R. Duncan-Jones: Power and Privilege

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Titel
Power and Privilege in Roman Society.


Autor(en)
Duncan-Jones, Richard
Erschienen
Anzahl Seiten
XII, 229 S.
Preis
£ 64.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Nikolas Hächler, Alte Geschichte, Historisches Seminar, Universität Zürich

Richard Duncan-Jones widmet sich in seiner konzisen Untersuchung der Frage, ob die Möglichkeit zur Bekleidung eines Amtes im kaiserzeitlichen Imperium Romanum stärker von Verdiensten („merit“) und Erfahrungen („experiences“) im Staatsdienst oder von der Stellung innerhalb der römischen Gesellschaft („social rank“) abhing. Hierzu betrachtet er verschiedene Werdegänge von Senatoren (S. 1–86), Rittern (S. 87–128) sowie von Sklaven und Freigelassenen (S. 129–153). Die vorgelegte Analyse stellt damit einen wichtigen Beitrag zur römischen Sozial- und Verwaltungsgeschichte dar.

Duncan-Jones' Ausführungen zu viri clarissimi fallen aufgrund der vergleichsweise reichhaltigen Quellenlage am ausführlichsten aus. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen hier jene Männer, deren politische Laufbahnen zwischen 29 v.Chr. und 285 n.Chr. vollständig erhalten sind (S. 63, S. 73). Seine Untersuchungsgruppe umfasst 557 Personen (S. 6), wobei ein großer Teil davon unter den Adoptivkaisern wirkte (S. 73–80).1 Es ist in diesem Kontext anzumerken, dass die aufgeworfenen Fragen in prosopographischen Untersuchungen zum ordo senatorius für einzelne Epochen der Kaisergeschichten bereits behandelt wurden.2 Vor diesem Hintergrund erweist sich besonders die durch den Autor gewählte übergreifende zeitliche Perspektive sowie die statistisch fundierte Vorgehensweise als innovativ. So führt der Verfasser einen sogenannten „social score“ sowie einen „career score“ ein (S. 3, S. 154–156) und weist damit dem Sozialstatus des jeweiligen Senators bzw. seinem zuletzt ausgeübten Amt einen numerischen Wert zu (S. 5–12, S. 154–156).3 Die vergleichende Betrachtung der so erzeugten Datensätze erlaubt es, überzeugende Schlussfolgerungen über die Bedeutung der gesellschaftlichen Stellung für den Verlauf eines senatorischen cursus honorum zu ziehen.

Insgesamt erscheint dem Autor das senatorische Beförderungssystem („career system“) während des gesamten Prinzipats stark aristokratisch geprägt zu sein. Ein hoher „social score“ ging damit tendenziell mit einem hohen „career score“ einher (S. 21). Insbesondere Angehörige von in Italien beheimateten Patrizierfamilien hatten in der Regel beste Aussichten darauf, konsulare Ämter in der Ziviladministration und Rechtsprechung in Rom und Italien zu bekleiden. In einigen Fällen betont Duncan-Jones allerdings die Flexibilität des kaiserzeitlichen Beförderungssystems. Insbesondere die in den Provinzen des Reiches beheimateten Plebejer, die ihre Laufbahn als IIIIviri viarum curandarum oder manchmal auch außerhalb des Vigintivirats begannen, erhielten aufgrund persönlicher Leistungen im Heerwesen und in der Provinzialadministration – sowie wegen weiterer, uns nicht immer einsichtigen Gründen – Zugang zu wichtigen Ämtern. Dies spiegelt sich in eindrücklichen nicht-patrizischen Karrieren mit entsprechend hohen „career scores“ wider (S. 36–72).

Bei seinen Betrachtungen zum ordo equester konzentriert sich Duncan-Jones auf die ritterliche Dienstaristokratie („aristocracy of service“), deren Mitglieder auf Geheiß der Kaiser Aufgaben im Staatsdienst übernahmen. Jene Ritter, die an der jährlich in Rom stattfindenden Parade als Inhaber des equus publicus mitwirkten, daneben aber keinen weiteren Tätigkeiten im Staatsdienst nachgingen, sowie Personen aus senatorischen und ritterlichen Familien, die noch kein reichspolitisches Amt bekleidet hatten, finden in der vorliegenden Studie am Rande Erwähnung (S. 92). Mittels einer vergleichenden Betrachtung vollständiger Laufbahnen, in welcher er vor allem auf die Relationen zwischen der Anzahl der vorprokuratorischen militiae, nachfolgenden (zivilen) Amtsfunktionen und dem höchsten Lohn („final salary“) achtet, weist Duncan-Jones nach, dass die soziale Herkunft sowie persönliche Patronage auch unter ritterlichen Amtsträgern für den Verlauf einer politischen Karriere von großer Bedeutung waren.4 So führt er aus, dass der größte Teil der equites die traditionellen tres militiae ganz oder teilweise absolvierte und danach keine oder nur wenige Aufgaben im Staatsdienst erfüllte (S. 112). Daneben finden sich einige Ritter, die keine vorprokuratorischen Funktionen übernahmen, aber wohl auf Geheiß der Herrscher zur Ausübung prokuratorischer Ämter gelangten (S. 113). Jene Männer, die schließlich zu den höchsten ritterlichen Positionen zugelassen wurden, absolvierten in der Regel zusätzlich ein viertes vorprokuratorisches Amt (quarta militia) (S. 112–113). In derartigen Fällen dürften gemäß Duncan-Jones persönliche Leistungen im Staats- und Heeresdienst sicherlich mitberücksichtigt worden sein, wobei der Kontakt zu Angehörigen der römischen Führungselite weiterhin wichtig geblieben sein dürfte. In exkursartiger Weise fokussiert der Autor im Anschluss auf die ökonomische Bedeutung des Ritterstandes – hervorgehoben wird insbesondere dessen Wirken im römischen Pachtwesen (S. 118–122) – sowie auf Tendenzen zur Abwertung ritterlicher Standesinsignien während der Kaiserzeit, etwa durch die Vergabe des anulus aureus an Freigelassene, Soldaten und Kleinkinder (S. 123–128).

Im letzten Teil der Studie stehen Sklaven und Freigelassene im Zentrum der Aufmerksamkeit. Im Besonderen stützt sich der Verfasser hierbei auf juristische Zeugnisse, die vertiefte Einblicke in die Modalitäten des Sklavenkaufs und -verkaufs erlauben. Bei seinen Untersuchungen zur Herkunft von Sklaven („sources of slaves”) unterscheidet Duncan-Jones zwischen Kriegsgefangenen, leiblichen Nachkommen von servi, ausgesetzten Kindern, die auf dem Sklavenmarkt verkauft wurden, sowie freien Erwachsenen, die sich aus freien Stücken selbst in die Sklaverei begaben oder wegen Schulden in dieser landeten (S. 131–141). Angehörige der zuletzt genannten Gruppierung, die nachfolgend im Fokus stehen, hatten damit zwar auf ihren Status als Freie zu verzichten, wurden im Gegenzug aber durch ihre Herren mit allem Lebensnotwendigen versorgt (S. 152). Nach Ansicht des Autors sei es deshalb durchaus vorstellbar, dass sich einige Personen gerade in krisenreichen Zeiten als Sklaven verdingten. Da zudem die Möglichkeit bestand, sich freizukaufen oder nur für einen vertraglich festgelegten Zeitraum als Sklave zu dienen, musste der (Selbst-)Verkauf in die Sklaverei nicht notwendigerweise den Endpunkt eines individuellen Lebensweges markieren. So sind Freigelassene bekannt, die als liberti Augusti einflussreiche Positionen in der Reichsadministration innehatten (S. 148–151). Hierbei ist allerdings zu betonen, dass wohl nur über diese vergleichsweise kleine Gruppe tatsächlich klare Aussagen im Hinblick auf staatsdienstliche Tätigkeiten nach einer allfälligen Freilassung gemacht werden können. Da der größte Teil der servi außerdem ein sowohl nach antiken Maßstäben wie auch nach modernem Verständnis wenig erstrebenswertes Dasein fristete, sollte die Institution der Sklaverei wohl nicht im eigentlichen Sinne als Karriereform („slavery as a career”) bezeichnet werden.

Mit seiner lesenswerten Untersuchung führt uns Duncan-Jones auf der einen Seite die Durchlässigkeit der römischen Gesellschaft während des Prinzipats vor Augen. Auf der anderen Seite betont er, dass sozio-politische Aufstiegsmöglichkeiten eines Individuums nicht nur an persönliche Leistungen gebunden waren, sondern in den meisten Fällen von seiner Herkunft und von Verbindungen zu einflussreichen Instanzen im Imperium Romanum abhingen (S. 153). Der Autor präsentiert damit eine griffige und methodisch reflektierte Studie, die der Forschung mit Sicherheit als Grundlage zukünftiger Diskussionen dienen wird.

Anmerkungen:
1 In Appendix 7 (S. 182–199) finden sich gesamthaft 617 Personen. Gemäß Duncan-Jones sind uns die Einstiegsämter bei einem kleinen Teil der verzeichneten Senatoren allerdings nicht bekannt. Allfällige methodische Probleme, die sich bei der Analyse senatorischer cursus honorum ergeben können, werden in einem gesonderten Abschnitt behandelt (S. 81–86).
2 Siehe hierzu etwa Werner Eck, Beförderungskriterien innerhalb der senatorischen Laufbahn, dargestellt an der Zeit von 69 bis 138 n. Chr., in: Hildegard Temporini / Wolfgang Haase (Hrsg.), ANRW II,1, Berlin 1974, S. 158–228; Géza Alföldy, Konsulat und Senatorenstand unter den Antoninen. Prosopographische Untersuchungen zur senatorischen Führungsschicht, Bonn 1977; Paul Leunissen, Konsuln und Konsulare in der Zeit von Commodus bis Severus Alexanders (180–235 n. Chr.), Leiden 1989; Inge Mennen, Power and Status in the Roman Empire, AD 193–284, Leiden 2011.
3 Durch den „social score“ postuliert Duncan-Jones die Existenz einer hierarchisch gegliederten Sozialordnung innerhalb des ersten Standes. Diese lässt sich dem Verfasser zufolge über ein Studium der Korrelationen zwischen den zu Beginn einer senatorischen Karriere bekleideten Ämtern und den nachfolgenden Zugangsmöglichkeiten zum Konsulat sowie zu angesehenen Priesterfunktionen, eruieren (S. 8–10, S. 154–155). Grundlage für die Erstellung der „career scores“ stellt sodann die vergleichende Betrachtung vollständiger Laufbahnen dar (S. 154–155). Obschon die Auflistung und Bewertung der im Werk verzeichneten Amtsfunktionen im Allgemeinen überzeugt, zeigt sich bei näherer Betrachtung ausgewählter cursus honorum, dass die Reihenfolge der aufgelisteten Funktionen insbesondere auf vorkonsularer Stufe im Detail auch anders ausfallen konnte. Es ist an dieser Stelle etwa auf die aus dem 3. Jahrhundert bekannten cursus honorum von Rutilius Pudens Crispinus (CIL VI 41229), Q. Petronius Melior (CIL XI 3367) oder A. Egnatius Proculus (CIL VI 1406) hinzuweisen.
4 Der Autor verzichtet in diesem Fall darauf, eine eigene prosopographische Sammlung zu ritterlichen Amtsträgern zu erstellen und greift stattdessen auf bereits bestehende Arbeiten von S. Demougin, H. Devijver, A. Domaszewski, H.-G. Pflaum und R. Saller zurück (S. 106).