Titel
Power Button. A History of Pleasure, Panic, and the Politics of Pushing


Autor(en)
Plotnick, Rachel
Erschienen
Cambridge 2018: The MIT Press
Anzahl Seiten
424 S., 45 Abb.
Preis
$ 40.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jonas Schädler, Universität Zürich

Die Türglocke klingt, das Licht geht an, die Fahrstuhltüren öffnen sich, der Computer startet – Knöpfe zu drücken ist in unserem Alltag so selbstverständlich, dass wir die Mechanismen, die dabei ausgeführt werden, gar nicht wahrnehmen. In ihrer jüngst erschienenen Dissertation „Power Button. A History of Pleasure, Panic, and the Politics of Pushing“ geht Rachel Plotnick dieser Alltäglichkeit nach, indem sie die Praktik des Knopfdrückens historisiert und die Hierarchien sichtbar macht, die durch das technische Artefakt des Knopfes verborgen werden. Denn Knöpfe, so ihre Argumentation, seien überall dort eingesetzt worden, wo körperliche Arbeitstätigkeit sowie technische Infrastrukturen im Verborgenen bleiben sollten. Das Buch nimmt die Perspektive auf einen durch die Industrialisierung hervorgerufenen Wandel ein, der in seiner Summe oftmals als Übergang von körperlicher zu automatischer Arbeit beschrieben wurde.1 Indem Plotnick die Jahre von 1880 bis 1925 ins Zentrum rückt, übernimmt sie dieses Argumentationsmuster, fügt aber einen wesentlichen Zwischenschritt ein: „[C]ultural histories of electrification, communication, and labor have largely overlooked a society enamored with the ‚digital‘ – the finger – as a source of tactile input for machines.“ (S. xv). Plotnick legt dem Buch damit eine anregende These zugrunde, der zufolge Knöpfe nicht nur neues kommunikatives Mittel zwischen Mensch und Maschine bzw. Mensch und Mensch waren, sondern Knopfdrücken gleichzeitig das digitale Zeitalter einläutete – lange vor dem Computer. Damit soll das Buch auch einen Beitrag zur Geschichte der Elektrizität und der Digitalisierung leisten, zwei Forschungsfelder, die bisher vor allem durch übergreifende Studien erforscht worden sind.2

Plotnick legt mit „Power Button“ eine vielschichtige Geschichte des Knopfes vor, angesiedelt an der Schnittstelle von Konsum-, Medien-, Sozial- und Technikgeschichte. Ihr Ansatz verspricht, von einer Innovationsgeschichtsschreibung wegzukommen und auf den Gebrauch der neuen Technik zu fokussieren, was dem Anliegen einer „History of Technology-in-Use“ entspricht.3 Im Zentrum der Studie steht die erste Generation der Knopfdrücker/innen, womit um 1880 vor allem die Bewohner/innen herrschaftlicher Villen gemeint waren, die jedoch spätestens mit der Ausweitung der Stromversorgung eine umfassendere Bevölkerungsgruppe mit einschloss. Für ihre Gebrauchsgeschichte des Knopfs verwendet Plotnick ein umfangreiches und anschaulich eingesetztes Quellenmaterial: Zeitungsberichte, technische Anleitungen, Illustrationen, Beschwerdebriefe an Unternehmen, Werbungen sowie satirische Beiträge. Nicht zuletzt kommt dem Buch zugute, dass es mit einem hilfreichen Register ausgestattet ist.

Die Autorin beschreibt im ersten Teil „You Rang?“, dass Knöpfe aufgrund der simplen Funktionsweise keinen eigentlichen Erfinder hatten, sondern von verschiedenen elektrotechnischen Unternehmern gleichzeitig ‚erfunden‘ wurden. Plotnick beobachtet, dass der Knopf in seiner frühen Anwendung primär Kommunikationsverhältnisse veränderte und damit eine Arbeitsteilung ermöglichte. Dies ist insofern erstaunlich, als heute mit Knöpfen und Schaltern primär an die Technik der Fernsteuerung gedacht wird. Plotnick konzeptualisiert den Akt des Knopfdrückens vorerst als Neuaushandlung kommunikativer Aufmerksamkeitspraktiken. Hier offenbart sich auch die Bedeutung eines Teils des Buchtitels, „Panic“, denn Knöpfe waren anfangs vor allem für die Notruftechnik wichtig: Erstmals eingesetzt wurden Knöpfe ab 1870 in Feueralarminstallationen. Beim Drücken eines Knopfes wurde ein elektrischer Schaltkreis geschlossen, was einen Impuls auslöste. Im Falle eines Brandes konnte so ohne körperliche Mühe über weite Distanzen hinweg ein Warnsignal gesendet und Hilfe angefordert werden. Anknüpfend an frühere Formen mechanischer Dienstglocken fanden elektrische Knöpfe jedoch bald auch Verwendung in Hotels, Fabriken und Bankhäusern. Auf Knopfdruck – und hier kommt der „Pleasure“-Teil des Untertitels zur Geltung – erschien ein bellboy und nahm Bestellungen und Wünsche auf. Knöpfe erfüllten in diesem Zusammenhang eine disziplinierende Funktion.

Knöpfe hatten auch eine elektrodidaktische Komponente: Für Menschen, die den Umgang mit Strom nicht gewohnt waren, war der Knopf eine simple Möglichkeit, Kenntnisse über die Funktion von Elektrizität zu gewinnen. Wie zahlreiche Lehrbücher aus der Zeit um die Jahrhundertwende veranschaulichen, war das Wissen über die Funktion von Knöpfen und elektrischen Schaltkreisen ein wesentlicher Marker, mit dem Anwender/innen sich vom technologischen Analphabetismus absetzen konnten. Knöpfe richtig drücken – d. h. im richtigen Moment, einmal und nicht mehrmals – und die Folgen davon abschätzen zu können, fungierte als sozialer Prüfstein: „A misstep with a button often produced slurs against the presser’s race, gender, age, or class, and thus button pushing served as an outlet for expressing preexisting tensions and negotiating power relations.“ (S. 42).

Im zweiten Teil, „Automagically“, beleuchtet Plotnick, wie mit Knöpfen mechanische und elektrische Kräfte in Gang gesetzt werden konnten. Die Autorin nennt verschiedene Momente, in denen der Knopfdruck eine große Wirkung erzielte, was jeweils feierlich inszeniert wurde. Beispielsweise geschah dies 1885 bei einer Sprengung eines Felsens im East River bei New York, der den Schiffsverkehr stark behindert hatte. Der Druck auf den Knopf, der die Sprengung auslöste, wurde von einem zwölfjährigen Mädchen ausgeführt, was medial große Resonanz fand: „This imagery of a weak finger activating a ‚mighty arm‘ served as a fitting representation for how push buttons could offload human labor onto machines by enabling a light touch.“ (S. 76).

Knöpfe schienen die Arbeit zu übernehmen, die von Benutzerinnen und Benutzern an sie delegiert wurde. Jedenfalls referierten Werbeanzeigen im beginnenden 20. Jahrhundert oft auf Knöpfe und betonten, dass diese das Leben vereinfachen würden. „Push the button and we do the rest“ (S. 126), heißt es beispielsweise in einer Reklame für einen elektrischen Wasserhahn, aber auch Lichtschalter, Kameraauslöser oder elektrische Toilettenspülungen wurden nach demselben Muster beworben. Den Konsumierenden oblag die Entscheidung, einen Knopf zu drücken, die konkrete Arbeitsausführung hingegen blieb verborgen.

Der Schluss des Buches, „Imagining Digital Command“, widmet sich der Verbreitung von Knöpfen zu Steuerungszwecken im Alltag, wobei erstmals deren Begrenztheit offenbar wurde. Mit Knöpfen konnte ein binäres Signal gesendet und damit zum Beispiel ein Alarm ausgelöst werden; Kommunikation in umgekehrter Richtung, das Senden eines Gegensignals, war jedoch nicht möglich. Vor allem in Haushalten führte die Verzögerung zwischen Knopfdruck und Effekt zu Unzufriedenheit. So wurde eine Reihe von Geräten, sogenannte intercommunicators, entwickelt, die auf der Basis des Knopfdrückens funktionierten, jedoch mit Sprechmuscheln zur mündlichen Kommunikation ausgestattet waren, sodass Wünsche mündlich präzisiert werden konnten. Eine weitere Möglichkeit zur komplexeren Kommunikation war eine Schalttafel, die mit zahlreichen Knöpfen ausgestattet war, wobei jeder Knopf an eine Aussage gekoppelt war. Angewendet wurden solche Schalttafeln in Automobilen der 1910er-Jahre. Passagiere konnten auf Knopfdruck wünschen, ob der Chauffeur abbiegen sollte, ob ein Stopp oder eine schnellere Fahrt erwünscht war – hier offenbarte sich erstmals die Vorstellung einer digitalen Zukunft, in der eine knopfdrückende Person lediglich den Finger zu bewegen hat, damit ihr jegliche Arbeit abgenommen wird. An der Verbreitung von Knöpfen kam jedoch auch Kritik auf. So schreibt die Autorin mit Blick auf die soziale Distanz zwischen SenderIn und EmpfängerIn: „Whereas electrical manufacturers and electricians promoted digital command, […] the act of pushing buttons by managers intensified the physical, economic, and social distances between workers, with unequal hand gestures representing yet another layer of stratification.” (S. 203).

„Power Button“ ist eine originelle und lesenswerte Gebrauchsgeschichte des Knopfs. Dass sich das Buch bei Weitem nicht nur auf die technischen Bedingungen und Innovationen von elektrischen Knöpfen bezieht, sondern ebenso die sozialen, medialen und kulturellen Verstrickungen der Implementierung dieser Fingertechnik aufzeigt, ist ein großer Gewinn und zeigt, dass auch scheinbar nebensächliche und unscheinbare Dinge wesentliche gesellschaftliche Implikationen aufweisen. Die These, dass das digitale Zeitalter mit dem Knopf – also Jahre vor den ersten IBM-Rechnern – begonnen habe, wird überzeugend dargelegt. Zudem schafft es Plotnick, ein interessantes Zeugnis für die Relevanz einer „History of Technology-in-Use“ abzulegen, indem sie auf die Benutzung von Knöpfen fokussiert und dadurch die Generierung eines Verständnisses von Kontrolle und Aufgabenerfüllung auf Knopfdruck offenlegt. Die Autorin macht sich über diesen Zusammenhang vielfach Gedanken, leider findet aber eine Auseinandersetzung mit den Personen, die aufgrund von Knöpfen Arbeit verrichten, nur hintergründig statt. Zwar wird in „Power Button“ klar, dass Machtverhältnisse durch Knöpfe gefestigt werden. Dass diese aber auch Stabilisatoren gesellschaftlicher Asymmetrien sind, könnte noch pointierter herausgearbeitet werden.

Anmerkungen:
1 Diese Argumentation wurde in der Historiographie der industriellen Arbeit wiederholt aufgegriffen, so z. B. von Janet Zandy, Hands. Physical Labor, Class, and Cultural Work, New Brunswick 2004; ferner Ray Wild, Work Organization. A Study of Manual Work and Mass Production, London 1975.
2 Wegweisend für die Elektrifizierungsgeschichte ist Thomas Hughes, Networks of Power. Electrification in Western Society, 1880-1930, Baltimore 1983. Zur Digitalisierungsgeschichte erschien jüngst: David Gugerli, Wie die Welt in den Computer kam. Zur Entstehung digitaler Wirklichkeiten, Frankfurt am Main 2018.
3 Vgl. David Edgerton, The Shock of the Old. Technology and Global History since 1900, London 2008.