L. Hodgson: Res Publica and the Roman Republic

Cover
Titel
Res Publica and the Roman Republic. ‘Without Body or Form’


Autor(en)
Hodgson, Louise
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 316 S.
Preis
£ 65.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Frank Görne, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Professur für Alte Geschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen

Die politische Semantik in der ausgehenden Römischen Republik hat in den vergangenen Jahren eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren1. In ihrer Monografie, die eine überarbeitete Fassung ihrer an der Durham University abgeschlossenen Dissertation darstellt, nimmt Louise Hodgson nun einen für die römisch-republikanischen Debatten zentralen Begriff in den Blick: die res publica. Wie sie betont, handelt es sich bei ihrem Buch zwar um eine philologische Studie zu einem politischen Konzept, aber es gehe ihr darum, „to make a historical point about a politically turbulent period“ (S. 2). Anhand ausführlicher Analysen des umfangreichen Quellenmaterials, in denen auf die res publica Bezug genommen wird, untersucht sie in insgesamt sieben Kapiteln, auf welche Weise die verschiedenen politischen Entwicklungen in der Späten Republik die res publica als politisches Konzept beeinflussten.

Im ersten Kapitel (S. 1–20) legt sie zunächst dar, dass unter res publica weder Römische Republik noch Gemeinschaft zu verstehen sei. Stattdessen identifiziert sie in den Quellenzeugnissen der Späten Republik zwei Bedeutungsebenen von res publica: res publica als öffentliche Angelegenheiten, die verwaltet werden müssen, und als politischer Raum, in dem sich die Akteure bewegen. Diese Unterscheidung wird zur Grundlage für die gesamte weitere Untersuchung.

Das zweite Kapitel (S. 21–60) nimmt die erste Bedeutungsebene in den Blick. Hodgson erläutert die ursprüngliche Konzeption von res publica als zu verwaltende öffentliche Angelegenheiten fast ausschließlich am Beispiel der Magistrate und Promagistrate, die als Träger des imperiums außerhalb Roms in ihren provinciae operierten und dort die res publica regelrecht verkörperten (S. 32). Die Magistrate hätten die res publica, die nach allgemeinem Verständnis als res populi im Besitz des populus Romanus gewesen sei (Cic. Rep. 1.39), verwaltet und über ihre Taten in ihrer Funktion als „Manager der res publicadignitas erworben. Die Popularen hätten jedoch beginnend mit den Gracchen eine weitere Lesart etabliert: Es sei der populus Romanus selbst und nicht der Magistrat, der die res publica verwalte. Der Magistrat habe sich demnach lediglich als Werkzeug des Volkes und nicht als Experte in politischen Fragen zu verstehen. Die Auseinandersetzungen mit den Popularen hätten nun einen Prozess der zunehmenden Politisierung des Konzepts in Gang gesetzt.

Im dritten Kapitel (S. 61–103) widmet sich Hodgson den verschiedenen Ermordungen im Namen der res publica. Mit dem vermeintlich angestrebten regnum des Ti. Gracchus setze der Ruf ein, die res publica vor einer akuten inneren Bedrohung ‚retten' zu müssen. Erstmals lasse sich nun die zweite Bedeutungsebene des Konzepts (res publica als politischer Raum) in den Quellen fassen. In den Augen des Scipio Nasica und der Senatoren, die seinem Aufruf zur Tötung folgten, drohte Gracchus mit seinem Griff nach der Alleinherrschaft, die anderen Akteure aus dem politischen Raum zu verdrängen. Hätte es den ‚Rettern' der res publica in den Jahren 133, 121 und 100 ausgereicht, die popularen Volkstribunen und ihre Anhänger als hostes populi Romani zu töten, so stelle die Diktatur Sullas einen Bruch dar. Für Sulla habe die ‚Rettung' erst mit der Neuordnung des politischen Raumes geendet, mit der er ihn vor künftigen Bedrohungen absichern wollte (S. 90).

Die Elastizität der Konzeption als politischer Raum ist Thema des vierten Kapitels (S. 105–162). Hodgson analysiert dazu mehrere Reden Ciceros aus den 60er- und 50er-Jahren. In ihnen wird der Raumaspekt weiter ausgestaltet. In den Reden gegen die lex agraria des Volkstribunen Rullus werde die in dem Gesetz vorgesehene Kolonie auf dem Gebiet Capuas zur konkurrierenden res publica, die die politische Autonomie der Senatoren und des populus gefährde. In den Catilinaria gelte Catilinas Flucht aus Rom als Beleg dafür, dass er sich aus der res publica entfernt habe und ihr nun mit seinen Mitverschwörern als hostis gegenüber stehe. Schließlich konstruiere Cicero in den Reden nach seiner Rückkehr aus dem Exil ein einzigartiges Verhältnis zwischen seiner Person und der res publica. Als ihr Retter vor den Catilinariern stehe er in einer besonderen Beziehung zu ihr. Daher sei sie mit ihm zusammen ins Exil getrieben worden und auch mit ihm nach Rom zurückgekehrt. Die Vorlage dazu lieferte freilich der Senat mit seinen Dekreten im Vorfeld seiner Rückkehr (Cic. Red. Sen. 16; 24–27), in denen er jeden dazu anhielt, dem die res publica salva am Herzen liege, der Rückführung Ciceros nicht im Wege zu stehen. Hier wäre neben der rhetorischen Strategie Ciceros, auf die es Hodgson ankommt, die Frage interessant gewesen, warum die Senatoren in ihren Dekreten so weit gingen.2

Die verschiedenen rhetorischen Strategien, mit denen die Bürgerkriegsparteien ihre politische Legitimation in den 40er-Jahren herleiteten, werden von Hodgson im fünften Kapitel untersucht (S. 163–219). Während sich die ‚Republikaner' im Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius aus Rom zurückzogen und in die Tradition früherer ‚Retter' der res publica stellten, indem sie Caesar zum hostis erklärten, habe dieser in seinen Kommentaren den Begriff auffälliger Weise in seiner ursprünglichen, weniger ausdifferenzierten Bedeutung als öffentliche Angelegenheiten verwendet, weil er auf diesem Feld in der moralisch unterlegenen Position gewesen sei (S. 170ff.). Nach seinem Sieg im Bürgerkrieg habe Caesar keinen Zweifel daran gelassen, dass er die res publica als seinen Besitz betrachte, weshalb Brutus und Cassius nach der Ermordung Caesars die libera res publica ausgerufen hätten. Nach deren Lesart sei die res publica unter Caesar nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen, da der Dictator den politischen Raum faktisch okkupiert und unter res publica nur noch die Verwaltung der Routineaufgaben in seinem Sinne verstanden hätte. Libera res publica als Konzept impliziere dagegen, dass der angestrebte politische Raum für alle Akteure und nicht nur für sie selbst und ihre Anhänger frei sein sollte.

Im sechsten Kapitel (S. 221–259) stehen die Argumente Ciceros im Fokus, mit denen er versuchte, den Senat davon zu überzeugen, die eigenmächtigen Entscheidungen der verschiedenen Bürgerkriegsteilnehmer, wie zum Beispiel die Truppenaushebungen des jungen Octavian, nachträglich zu legitimieren, mit dem Ziel, ein schlagkräftiges Bündnis gegen Antonius schmieden zu können. In seinen Philippischen Reden habe Cicero das militärische Vorgehen auf private Initiative damit gerechtfertigt, dass die Handlungen für die res publica von Vorteil gewesen wären und daher legitimiert werden müssten. Damit habe er sich einer gefährlichen Rhetorik bedient, die in letzter Konsequenz zu völliger Willkür einlud und die Bedeutung des Senates faktisch marginalisierte. Gleichzeitig habe er dem späteren princeps Augustus eine Vorlage für den Beginn seiner res gestae geliefert.

Hodgson beendet ihre Untersuchung (S. 261–276) mit der Bedeutung der res publica im Rom des Augustus. Im Prinzipat reduziere sich ihr Gehalt wieder auf seine ursprüngliche Bedeutung, weil der princeps mit seiner überragenden Machtfülle den politischen Raum weitgehend einnähme und folglich unter res publica ausschließlich die zu verwaltenden öffentlichen Angelegenheiten zu verstehen wären, die seiner Fürsorge anheimgestellt wären. Die im Laufe der Späten Republik zunehmend politisch aufgeladene Kategorie res publica werde daher in der Kaiserzeit zu einem Anachronismus, der auf ein Gemeinwesen verweise, das in der Form nicht mehr existiere.

Louise Hodgson gelingt es mit zahlreichen detaillierten Textanalysen, die verschiedenen Bedeutungsnuancen von res publica herauszuarbeiten und aufzuzeigen, auf welche Weise die Akteure in den schweren Konflikten der Späten Republik ihre Handlungen mit dem Rekurs auf die res publica zu rechtfertigen suchten. Dank regelmäßiger Zusammenfassungen ihrer Zwischenergebnisse und einem gefälligen Sprachstil, macht sie es dem Leser leicht, ihrer stringenten Argumentation zu folgen. Sie legt mit ihrer Studie einen interessanten Beitrag zur Geschichte der politischen Semantik in der Späten Republik vor.

Anmerkungen:
1 Vgl. u.a. Robert Morstein-Marx, Mass Oratory and Political Power in the Late Roman Republic, Cambridge 2004; Margaret Robb, Beyond Optimates and Populares, Stuttgart 2010; Valentina Arena, Libertas and the Practice of Politics in the Late Roman Republic, Cambridge 2012.
2 Die Restitution war erst nach 15 Monaten und nur unter Mithilfe der Triumvirn möglich, obwohl der Senat nach Ciceros Angaben von Beginn an mit großer Mehrheit seine Rückführung befürwortet hatte. Ist der Rekurs auf die res publica salva in den Dekreten also als Ausdruck eines weitgehend hilflosen Senates zu verstehen, der nur noch dann handlungsfähig war, wenn es keinen nennenswerten Widerstand mehr gab?

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