F. Fehlberg: Arbeitswert und Nachfrage

Cover
Titel
Arbeitswert und Nachfrage. Die Sozialökonomik von Karl Rodbertus zur Einführung


Autor(en)
Fehlberg, Frank
Reihe
Beiträge zur Geschichte der deutschsprachigen Ókonomie
Anzahl Seiten
402 S.
Preis
€ 38,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dirk Blasius, Historisches Institut, Universität Duisburg-Essen

Die vorliegende Arbeit ist am Lehrstuhl für Mikroökonomie der TU Chemnitz verfasst worden. Sie beschäftigt sich mit Karl Rodbertus (1805–1875), einem Klassiker des ökonomischen Denkens, dessen zentrale Ideen auf diesem Feld heute nahezu vergessen sind. Das hatte Gründe. Sie hingen mit dem Lebensweg von Rodbertus zusammen, aber auch mit seinem starken sozialpolitischen Engagement. Der zeitgenössische Ruf als "Staatsidealist" (S. 244) überlagerte das Erbe seiner "theoretischen Welt" (S. 48). Fehlberg macht deutlich, dass diese viel reicher war als Rodbertus“ bekanntestes Einzeltheorem, das Gesetz der fallenden Lohnquote in einem individualistisch ausgerichteten kapitalistischen Wirtschaftssystem. Rodbertus war ein Privatier, der auf seinem Landgut Jagetzow in Vorpommern jenseits der universitären Lehre mit vielen Schriften und persönlichen Kontakten in das politische Leben und nationalökonomische Denken seiner Zeit eingriff. Adolph Wagner (1838–1917), einer der führenden Köpfe der "Kathedersozialisten", wurde für den späten Rodbertus zur wichtigsten Bezugsperson (S. 260f.). Man kann Wagner als eine Art "literarischen Nachlassverwalter" von Rodbertus bezeichnen. Er versuchte als Erster Ordnung in ein Werk zu bringen, das sich durch die Vermengung von Veröffentlichtem, Fragmenten und Briefquellen jedem zielgerichteten Zugriff entgegenstellt. Aus der Perspektive der Wirtschaftswissenschaft versucht Fehlberg, ein vermeintlich veraltetes Theoriegebäude für die "heute gebräuchlichen Modelle von Gesellschaft und Wirtschaft" anschlussfähig zu machen (S.30f.). Dieser Ansatz bestimmt den Aufbau der Arbeit.

Im Hauptteil der Untersuchung geht es um "Theoretische und Praktische Sozialökonomik" (S.67–242), daran schließt sich der Abschnitt "Politisches Denken – Staatsökonomik" an. (S.243–292) Die Ausführungen Fehlbergs sind akribische Textstudien zum Begriffsraster von Rodbertus. Doch die Nachzeichnung der historischen ökonomischen Entwicklung bleibt immer auf einen politik- und sozialgeschichtlichen Wirkungsrahmen bezogen. In dieser Verschränkung liegt auch eine Konstante von Rodbertus“ Anspruch als Gelehrtem. Übertrieben scheint es, in dem Kapitel "Steuern durch Steuern" bei ihm einen frühen Ruf nach einer "Transaktionssteuer" zu vernehmen (S. 228f.). In der Frage der Verstaatlichung von Großbetrieben war sein Blick auf das preußische Eisenbahnwesen durchaus aktuell (S.232). Staatsinterventionen und Staatsbetriebe standen für Rodbertus "nicht unter, sondern über Calculationsbegriffen" (S. 230–232). Hier sah er die Tätigkeit des Staates in einer gesellschaftlichen Pflicht. Mit zuweilen beißender Systemkritik focht er für einen sozialreformerischen Kurs. "Es ist wahr", schrieb er 1872 an einen Mitstreiter, "die arbeitenden Klassen sind roh und stehlen; aber die besitzenden Klassen, finde ich, sind „fein“ und – „gründen“ Klassenmoral! Und nun wollen die „Gründer“ die sittlichen Zustände der Stehler verbessern. Aber, warum sollten denn die, die was haben, stehlen, und wie könnten die, die nichts haben, „gründen“?" (S. 263)

Fehlberg hat ein dichtes, wenn auch an nicht wenigen Stellen zu bemühtes Buch über Rodbertus vorgelegt. Als sein Verdienst gilt festzuhalten, das Spektrum konservativer Kritik an einem Wirtschaftssystem herausgearbeitet zu haben, in dem das bürgerliche Eigentum zur herrschenden, unantastbaren Gesellschaftsgrundlage geworden war. Rodbertus wollte dies ändern, ohne die monarchische Legitimationsbasis der bestehenden Ordnung preiszugeben. Hier traf er sich mit Lassalle. Mit Marx aber, auch darauf weist Fehlberg hin, erkannte Rodbertus den Bewegungscharakter des bürgerlichen Zeitalters.

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