D. Schindelbeck: Illustrierte deutsche Konsumgeschichte

Cover
Titel
Marken, Moden und Kampagnen. Illustrierte deutsche Konsumgeschichte


Autor(en)
Schindelbeck, Dirk
Erschienen
Darmstadt 2003: Primus Verlag
Anzahl Seiten
144 S., 200 Abb.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Alexander Schug

Dass eine Ware voll metaphysischer Spitzfindigkeiten und theologischer Mucken ist (Marx), Marktentscheidungen der Verbraucher eine größere Macht besitzen als der Besitz von Produktionsmitteln (Hanns W. Brose), eine Marke ein Gesicht hat wie ein Mensch (Hans Domizlaff) und die Kunst des 20. Jahrhunderts die Werbung ist (Andy Warhol), sind die vier Leitsätze, mit denen Schindelbeck in die illustrierte Welt des Nachkriegskonsums in Deutschland startet. Zur Einführung definiert er Konsum als sozialisierende Kraft, die die Gesellschaft zusammenhält, Anerkennung und Sicherheit verspricht, mithin das Selbstverständnis unserer Gesellschaft weitgehend bestimmt. Konsum und Unterhaltung, „Brot und Spiele“ und Wohlstand sind zentrale Leitaspekte politischen Handelns, weil sie sozialen Frieden stiften. Über diesen kurz ausgeführten Ansatz nähert sich Schindelbeck seinem Thema, und stellt von vorne herein klar, dass seine „kleine Konsumgeschichte“ keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Wissenschaftlichkeit erhebt. Schindelbeck: „Sie kann nicht mehr sein als ein Abriss, der an ausgewählten Produkten schlaglichtartig bestimmte Entwicklungen deutlich machen möchte. In den Blick treten sollen die Wellen, die Moden, die ‚Errungenschaften‘, die Standards – und mit ihnen der Wandel in Verhalten und Ansprüchen, Gewohnheiten, Mentalität und Selbstverständnis der Menschen.“ (S. 8)

Das Buch gliedert sich in neun Kapitel, die vor allem die bundesrepublikanische Konsumgeschichte anhand ausgewählter Produkte und ihrer Botschaften nachzeichnen. 40 Infokästen mit Zusatzinformationen etwa zur Geburt der Marken in Deutschland, aber auch mit Gedichten und manchmal mehr oder weniger unterhaltsamen Anekdoten ergänzen die Publikation.

Der Text ist journalistisch geschrieben. Dem Anspruch entsprechend wurde auf Fußnoten verzichtet – genauso wie auf die Diskussion der gemachten Aussagen. Der Text verlässt damit niemals die deskriptive Ebene, beschreibt aber zumindest anschaulich die unmittelbare Nachkriegszeit, das Wirtschaftswunder und seine Produktikonen wie das Gogomobil oder die ersten Kühlschränke. Schindelbeck beendet seine Darstellung mit der Erwähnung des "postmodernen Kult- und Erlebniskonsums" der 1980er/90er Jahre. Anschließend folgt noch ein kurzes Kapitel über die Produkt- und Konsumentwicklung in der DDR, die sich – so Schindelbeck – als schicksalhaft für die Existenz dieses Staates erweisen sollte. Ganz interessant sind die Ausführungen, dass die Armut der DDR-Produktwelt, die von Marx verteufelte und von der DDR vernachlässigte "Warenseele" und die fehlende erotische Aufladung der DDR-Produkte ein zentrales Problem dieses Staates gewesen sein sollen. Ein Kleid, so Schindelbeck, musste eine Geschichte erzählen, als Ware eine Anmutung haben und mit gewissen Imagedimensionen aufgeladen sein. Für Schindelbeck sind das grundlegende menschliche Bedürfnisse, die die SED-Greise verkannt hatten. Der weiteren Fundierung dieser Thesen wird allerdings leider kein Platz eingeräumt.

Fazit: Das Buch ist populärwissenschaftlich ausgelegt und geht über diesen Anspruch nicht hinaus. Trotzdem ist es für ein akademisches Publikum geeignet, das sich nach den vielen „turns“ der Vergangenheit auch vom „iconic turn“ der Geschichts- und Kulturwissenschaften nunmehr hat erfassen lassen. Schindelbeck präsentiert auf den 144 Seiten seines Buches 181 farbige Abbildungen von Werbeplakaten, Anzeigen und anderes visuelles Quellenmaterial. Im Sinne des iconic turn ist die Publikation allein deshalb brauchbar, weil sie eine übersichtlich gestaltete und kommentierte Quellenedition zur visuellen Kultur der Bundesrepublik und in einem letzten Kapitel auf über 20 Seiten auch der ehemaligen DDR ist. Mehr als diesen Nutzen hat die Publikation für die Wissenschaft aber nicht.

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