C. B. Champion: Peace of the Gods

Cover
Titel
The Peace of the Gods. Elite Religious Practices in the Middle Roman Republic


Autor(en)
Champion, Craige B.
Erschienen
Anzahl Seiten
XXV, 270 S.
Preis
$ 39.95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sema Karataş, Alte Geschichte, Historisches Institut, Universität zu Köln

Die Einhaltung der pax deorum, das heißt des Friedens zwischen den Göttern und dem populus Romanus, war ein elementarer Grundpfeiler der Ordnung der römischen Republik. Die Verantwortlichen, die diese ‚Bürde‘ zu tragen hatten, das heißt den ‚Friedenszustand‘ aufrechterhalten mussten, waren neben den unterschiedlichen Priestern (den sacerdotes populi Romani) bzw. Kollegien, welche die korrekte Durchführung von Ritualen, Prozessionen und die Deutung von Omen vorzunehmen hatten, in erster Linie die römischen Magistrate und der Senat, wobei es sich bei Senatoren und Priestern im Großen und Ganzen um dieselben Männer handelte, was C.B. Champion auch bestätigt (S. 74; S. XI und auch schon auf S. IX), und erneut: „my subjects are elites, frequently famous ones, often involved in singular events of great historical significance” (S. 6). Dabei konnten die religiösen Funktionsträger ihre Kompetenzen auch nutzen, um sie als Kontrollmechanismen gegen den populus Romanus einzusetzen – ein durchaus altes Konzept also. Diesen Aspekt der Steuerung mit Hilfe von sakralen Kompetenzen bezeichnet Champion als „an elite instrumentalist perspective“ (S. IX), das heißt die Kontrolle des einfachen Volkes durch die Elite anhand von religiösen Spektakeln wie Prozessionen, Festen, Opferhandlungen, das sich als Erklärungsmuster auch schon bei Polybios finden lässt. Zwar versucht Champion sich der Anwendung des ‚elite-instrumentalism‘ zu entziehen, wendet ihn aber dennoch als Hilfsmittel („tool“) an und zwar „for understanding elite’s religious practices and behaviors (...)“ (S. 16–17), was für den Leser eine Inkonsistenz zu sein scheint. Dabei versucht Champion aufzuzeigen, dass die religiösen Handlungen der Magistrate durchaus auch einen Weg darstellen konnten, um in politisch unruhigen Zeiten einen Grad an Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. Andererseits wird die Frage formuliert, ob die Mitglieder der Elite an ihre Gottheiten geglaubt haben: „did elites of the middle republic believe in their gods?“ (S. XII). Ob und inwiefern diese Frage überhaupt beantwortet werden kann, wird noch zu diskutieren sein. Damit ist der Rahmen des vorliegenden Buches auch schon abzusehen: Die Untersuchung von religiösen Funktionen und ihrer Träger sowie von Spektakeln und Prozessionen aus der Perspektive der politisch- sakralen Elite zur Zeit der mittleren Republik – genauer: „the second quarter of the third century to the aftermath of the Gracchan revolution“ (S. 1).

Auch durften seit der Frühzeit der Republik keine offiziellen Amtshandlungen sowohl in Rom als auch außerhalb der Stadt ohne vorhergehende Einholung der Vorzeichen durchgeführt werden. Eine genaue Unterscheidung der Bereiche domi und militiae ist damit unabdingbar. So gründet Champion seine Untersuchungen auf eben diese klassische Aufteilung: Auf die relativ ausführliche Einleitung (S. XI–XXV) folgt in Kapitel zwei (Domi: Priesthoods, Politics, and the People, S. 23–75) die Untersuchung der Religion einschließlich der unterschiedlichen Priester(kollegien), ihres Verhältnisses zum Senat und der Beteiligung des populus Romanus an religiösen Handlungen im politisch-sakralen Innenraum. Kapitel drei (Militiae: Commanders, Elite Religion and Fear of Military Disaster, S. 76–121) blickt auf die Kriegsführung und dabei insbesondere auf die Rolle des Heerführers, der sowohl vor als auch während der Schlachten Opfer darbrachte und auf günstige Zeichen der Götter hoffte, die einen Sieg sichern sollten. Das Augenmerk wird dabei explizit auch auf die Furcht vor militärischen Niederlagen gerichtet, die als Unzufriedenheit der Götter verstanden werden konnten.1 Exempla wie C. Flaminius, L. Aemilius Paullus, Tib. Sempronius Gracchus, Cn. und P. Scipio und M. Claudius Marcellus werden kurz angesprochen. Schließlich wird im Kapitel vier (Domi et Militiae: Elite Religion at Rome in Response to External Triumphs and Crises, S. 122–174) ein Blick auf die Einführung von fremden Gottheiten in politisch bzw. militärisch heiklen Situationen in das römische Pantheon (die sogenannte evocatio) geworfen und anhand von Karthago exemplifiziert (S. 210f.).

Werfen wir nun einen Blick auf die anfängliche Frage und einen der Hauptthesen von Champion, nämlich ob die römische Elite an ihre Gottheiten geglaubt hat oder nicht. Als Grundlage legt Champion folgende Definition von ‚belief‘ zunächst im ersten Kapitel und später in seiner Schlussbetrachtung (Epilog, S. 222–224) zu Grunde: „a genuine, collective conviction on the part of governing elites that Roman success, and indeed the city’s very existence, depended on maintaining correct relations with the gods through orthopraxy, or exactingly accurate performances of religious ceremony, ritual, and sacrifice“ (S. 223). Eine solche Definition kann jedoch meines Ermessens nach keine überzeugende Erklärung von Glaube / ‚belief‘ zur Zeit der römischen Republik bieten. Vielmehr bestätigt sie lediglich, dass gerade die strenge, minuziöse Einhaltung der rituellen Abläufe von Opfergaben, Zeremonien usw. die Kommunikation mit den Göttern aufrechterhalten und ihr Wohlwollen sichern sollte. Das hat unter anderem J. Rüpke bereits treffend formuliert: „Fundamentally, republican religion is not about belief or conduct but action, more specifically, action toward the gods“.2 Leider weist die vorliegende Arbeit darüber hinaus die in der anglo-amerikanischen Forschung üblich gewordene selektive Wahrnehmung von internationaler Forschungsliteratur auf: So beschäftigt sich Champion mit der Nobilität der mittleren Republik, verweist auf die Arbeit von M. Gelzer, übergeht aber eine der maßgeblichen Publikationen, nämlich die Untersuchung zur Entstehung der Nobilität von K.-J. Hölkeskamp. Auch bei der Untersuchung der oben erwähnten ‚großen Männer‘ der mittleren Republik wie C. Flaminius und M. Claudius Marcellus übergeht Champion die Arbeit von H. Beck. Auch fehlt in der Bibliographie die große Arbeit von G. Wissowa, die lediglich im Index mit zwei Angaben auftaucht.3 Im Inhaltsverzeichnis hätte man sich neben der Angabe der großen Kapitelüberschriften eine Feingliederung gewünscht, die einen schnellen Überblick über den Inhalt hätte bieten können. Positiv bleibt anzumerken, dass Champion immerhin mit einer bereiten literarischen Quellengrundlage gearbeitet hat, die sich nicht nur auf Cicero, Polybios und Livius stützt. Die Debatte geht also weiter...

Anmerkungen:
1 Zu militärischen Niederlagen: N. Rosenstein, Imperatores Victi. Military Defeat and Aristocratic Competition in the Middle and Late Republic, Berkeley 1990; S. Geist, Der gescheiterte Feldherr (dux ferox). Der besiegte römische Feldherr als literarische Figur bei römischen Niederlagen, dargestellt an ausgewählten schweren Niederlagen von der frühen Republik bis zu Augustus, Frankfurt am Main 2009; J. Clark, Triumph in Defeat. Military Loss and the Roman Republic, New York 2014.
2 J. Rüpke, Communication with the Gods, in: N. Rosenstein / R. Morstein-Marx (eds.), A Companion to the Roman Republic, Oxford 2010, 213–235, hier 215; ders., Pantheon. Geschichte der antiken Religionen, München 2016.
3 M. Gelzer, The Roman Nobility, trans. R. Seager, second ed., Oxford 1975 (1912); K.-J. Hölkeskamp, Die Entstehung der Nobilität: Studien zur sozialen und politischen Geschichte der Römischen Republik im 4. Jh. v. Chr., 2. Aufl., Stuttgart 2011; Hans Beck, Karriere und Hierarchie. Die römische Aristokratie und die Anfänge des cursus honorum in der mittleren Republik, Berlin 2005; G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer, 2. Aufl., München 1975 (1912).

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