J. H. Clark u.a. (Hrsg.): Brill's Companion to Military Defeat

Cover
Titel
Brill's Companion to Military Defeat in Ancient Mediterranean Society.


Herausgeber
Clark, Jessica Homan; Turner, Brian
Reihe
Brill's Companions in Classical Studies. Warfare in the Ancient Mediterranean World 2
Erschienen
Anzahl Seiten
XVIII, 382 S.
Preis
€ 149,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations (IHAC), Northeast Normal University, Changchun

Vae victoribus! Dass Geschichte immer der Sieger schreibt, ist eine Binsenweisheit. Und doch muss auch der Verlierer mit seiner Niederlage umgehen, sie verarbeiten und in seine Erwartungs- und Erfahrungsrahmen einordnen. Genau diesen Prozessen und Phänomenen widmet sich der vorliegende Sammelband, der dies für antike Gesellschaften des Mittelmeerraums in 14 Einzelbeiträgen untersucht. Der Gesamtanspruch und -ansatz erhellt sich am besten durch die Einleitung der Herausgeber Brian Turner und Jessica H. Clark (Thinking about Military Defeat in Ancient Mediterranean Society, S. 3–22) und dem Epilog sowie Ausblick aus der Feder von Nathan Rosenstein (Looking Ahead, S. 361–371), einem Pionier in der Niederlagen-Forschung. Denn es geht in den Fallstudien nicht so sehr um das Faktum der Niederlage und eine Realienbeschreibung, sondern um die Bewältigungsstrategien und -narrative, die sich in den verschiedenen Quellen spiegeln.

Wie sehr sich diese unterscheiden konnten, zeigen die einzelnen Beiträge, die – gegliedert in die Bereiche „Ancient Near East“, „Classical Greece and the Hellenistic World“ sowie „The Roman World“ – allesamt gut strukturiert sind sowie Quellen und Forschungsliteratur miteinander zu verknüpfen wissen. Es zeigen sich dabei typische und zu erwartende Muster: das Verschleiern von Niederlagen in der politisch-herrscherlichen Repräsentation, so lange dies eben möglich war (so etwa bei den Assyrern: Sarah C. Melville, Ideology, Politics, and the Assyrian Understanding of Defeat, S. 23–50); Vermittlungsversuche in spezifischen innenpolitischen Kommunikationsformen (für die frühe Kaiserzeit aufgezeigt von Brian Turner, Imperial Reactions to Military Failures in the Julio-Claudian Era, S. 262–283); die Stilisierung des ehrenvollen Todes auf dem Schlachtfeld (so etwa in Sparta: Matthew Trundle, Spartan Responses to Defeat: From a Mythical Hysiae to a Very Real Sellasia, S. 144–161); die Suche nach Schuldigen, entweder unter den Beteiligten (gespiegelt etwa in der Aberkennung von Titeln oder der Auflösung von Legionen: Graeme A. Ward, “By Any Other Name”: Disgrace, Defeat, and the Loss of Legionary History, S. 284–308), in den Umständen und Gegebenheiten von menschlicher Natur (für Thukydides aufgezeigt von Edith Foster, Military Defeat in Fifth-Century Athens: Thucydides and His Audience, S. 97–122) oder Topographie und Naturgewalten (so besprochen von Ida Östenberg, Defeated by the Forest, the Pass, the Wind: Nature as an Enemy of Rome, S. 240–261), oder aber in der (abzustellenden) Störung des Verhältnisses von Göttern und Menschen (so für die Assyrer bei Melville aufgezeigt); Veränderung in der militärischen Organisation und Strategie (Jeffrey Rop, The Assassination of Tissaphernes: Royal Responses to Military Defeat in the Achaemenid Empire, S. 51–73; Paul Johstono, “No Strength To Stand”: Defeat at Panium, the Macedonian Class, and Ptolemaic Decline, S. 162–187); das Verknüpfen von historischen Niederlagen mit der Konzeption wie Intention rhetorischer oder historiographischer Schriften, in Form von exempla bzw. topoi oder teleologischer Aussagen (so bei Foster; Max L. Goldman, Demosthenes, Chaeronea, and the Rhetoric of Defeat, S. 123–143; Jessica H. Clark, Defeat and the Roman Republic: Stories from Spain, 89–212; Sviatoslav Dmitriev, Recycling the Classical Past: Rhetorical Responses from the Roman Period to a Military Loss in Classical Greece, S. 309–334; Craig H. Caldwell, The Roman Emperor as Persian Prisoner of War: Remembering Shapur’s Capture of Valerian, S. 335–358). Auch die sozio-ökonomischen Folgen werden behandelt (so in den Beiträgen von John O. Hyland, Achaemenid Soldiers, Alexander’s Conquest, and the Experience of Defeat, S. 74–95 und von Johstono). Selten wird auch über die alltägliche Erfahrungswelt reflektiert, wie beispielsweise die Auftritte von Kriegsgefangenen oder Soldaten in den Komödien des Plautus bei Zuschauern angekommen sein mögen, unter denen sich auch Kriegsveteranen wie Sklaven befanden (Amy Richlin, The Ones Who Paid the Butcher’s Bill: Soldiers and War Captives in Roman Comedy, S. 213–239).

Überraschenderweise findet sich kein Beitrag zu den militärtaktischen Schriften des griechisch-römischen Altertums, die doch häufig in Form von Anweisungen oder exempla die (drohende) Niederlage in den Blick nehmen und aus taktischer wie strategischer Sicht rational zu bewältigen suchen und damit ein wichtiges Korrektiv bzw. Alternativ zu historiographisch-rhetorischen Schriften bilden.1 Auch archäologische Untersuchungen von Schlachtfeldern, zerstörten Stätten oder Gräber von Kriegstoten sowie die Analyse von Münzfunden und -horten könnten für zukünftige Forschungen den alltäglichen Umgang mit Niederlagen weiter erhellen. Nichtsdestoweniger bietet der Sammelband einen guten Zugang zu einem Thema, das sich eben doch öfter in antiken Quellen fassen lässt, da sowohl jeder Sieg des einen die Niederlage des anderen ist, als auch derlei klare Rollenverteilungen oft erst im Narrativ erfolgten.

Anmerkung:
1 Zum Widerspruch zwischen moralisierenden Urteilen über und taktischer Nutzung von nächtlichen Schlachten vgl. Sven Günther, Kulturgeschichtliche Dimensionen antiker Schlachten – eine Bestandsaufnahme, in: Marian Füssel / Michael Sikora (Hrsg.), Kulturgeschichte der Schlacht, Paderborn 2014, S. 27–52. Hinsichtlich Anweisungen zur Unterbindung von gegnerischen Angriffen bei Festen vgl. Tong Wu, Public Festivals, Political Manipulations and Civil Strife: Aeneas Tacticus on Rituals and City Defenses, in: Marburger Beiträge zur antiken Handels-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 34 (2016), S. 41–51.

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