbesondere die starke Stellung im angelsächsischen Raum, wurde außer von Haake-Beck von keiner anderen deutschen Brauerei erreicht. Die dahinter stehenden Handelsstrategien werden von Winkler minutiös rekonstruiert, wobei er auch die wichtige Funktion der Werbung berücksichtigt.

In den 1970er-Jahren geriet die Löwenbrauerei trotzdem in die Krise, zumal München in dieser Zeit von Dortmund als führende „Bierstadt“ der Bundesrepublik abgelöst wurde. Was sich später als großer Vorteil der Münchener Brauereien erweisen sollte, nämlich Bayern als „national brand“ und die Verbindung mit Werten wie Tradition und Gemütlichkeit, geriet damals aus der Mode. Der sinkende Bierkonsum sowie strategische Fehler der Unternehmensleitung insbesondere bei Auslandsinvestitionen führten dann in den 1990er-Jahren zu einem, wie Winkler schreibt, beispiellosen Abstieg des Unternehmens. 1997 wurde die Löwenbrauerei von Anheuser-Busch (heute Inbev) übernommen. Die Firma, lange Jahre eines der Aushängeschilder der Münchener Brauwirtschaft, wurde damals gewissermaßen zum „Paria“, was sich mittlerweile aber wieder normalisiert haben dürfte.

Einige sprachliche Punkte sind an der Arbeit zu bekritteln: Gelegentlich stört die Vielzahl an „Löwen“-Metaphern bei der Lektüre (der Löwe lahmt, setzt zum Sprung an, ihm dämmert es usw.). Darüber hinaus wäre eine darstellerische Straffung des Materials sinnvoll gewesen, denn gelegentlich verliert der Leser bei den zahlreichen Übernahmen, Exportinitiativen, Handels- und Marketingaktivitäten den Überblick. Insgesamt ist Richard Winkler aber eine sehr gut recherchierte und spannende Unternehmensgeschichte gelungen, die darüber hinaus durch eine reiche und anschauliche Bebilderung besticht. Es ist jedenfalls zu hoffen, dass die Arbeit der Geschichte der Brauwirtschaft einen neuen Schub gibt.

Anmerkung:
1 Wolfgang Behringer, Löwenbräu. Von den Anfängen des Münchner Brauwesens bis zur Gegenwart, München 1991.

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